#15 Vom Wert der Insekten - eine einmalige Unternehmenstransformation I Mit Dr. Hans-Dietrich Reckhaus
Shownotes
Ein Unternehmer, der vor seinen eigenen Biozid-Produkten warnt? Wieso steigt er nicht einfach aus?
'Zu einfach!' Sagt Dr. Hans-Dietrich Reckhaus, mein Gast in dieser Folge. Er will den Markt für Insektentötungsprodukte proaktiv schrumpfen und gleichzeitig Kund*innen und Partner für den Wert von Insekten sensibilisieren. Dazu hat er begonnen sein Geschäftsmodell auf den Kopf zu stellen und sein Familienunternehmen zum Umweltdienstleister zu transformieren. Mittlerweile hat er das vermutlich weltweit erste Gütesiegel für ökoneutrale Insektenbekämpfungsprodukte etabliert.
Für diese Folge hat er mir verraten: ✅ wie er traditionelles und visionäres Geschäftsmodell ausbalanciert. ✅ wie sich am Anfang Mitarbeitende und Geschäftspartner abwandten. ✅ wie sich dabei seine Sicht auf Unternehmertum und Konsum gewandelt hat. ✅ wie er erfolgreich den Break-even geschafft hat.
Eine einmalige Transformationsgeschichte, die beseelt und Mut macht!
🙏 Grüße an meinen Missionspartner: IBM unterstützt meinen Podcast. Wie wird Landwirtschaft nachhaltiger und ressourcenschonender? Ramon Di Canio vom Sustainability Team meinte zu mir, die Zukunft liegt in Echtzeitdaten und Plattformen wie der IBM Watson Decision Platform for Agriculture. Mehr Infos dazu von Ramon auf LinkedIn oder hier: ➡️ https://ibm.biz/EnvironmentalSuiteAgriculture ➡️ https://www.linkedin.com/in/ramon-di-canio/
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Mehr zur Geschichte von Dr. Hans Dietrich Reckhaus und seinem Unternehmen findest Du hier: 🔗 https://www.reckhaus.com
Über 'Gewinne Zukunft': In diesem Podcast spricht Zackes Brustik alle zwei Wochen mit den Pionieren und Wegbereiterinnen der unternehmerischen Nachhaltigkeit. Was braucht es, um als Unternehmen nicht nur klimaneutral zu werden, sondern wirklich kompatibel mit den Klimazielen, der Kreislaufwirtschaft oder den SDGs als solches zu werden? Jeder Mensch, der hier zu Gast ist, hat eine einzigartige Geschichte zu erzählen und wertvolles und praktisches Wissen für Dich in petto. Dieser Podcast motiviert und befähigt Dich als CEO, Sustainability Managerin oder Entscheider*in Nachhaltigkeit praktisch und wirtschaftlich umzusetzen. Schließ Dich den Nachhaltigkeitspionieren an und trage mit Deinem Unternehmen erfolgreich zu einer lebenswerten Zukunft bei!
Regelmässige Update und viele weitere Insights bekommst Du von Zackes auf LinkedIn: ➡️ https://www.linkedin.com/in/moderator-zackes-brustik/
Transkript anzeigen
Hans Reckhaus [00:00:05]:
Hans Reckhaus [00:00:05]: Ich bin in die Firma gekommen, mir hat keiner mehr guten Morgen gesagt, mir hat keiner mehr einen Kaffee gekocht. Die Mitarbeiter wollten wenig mehr zu tun haben, die hatten aber wirklich Angst vor ihren Arbeitsplätzen. Dazu darf ich sagen, dass die Medien uns herum nur schlecht berichtet haben. Das heißt, die Mitarbeitenden wurden auch zum Gespött in ihrem Freundeskreis. Also eine ganz schwierige Situation. Zusammenfassend, nein, es ist mir nicht gelungen, mein Umfeld hinter mich zu bringen. Und insofern war das im Nachhinein, wenn ich das so locker heute sage, schon ein bisschen verrückt von mir auch, dass ich das durchgezogen habe. Aber ich war so tief und fest von der Richtigkeit dieser Aktion überzeugt, dass ich es machen musste.
Hans Reckhaus [00:00:05]:
Hans Reckhaus [00:00:51]:
Hans Reckhaus [00:00:51]: Also ich bin da, ja, ich habe mich da einfach durchgesetzt.
Hans Reckhaus [00:00:51]:
Zackes Brustik [00:00:57]:
Zackes Brustik [00:00:57]: Gewinne Zukunft, der Podcast, der dich dabei unterstützt, dein Unternehmen erfolgreich klimakompatibel zu gestalten. Hier lernst du direkt von den Menschen, die die Nachhaltigkeitstransformation als Pioniere entscheidend vorantreiben. Mein Name ist Zakas und ich freue mich, dich mit an Bord zu haben. IBM unterstützt mich auf meiner Mission. Daher gibt es wie vor jeder Folge einen Einblick in ein zum Thema passendes IBM Sustainability Offering in unter 60 Sekunden. Laut Schätzungen gehen 90 Prozent der globalen Ernteverluste auf extreme Wetterereignisse zurück. Gleichzeitig steht die Landwirtschaft weltweit vor der Herausforderung, zum Beispiel Düngemittel oder Pestizide stark reduzieren zu müssen, wenn sie sich nachhaltig transformieren will. Einer der größten Hebel Hierfür ist der Einsatz von IoT und Daten.
Zackes Brustik [00:00:57]:
Zackes Brustik [00:01:48]:
Zackes Brustik [00:01:48]: Von Ramon vom IBM Sustainability Team weiß ich, dass der durchschnittliche Farmer heute bereits über 500.000 Datenpunkte generiert. Und bis 2036 wird die Zahl sogar auf 4 Millionen steigen. Dank zum Beispiel elektronischer Sensoren im Boden, dank Drohnen oder dank hochauflösender Satellitenbilder. Und genau für diese Daten ist die cloudbasierte IBM Watson Decision Platform for Agriculture die ideale Plattform. Farmer können damit jetzt in Echtzeit auf zum Beispiel pH-Werte, Temperaturschwankungen oder sich ändernde Wetterbedingungen reagieren und so ihre Farming-Methoden präzise und ressourcenschonend anpassen. Mehr Informationen gibt es über den Link in den Shownotes oder über Ramon Dicanio auf LinkedIn. Seine eigenen Eltern haben extra eine Kreuzfahrt gebucht, möglichst weit weg zu sein, als mein Gast heute mit einer Kunstaktion an die Öffentlichkeit gegangen ist, die eine grundlegende Transformation seines Familienunternehmens einläuten sollte. Damals, knapp 2011 rum, hatte nämlich angefangen, sein Biozidunternehmen, also ein Unternehmen, was darauf spezialisiert ist, Insektentötungsmittel herzustellen, grundlegend zu transformieren und in einen Umweltdienstleister umzubauen.
Zackes Brustik [00:01:48]:
Zackes Brustik [00:03:03]:
Zackes Brustik [00:03:03]: Was bewegt einen Unternehmer zu solch einem ungewöhnlichen Schritt? Wie treibt man seine Vision trotz der Widerstände der eigenen Mitarbeitenden und der Geschäftspartner voran? Und wie balanciert man dabei traditionelles Geschäft und zukünftiges Geschäft miteinander aus? Die Antworten gibt's in dieser Folge. So eine wertvolle Geschichte passt natürlich nicht in 20 Minuten und da haben wir uns wirklich Zeit genommen und du fährst im Detail, warum er für seine Vision jahrelang einen rückläufigen Umsatz in Kauf genommen hat, warum er vor seinen eigenen Produkten warnt und was passiert ist, als er zufälligerweise Götz Werner, den Gründer der DM-Druckeriemärkte, persönlich begegnet ist. Sein Name ist Dr. Hans-Dietrich Reckhaus und ich freue mich unglaublich, ihn zu Gast in meinem Podcast zu haben.
Zackes Brustik [00:03:03]:
Hans Reckhaus [00:03:49]:
Hans Reckhaus [00:03:49]: Ja, vielen Dank, Zagis, für die Einladung.
Hans Reckhaus [00:03:49]:
Zackes Brustik [00:03:51]:
Zackes Brustik [00:03:51]: Lieber Hans, die wirklich bilderbuchartige Transformation kam ja selbst für dich unerwartet. Es begann alles 2011, Als du eigentlich auf der Suche nach einer Lösung für eine Marketing-Herausforderung warst, magst du uns mal abholen, wie alles seinen Anfang nahm?
Zackes Brustik [00:03:51]:
Hans Reckhaus [00:04:08]:
Hans Reckhaus [00:04:08]: Ich hatte ein neues Produkt entwickelt, eine ganz tolle Insektizidfreie Fliegenfalle, von der ich mir sehr viel versprochen habe. Und weil wir ein kleines Unternehmen sind mit 50 Mitarbeitern, haben wir nicht Werbemillionen. Und ich wollte einfach dieses Produkt groß machen. Und als Kunstfreund habe ich zwei Konzeptkünstler gefragt, die beiden Künstler Frank und Patrik Reklin, ob sie für mich nicht eine tolle Kunstaktion haben. Also kurz gefasst eine Marketing-Idee, wie man Werbung für meine Insektizid-freie Fliegenfalle machen könnte. Und ich hatte nie ein schnelles Gewissen in meinen Produkten. Und ich wollte ja ganz viel davon verkaufen. Und die beiden haben von Anfang an gesagt, Hans, deine Produkte sind einfach nur schlecht.
Hans Reckhaus [00:04:08]:
Hans Reckhaus [00:04:52]:
Hans Reckhaus [00:04:52]: Die töten Fliegen. Und überhaupt, wie kannst du damit umgehen, dass du den ganzen Tag Tötungsprodukte herstellst? Du musst viel mehr Fliegen retten. Und das war 2011. Und die beiden Künstler, die haben mich wirklich mitten ins Herz getroffen. Und seit 2011 denke ich nicht mehr in der Insektentötung, sondern vielmehr in der Insektenrettung.
Hans Reckhaus [00:04:52]:
Zackes Brustik [00:05:15]:
Zackes Brustik [00:05:15]: Das finde ich extrem spannend, weil das heißt, du hast dich auf den Weg gemacht. Du wolltest ein Marketing-Hack im Prinzip entwickeln. Das heißt, anstatt eine teure Agentur zu beauftragen, hast du dich an Künstler gewendet. Nicht mit dem Hintergrund, dein Unternehmen zu transformieren, aber weil es eben Künstler waren, die selbst einen ganz anderen Anspruch an ihrer Arbeit hatten, haben sie es geschafft, mit ihrer Art zu weisen und mit der Kraft der Kunst bei dir einen Denkprozess anzustoßen. Gerade da das ja für dich völlig unerwartet kam und oft so eine innere Veränderung ja auch Zeit braucht, und sich dann ins Thema einzuarbeiten, Wie lange hat das für dich gedauert, dass du dich wirklich davon verabschiedet hast, wow, es geht jetzt nicht drum, ein Insekten, das war jetzt kein Biozidmittel, aber ein Tötungsmittel immer noch, mich davon zu verabschieden und grundsätzlich mein ganzes Wirken, mein Handeln als Mensch, als Unternehmer zu überdenken. Da gehört ja wahnsinnig viel Infos auch dazu, eben was ist das, der Leben, was der Wert eines Insekten ist. Erweit bevor es medial so präsent war, dass Bienen sterben, dass Fliegen sterben etc. Etc.
Zackes Brustik [00:05:15]:
Zackes Brustik [00:06:14]:
Zackes Brustik [00:06:14]: Das heißt, es gibt ja noch nicht viel in der Welt dich herum, was dich da wahrscheinlich schon vorgefüttert hat.
Zackes Brustik [00:06:14]:
Hans Reckhaus [00:06:19]:
Hans Reckhaus [00:06:19]: Wir müssen da zwei Ebenen unterscheiden. Einmal, was du angesprochen hast, der Wert von Insekten. Also Insekten sind zentral wichtig für unsere Gesellschaft. Eine Welt ohne Insekten ist eine Welt ohne Pflanzen und Tiere. Ich möchte ein Beispiel sagen. Alleine 90 Prozent der Pflanzen brauchen die Bestäubung von Insekten. Und ganz viele Tiere brauchen die Insekten als Nahrungsquelle. Also noch einmal, eine Welt ohne Insekten ist eine Welt ohne Tiere und Pflanzen.
Hans Reckhaus [00:06:19]:
Hans Reckhaus [00:06:51]:
Hans Reckhaus [00:06:51]: Also das ist diese rein rationale Ebene, von der ich aber gar keine Ahnung hatte. Und ich muss sagen, die Künstler hatten auch keine Ahnung davon. Es war etwas anderes. Und es war die Ethik, es war das Gefühl. Die beiden haben mich an einem Punkt getroffen, den ich längst verschüttet hatte. Was meine ich damit? Ich hab meine Diplomarbeit über Umweltschutzüberlegungen geschrieben. Ich hatte mal irgendwo so einen kleinen grünen Daumen, den ich dann aber sehr schnell verloren hatte, als ich ins Unternehmen eingestiegen bin. Und ich habe gemerkt, dass ich mit grünen Ideen kein Geld verdienen kann, dass das nicht funktioniert.
Hans Reckhaus [00:06:51]:
Hans Reckhaus [00:07:32]:
Hans Reckhaus [00:07:32]: Und habe dann zeitgemäße Biozide entwickelt. Und obwohl wir nur 50 Mitarbeiter haben in Bielefeld, sind wir eines der absolut marktführenden Unternehmen im deutschsprachigen Raum. Wir bringen 100.000 Produkte jeden Tag auf die Straße. Was ich sagen möchte, ist, ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen gehabt. Aber die beiden Künstler haben mir gesagt, Hans, deine Produkte sind nur schlecht. Die töten Insekten. Wie viel Wert, Hans, hat eine Fliege, weil es jetzt ging eine Fliegenfalle, wie viel Wert hat eine Fliege für dich als Insektentöter? Diese eine Frage, die hat so unendlich gesessen, ich kann das gar nicht beschreiben. Also ich war ganz still, weil ich, ich hab nie drüber nachgedacht, Hat eine Fliege Wert? Ich meine, eine Stromfliege, da haut man drauf und fertig.
Hans Reckhaus [00:07:32]:
Hans Reckhaus [00:08:22]:
Hans Reckhaus [00:08:22]: Also was soll das? Und ich mache tolle Produkte, Insektizidfreie Produkte, sogar zeitgemäße Produkte. Also der Wert einer Fliege für mich. Das war eine echte Konfrontation. Sie haben mich getroffen und ich muss es vielleicht ein bisschen erklären, ich hatte den beiden tatsächlich einen Auftrag gegeben, eben für eine Marketing-Idee. Und zwei Monate später kam dann dieses entscheidende Gespräch, wo sie mich eben mit der Schattenseite meiner Produkte konfrontiert haben. Und sie sagten, naja, eine Kunstaktion haben wir auch für dich. Uns ist aufgefallen, dass Insekten und hier im besonderen Falle Fliegen keinen Wert in der Gesellschaft haben. Also, dass die Gesellschaft kein Bewusstsein für Fliegen hat.
Hans Reckhaus [00:08:22]:
Hans Reckhaus [00:09:07]:
Hans Reckhaus [00:09:07]: Und das reizt uns natürlich als Künstler. Also die Idee von uns ist, dass wir zusammen mit dir ein Dorf suchen und mit diesem Dorf mal über den Wert von Fliegen diskutieren. Und wir wollen einmal die Fliegen auch behandeln wie Menschen. Das heißt, wir wollen dann auch eine Fliege küren, die dann mit einer Lufthansa-Linienmaschine in die Wellnessferien fliegt. Denn auch Fliegen haben ja mal Ferien verdient. Das ist unsere Kunstaktion und das ist bestimmt ganz interessant und du möchtest ja Aufmerksamkeit haben. Die Medien werden das ganz toll finden, weil du ja Insektizid-Hersteller bist. Und wenn du Fliegen rettest, dann ist das polarisierend.
Hans Reckhaus [00:09:07]:
Hans Reckhaus [00:09:51]:
Hans Reckhaus [00:09:51]: Dann werden die berichten. Naja, im Zweifel wird das nicht gerade gute PR für deine Firma sein, weil du machst ja Gegenwerbung. Und deswegen verstehen wir das als Künstler sehr gut, wenn du das nicht machst, diese Aktion. Und bei diesem Gespräch war uns dreien, also Frank und Patrick Riecklin und mir, vollständig klar, dass diese Kunstaktion im Zweifel ganz sinnvoll wäre, aber dass ich die natürlich nicht machen kann als Bioziehersteller. Und so haben wir uns auch verabschiedet.
Hans Reckhaus [00:09:51]:
Zackes Brustik [00:10:16]:
Zackes Brustik [00:10:16]: Das wäre jetzt ja wahrscheinlich der Punkt gewesen, wo viele andere UnternehmerInnen gesagt hätten, vielen Dank, das war's, ich gehe wieder zu einer Agentur. Was war der Unterschied?
Zackes Brustik [00:10:16]:
Hans Reckhaus [00:10:24]:
Hans Reckhaus [00:10:24]: Die beiden haben mich getroffen. Ich kann das kaum erklären. Also das Erste, was ich gemacht habe, Ich habe mein Telefon ausgemacht, weil ich keine Ablenkung mehr haben wollte. Ich habe das Radio im Auto ausgemacht. Ich kam in der Stadt gerade mal auf 30 Stundenkilometer, auf der Landstraße vielleicht auf 50. Ich war geschockt und meine Frau macht dann zu Hause die Tür auf und sagt, was ist passiert? Dann habe ich ihr diese Idee erzählt. Und sie sagte, das ist ja völlig verrückt. Das sind doch so sympathische Künstler.
Hans Reckhaus [00:10:24]:
Hans Reckhaus [00:10:51]:
Hans Reckhaus [00:10:51]: Sie kannte diese Künstler auch.
Hans Reckhaus [00:10:51]:
Zackes Brustik [00:10:54]:
Zackes Brustik [00:10:54]: Die sind so sympathisch. Ich dachte, da kommst du fröhlich zurück.
Zackes Brustik [00:10:54]:
Hans Reckhaus [00:10:59]:
Hans Reckhaus [00:10:59]: Ja, genau. Die sind doch so sympathisch. Und warum wollen die eine Fliege mit einer Lufthansa-Linienmaschine in den Wellnessurlaub schicken? Also das ist ja völlig verrückt. Ja und dann wusste ich in dem Moment, dass ich mit niemand anderes über diese Idee sprechen muss, wenn selbst meine Frau, die übrigens Kunsthistorikerin ist, viel mehr Ahnung von Kunst hat als ich, Wenn die schon sagt, das sei verrückt. Ich hab 2 Nächte nicht geschlafen. Der Punkt, was ich sagen möchte, ist, für mich geht alles darauf zurück, dass ich für mich gesagt habe, ich kann doch auch einmal zurückgeben. Ich hab Milliarden Insekten auf dem Gewissen mit meinen Produkten. Da kann ich doch für einmal zurückgeben, also diese Logik, dass ich Insektentötungsprodukte auf der einen Seite herstelle und auf der anderen Seite dann Insekten mal rette.
Hans Reckhaus [00:10:59]:
Hans Reckhaus [00:11:47]:
Hans Reckhaus [00:11:47]: Diese Logik war für mich schnell, klar, sympathisch und dann habe ich die eben nach zwei schlaflosen Nächten angerufen, die beiden Künstler, und habe gesagt, wir realisieren.
Hans Reckhaus [00:11:47]:
Zackes Brustik [00:11:59]:
Zackes Brustik [00:11:59]: Was ich so faszinierend daran finde, ist wirklich der Kern, der das Ganze angeschoben hat. Weil es war jetzt nicht die Fakten da draußen, sei es Klimafakten, sei es Biodiversitätsfakten, du hast ja gesagt, ich glaube 90 Prozent der Süßwasserfische gäbe es nicht ohne Insekten, 90 Prozent Früchte und Gemüse nicht. Und all diese Zahlen, die wir kennen, die schrecklich sind, die dramatisch sind, nicht das war der Anfang, sondern weil die künstlerisch vielleicht sogar völlig zufällig an deinem absoluten Kernwert berührt haben. Und wenn ich das herausgehört habe, ist Respekt. Wir hatten uns vor dem Interview kurz darüber unterhalten, dass du grundsätzlich immer rasiert und im Anzug als wirklich klassische Unternehmer ins Unternehmen gehst, weil das für dich ein Ausdruck von Respekt und Achtsamkeit deinen Mitarbeitenden gegenüber ist. Das ist ja wirklich dein Kernwert als Unternehmer, als Person und den haben sie zufälligerweise getroffen. Und dann hat das was ausgelöst, das gesagt ist, okay, ich will auch zurückgeben. Und dann kam natürlich auch der Gedanke, auch wenn es mit einer Kunstaktion verbunden ist, da kommt so ein kleines bisschen der Growth- und Marketing-Hack dann mit rein.
Zackes Brustik [00:11:59]:
Zackes Brustik [00:13:02]:
Zackes Brustik [00:13:02]: Wir machen, was so abgefahren ist, dass die Medien darüber berichten. Müssen wir das Ganze dann aber auch mit echten Maßnahmen hinterlegen? Es aufrichtig meinen, dass es nicht absurdes Greenwashing wird, zu einer Zeit, wo es das Wort noch gar nicht gab. Und was ist daraus dann entstanden? Weil dann steigert ihr vor dem Problem, du hast gesagt, ihr tötet Milliarden Insekten. Wie gleiche ich das aus, dann wirklich ernst genommen zu werden? Das ist ein ziemlich großes Problem.
Zackes Brustik [00:13:02]:
Hans Reckhaus [00:13:27]:
Hans Reckhaus [00:13:27]: Ich bin dann in den Prozess mit den Künstlern gegangen, Denn die Künstler hatten ja nur diese Idee der Kunstaktion gebracht. Wie man das dann in der Realität umsetzt, das war gar nicht klar. Und wir haben über zehn Monate lang intensiv diskutiert. Und die Künstler haben von Anfang an gesagt, Ja, Hans, wir machen diese Kunstaktion mit dir, aber nur dann, wenn du den Schritt 2 gehst, wenn du die Insektenrettung in dein Geschäftsmodell integrierst. Das war nun für mich noch mehr als Abstrakt. Also diese Kunstaktion fand ich ja schon ganz sympathisch. Aber jetzt diese zwingende Forderung, dass sie nur dann mit mir zusammenarbeiten, wenn ich die Rettung integriere in mein Biozidgeschäftsmodell. Und dann sage ich denen, also Leute, wie soll ich das denn machen? Und dann haben die Künstler gesagt, nimm doch einfach einen Geldbetrag pro Produkt und stecke den in weitere Fliegenrettungsaktionen.
Hans Reckhaus [00:13:27]:
Hans Reckhaus [00:14:31]:
Hans Reckhaus [00:14:31]: Und meine Antwort war dann, nein. Also, lieber Frank und Patrick, jetzt hören wir auf. Jetzt machen wir das nicht so, dass wir tausend Fliegen töten und nur zehn retten, so fürs gute Gewissen. Nein, jetzt machen wir es konsequent. Wir töten auf der einen Seite tausend Fliegen und auf der anderen Seite legen wir insektenfreundliche Lebensräume an, diesen ökologischen Verlust zu kompensieren. Und so ist die Idee für die ersten ökoneutralen Biozide der Welt im Kunstatelier von Frank und Patrick Riedling in St. Gallen geboren. Und wir waren total happy in dem Moment und wir waren völlig außer uns, weil wir wussten, das ist eine ganz, ganz große Innovation.
Hans Reckhaus [00:14:31]:
Hans Reckhaus [00:15:11]:
Hans Reckhaus [00:15:11]: Und die Künstler waren dann beruhigt, weil sie sagten, okay, jetzt können wir auch Fliegen Retten in Deppendorf durchziehen. Und dann haben wir das auch gemacht. Und das Wort Greenwashing, da komme ich sehr gerne drauf, weil ich beseelt war in dem Moment von dieser Idee der Kompensation. Also ich fand das ja ganz großartig Und ich dachte in dem Moment auch noch, naja, jetzt können die Kunden meine Produkte mit gutem Gewissen kaufen, weil ich ja kompensiere. Hey, das ist ja super. Das war 2012. Ich hatte eben immer noch keine Ahnung von Insekten. Aber nochmal, diese Kunstaktion haben wir dann durchgezogen.
Hans Reckhaus [00:15:11]:
Hans Reckhaus [00:15:48]:
Hans Reckhaus [00:15:48]: Wir hatten kein schlechtes Gewissen. Ich denke auch bis heute, dass es nicht Greenwashing ist. Es kurz zu machen, wir wurden medial nur schlecht besprochen. Wir haben ganz, ganz viel Ärger gehabt. Darüber werden wir sicherlich noch reden. Wir hatten keinen einzigen Geschäftspartner. Und Direkt nach Fliegenretten in Deppendorf hab ich mich zurückgezogen und hab mich gefragt, was mach ich hier eigentlich? Ich red jetzt langsam über Insekten, hab da gar keine Ahnung von. Dann hab ich über zwei Jahre lang mich intensiv mit Insekten beschäftigt und habe das Buch geschrieben, Warum jede Fliege zählt, ein Buch über den Wert und Bedrohung von Insekten und habe dann verstanden, oh Gott, oh Gott, Insekten sind ja extrem wichtig und noch viel schlimmer.
Hans Reckhaus [00:15:48]:
Hans Reckhaus [00:16:27]:
Hans Reckhaus [00:16:27]: Sie sind dramatisch bedroht. Wir haben in den letzten 50 Jahren 75 bis 90 Prozent der Biomasse verloren in Deutschland. Kompensation kann ja nur das aller-allerletzte Mittel sein. Ich muss ja vielmehr für ein neues Verständnis im Umgang mit Bioziden werben. Das heißt, Kaufe weniger, lieber Konsument. Und wenn überhaupt, dann Insektizidfrei und mit ökologischer Kompensation. Das hab ich erst einige später erfahren. Also, das war dann 2014.
Hans Reckhaus [00:16:27]:
Hans Reckhaus [00:16:58]:
Hans Reckhaus [00:16:58]: Und seitdem, ähm, ja, hab ich einen ganz, ganz klaren Weg. Der heißt Reduktion des Marktes mit allen Mitteln, die ich habe. Und wirklich ein neues Verständnis zwischen Mensch und Insekt.
Hans Reckhaus [00:16:58]:
Zackes Brustik [00:17:14]:
Zackes Brustik [00:17:14]: Reduktion deines bisherigen Marktes, in dem du aktiv warst und auch noch bist und Regeneration dann auf der Umweltseite und der Biodiversitätsseite. Also ihr habt wirklich ganz genau durchgerechnet, wie kann das funktionieren, dass wir wieder Lebensräume für Fliegen schaffen, was kostet das, wie macht das auch wissenschaftlich Sinn, an welcher Stelle in Deutschland etc. Etc. Ihr seid wirklich sehr tief eingestiegen. Ihr habt das mit eingepreist. Ich glaube, das waren dann ungefähr 8 Cent pro verkauftes Produkt, das das an Mehrkosten generiert hat. Aber noch ganz am Anfang, das Spannende, du hast ja gesagt, diese Kunstaktion. Ich weiß, deine Eltern, hast du im Buch geschrieben, die haben extra eine Kreuzfahrt gebucht, damit sie möglichst weit weg sind von diesem Familienrummel, weil dein Vater da noch alles andere als, sagen wir mal, den Buy-in hatte für die Idee.
Zackes Brustik [00:17:14]:
Zackes Brustik [00:18:01]:
Zackes Brustik [00:18:01]: Das ist ja ein kolossaler Wandel fürs Unternehmen. Als Familienunternehmer musst du ja als allererstes mal deine Familie mitnehmen, den Vater wahrscheinlich aus Respekt, aber auch dein Bruder, dein eigener Bruder war ja auch im Unternehmen, ich glaube im Innovationsbereich, Und dann auch die Mitarbeitenden, weil das alles funktioniert ja nur, wenn die Leute mitziehen. Da kannst du ja nicht an deiner Familie und deinem Unternehmen jetzt plötzlich deine neue Vision vorbeischieben. Also wie hast du es geschafft, die abzuholen? Gerade weil du jetzt nicht sagst, oh, wer hat eine Beratungsagentur? Keine Ahnung. EY hat uns das empfohlen oder McKinsey, sondern dann kommst du mit zwei Künstlern die Ecke. Und dann mit so einer völlig für den normalen Mitarbeitenden, der vielleicht am Band steht und wirklich tagtäglich diese Produkte abfüllt, der wahrscheinlich auch Angst bekommt, stehe ich hier in zwei Jahren noch, wenn mein Chef das erfolgreich durchzieht.
Zackes Brustik [00:18:01]:
Hans Reckhaus [00:18:47]:
Hans Reckhaus [00:18:47]: Vielen Dank für die Vermutung, dass es mir gelungen ist, die Mitarbeitenden mitzuziehen und meine Familie und mein Umfeld. Es ist mir nicht gelungen. Es ist mir nicht gelungen. Dazu müssen wir immer wieder sehen, dass die Geschichte, den Anfang dieser Geschichte, dass der über zehn Jahre zurückliegt. Damals hatten Insekten überhaupt gar keinen Wert in der Gesellschaft. Heute weiß man schon von Insektensterben. Aber vor zehn Jahren war das schon für außenstehende völlig verrückt, völlig verrückt, was ich tue. Ich habe nicht nur die Künstler beauftragt, mehrere, mehrere Vorträge, Seminare mit all meinen Mitarbeitenden zu vollziehen, sondern auch, ich hatte einen Biologen dann eingestellt, Der hat viel erzählt und getan.
Hans Reckhaus [00:18:47]:
Hans Reckhaus [00:19:33]:
Hans Reckhaus [00:19:33]: Es hat alles nichts gebracht. Ich hatte zwei leitende Mitarbeiter, ich hatte nur zwei, wir sind ja im KMU, die haben beide gekündigt. Weil sie gedacht haben, der dreht jetzt völlig durch. Das andere ist, wir sind ein klassisches Familienunternehmen, wo die Mitarbeiter seit 10, 20 Jahren bei uns sind. Die kochen mir gerne Kaffee, ich koche denen Kaffee. Ich bin in die Firma gekommen, mir hat keiner mehr guten Morgen gesagt, mir hat keiner mehr einen Kaffee gekocht. Die Mitarbeiter wollten wenig mehr zu tun haben, die hatten aber wirklich Angst vor ihren Arbeitsplätzen. Dazu darf ich sagen, dass die Medien uns herum nur schlecht berichtet haben.
Hans Reckhaus [00:19:33]:
Hans Reckhaus [00:20:10]:
Hans Reckhaus [00:20:10]: Das heißt, die Mitarbeitenden wurden auch zum Gespött in ihrem Freundeskreis. Also eine ganz schwierige Situation. Und auch in meiner Familie war das schwierig. Also ich will jetzt meine Frau bloß nicht kritisieren. Die ist dann irgendwann ist sie auch voll eingeschwenkt. Aber selbst meine Frau war war bei Fliegen rettenden Deppendorf bei der Kunstaktion nicht dabei, weil sie Angst hatte vor Fotos, die sie fliegenrettend zeigen. Zusammenfassend, nein, es ist mir nicht gelungen, mein Umfeld hinter mich zu bringen. Und insofern war das im Nachhinein, wenn ich das so locker heute sage, schon ein bisschen verrückt von mir auch, dass ich das durchgezogen habe.
Hans Reckhaus [00:20:10]:
Hans Reckhaus [00:20:55]:
Hans Reckhaus [00:20:55]: Aber ich war so tief und fest von der Richtigkeit dieser Aktion überzeugt, dass ich es machen musste. Also ich bin da, ja, ich habe mich da einfach durchgesetzt. Ich kann es nicht anders sagen.
Hans Reckhaus [00:20:55]:
Zackes Brustik [00:21:11]:
Zackes Brustik [00:21:11]: Wow, also weil das quasi der Aspekt kam, in der Tiefe auch in deinem Buch fliegen lassen, was ich sehr begeistert gelesen habe, noch gar nicht so krass durch. Weil das klingt jetzt für mich wirklich nach einer prototypischen Pioniergeschichte. Also wo man wirklich seiner Zeit, seinem Umfeld, auch seinem persönlichen Umfeld so weit voraus ist, aber von seiner Idee so beseelt, dass man einfach erstmal macht und dranbleibt, auch wenn es einen herum wirklich dann auch persönliche oder sogar emotionale Widerstände gibt, man sich da nicht von seinem Umfeld nähern kann für die Arbeit sozusagen, sondern nur von der Idee lebt am Anfang. Der Teil ist schon beeindruckend, aber ich meine, das Ganze funktioniert ja nicht, wenn du nicht auch deine Kunden mit an Bord bekommst. Weil irgendwann muss ich das ja irgendwie rechnen und deine Kunden, damit die Hörer das verstehen, das sind wirklich die großen Ketten. Sei es eine DM, sei es ein Rossmann, sei es Aldi, die wirklich einfach wirklich wholesale, also die großen Mengen an Insektenmitteln abkaufen. Wie bist du da vorgegangen?
Zackes Brustik [00:21:11]:
Hans Reckhaus [00:22:10]:
Hans Reckhaus [00:22:10]: Auch da ist es eine am Anfang traurige Geschichte gewesen. Monate vor Fliegen retten in Deppendorf bin ich beseelt von der Richtigkeit dieser Aktion zu zwei sehr großen Handelskonzernen gegangen, die wir alle kennen, ich nenne aber den Namen nicht. Und beide haben gesagt, Herr Reckhaus, also das ist nun wirklich das Abgefahrenste, was ich jetzt in der ganzen Berufsgeschichte hier erlebt habe. Herr Reckhaus, das können Sie nicht machen. Das ist völlig verrückt. Und Herr Reckhaus, sagen Sie niemals, dass Sie mit uns arbeiten, Weil wir müssen uns hier wirklich schützen. Also wir wollen nicht, dass wir in der Zeitung, in der Bild-Zeitung stehen und dann steht da der Konzern rettet Fliegen mit Herrn Dr. Reckhaus.
Hans Reckhaus [00:22:10]:
Hans Reckhaus [00:22:55]:
Hans Reckhaus [00:22:55]: Herr Reckhaus, Sie dürfen nicht über unsere Zusammenarbeit jemals sprechen. Und Diese beiden Handelskonzerne haben mir die Augen dafür geöffnet, dass ich keinen einzigen Kunden für die Richtigkeit dieser Aktion und für die Vernunft von ökoneutralen Bioziden überzeugen kann. Kurz gefasst, meine Strategie war dann eine komplett andere. Ich habe einfach meinen Mund gehalten, weil ich merkte, wenn ich jetzt meine Kunden konfrontiere, damit dass unsere Produkte jetzt ökologisch kompensiert sind, dass wir tatsächlich Insekten retten. Also damals hat man gesagt, Insekten sind alle Schädlinge. Also der Reckhaus rettet jetzt Schädlinge. Das ist gegenläufig, das ist absurd. Das heißt, ich schaffe es nicht, Kunden dafür zu gewinnen.
Hans Reckhaus [00:22:55]:
Hans Reckhaus [00:23:52]:
Hans Reckhaus [00:23:52]: Also ob das nun sinnvoll ist oder nicht. Also ich meine, es kann ja nur sinnvoll sein, Produkte mit Kompensation anzubieten als Produkte ohne Kompensation. Aber diese Kompensation ist nicht sinnvoll, weil es einfach absurd ist, Schädlingen einen neuen Lebensraum zu geben. Zusammenfassend, ich habe drei, vier Jahre meinen Mund gehalten, weil ich Angst haben musste, dass meine Kunden sich von mir abwenden und deswegen habe ich normales, konventionelles Geschäft mit denen betrieben.
Hans Reckhaus [00:23:52]:
Zackes Brustik [00:24:21]:
Zackes Brustik [00:24:21]: Ich finde das extrem interessant, weil das ja heißt, dass du einerseits wirklich wie ein Pionier und Visionär vorgegangen bist, aber gleichzeitig nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern weiterhin sehr behutsam dein traditionelles Geschäft hast bestehen lassen, sehr behutsam kommuniziert hast und wirklich auf Zeit gespielt hast, was man natürlich nur als Familienunternehmer kann, wenn man weiß, man ist länger als die nächsten fünf Jahre im Vorstand sozusagen und kann wirklich sagen, und wenn das fünf oder zehn Jahre dauert, ich spiele auf Zeit, früher oder später werde ich es etabliert haben. Die Zeit hast du dann genutzt und ein paar Sachen, die du gemacht hast, wie gesagt, du hast dich sehr tief in die ganze Biologie eingearbeitet. Ihr habt gemerkt, okay, so Ausgleichsflächen machen nur regional sind. Also ich kann jetzt nicht in Berlin, keine Ahnung, 100.000 Mücken töten und dann im Amazonas ein Gebiet zum Wiederausgleichen machen, sondern das muss alles regional, dort wo wir agieren, muss es entstehen. Auch die Biotope, die wir anlegen, müssen an die ganzen Gegebenheiten angepasst sein. Man kann nur die Erde verwenden, die dort vorkommt, damit die Insekten, die dort angepasst sind, sich auch wieder ansiedeln und die Populationen wachsen. Also ihr habt ja wirklich sehr viel Wissenschaft betrieben, hast auch einen Biologen und Wissenschaftler dafür bezahlt, dass sie Grundlagenarbeit dafür gemacht haben. Du hast eine ganze Konferenz aus dem Boden gestampft zu dem Thema, die schlussendlich zur größten Konferenz für Insekten im deutschsprachigen Raum geworden ist.
Zackes Brustik [00:24:21]:
Zackes Brustik [00:25:41]:
Zackes Brustik [00:25:41]: Und du hast ein Siegel entwickelt eben für interessierte Unternehmen, die einen Ausgleich für ihre Tätigkeiten schaffen wollen, dass sie wirklich sehr zertifiziert, wissenschaftlich fundiert ihre Tätigkeiten ausgleichen können und eben Insektenpopulationen regenerieren können. Das alles hat ein paar Jahre gedauert. Ab wann kam der Punkt, wo du weißt, jetzt ist Interesse da, jetzt kannst du mit den Leuten drüber reden, weil irgendwann hast du dich ja auch getraut, das ist mega spannend, auf deine eigenen Produkte freiwillig einen Warnhinweis zu drucken und nur mal, dass man das Bild vor Augen hat. Wirklich wie auf einer Zigarettenschachtel, wie wir es kennen. Ein sehr hässliches, nicht geschöntes, blumiger Hinweis, sondern ganz schwarz auf hartem Weiß. Vorsicht, dieses Produkt tötet wertvolle Insekten, töten sie behutsam. Den hast du freiwillig draufgedrückt, deine Kundin mitzunehmen. Ab wann kam der Punkt, wo du weißt, du kannst dich das trauen?
Zackes Brustik [00:25:41]:
Hans Reckhaus [00:26:35]:
Hans Reckhaus [00:26:35]: Da müssen wir zwei Dinge auseinanderhalten. Das eine ist meine eigene Marke oder unsere eigene Marke. Die Marke Recocit steht für Reckhaus und Kohlensektizide, gibt es seit 1961 im deutschsprachigen Raum. In kleinen Fachgeschäften wird die nur verkauft. Ein Großteil meines Geschäftes sind Private-Label-Produkte. Wir dürfen mit dm, Rossmann, Aldi und den Großen arbeiten, sind da sehr, sehr stark im Geschäft. Bei ersterm hatte ich die Möglichkeit, selbst voranzugehen. Wir sind die Ersten, soweit ich weiß, weltweit, die freiwillig einen Warnenweis auf ihre Produkte setzen.
Hans Reckhaus [00:26:35]:
Hans Reckhaus [00:27:15]:
Hans Reckhaus [00:27:15]: Dieser Warnenweis ist sehr, sehr stark, weil die ganze Konkurrenz eben keinen hat. Also, wir fallen gewaltig im Regal auf. Ich hab das nicht gemacht, weil ich dachte, das ist jetzt ökonomisch gesehen eine ganz tolle Sache. Oder das macht Werbung. Nein, ich habe es auch hier rein aus ethischen Gründen gemacht. Ich konnte nicht mehr anders. Also ich habe verstanden, Insekten sind dramatisch wichtig und dramatisch bedroht.
Hans Reckhaus [00:27:15]:
Zackes Brustik [00:27:47]:
Zackes Brustik [00:27:47]: Ich bin überzeugt davon, dass uns die Nachhaltigkeitstransformation nur in einem offenen, sich gegenseitig unterstützenden Ökosystem gelingt. Und daher gibt's wie in fast jeder Folge ein Shoutout zu einem anderen coolen, kostenfreien Sustainability-Angebot. Wenn euch diese Folge bereits angefüttert hat und ihr noch tiefer in zum Beispiel die kniffligen Details der Umsetzung von Biodiversität in Unternehmen einsteigen wollt, dann kann ich euch wärmstens die Lunch-Seminar-Reihe von WeShift empfehlen. Colin Bean und sein Team haben ein wirklich cooles Format aufgezogen, in dem ihr erst knapp über 10 Minuten Input von Sustainability-Expertinnen bekommt und euch dann auf Profilevel mit euren Peers darüber austauschen könnt. In der kostenfreien Seminarreihe erwarten euch alle Themen, die auf organisatorischer oder technologischer Ebene für euch als Profis im Bereich Sustainability relevant sind. Sei es zum Beispiel Biodiversität, sei es die doppelte Wesentlichkeit oder sei es auch das Impact Assessment. Alle Termine der kommenden Lunchseminare sowie die bereits aufgezeichneten Seminare findet ihr auf weshift.com slash webinar minus nachhaltiges minus wirtschaften slash. Oder über den Link in meinen Shownotes.
Zackes Brustik [00:27:47]:
Hans Reckhaus [00:29:01]:
Hans Reckhaus [00:29:01]: Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2017 Man muss sich mal überlegen, wenn man das Wissen hat, und dann eine Firma, die den ganzen Tag nichts anderes macht, als Insektentötungsprodukte herzustellen, wie geht man denn dann damit Kann ich weiter Werbung machen für Insektentötungsprodukte? Ich konnte das nicht. Ich konnte das nicht. Und ich habe dann eben diesen Warnhinweis auf die Produkte gebracht, weil es für mich die einzige Antwort auf die Frage ist, wie ich damit umgehen kann. Also das ist der einzige Weg, den ich gehen kann. Und das eine ist eben der Warnhinweis auf der Vorderseite, auf der Rückseite steht dann sofort Insekten. Ohne Insekten überleben wir Menschen nur wenige Monate. Das hat der bekannteste Entomologe der Welt gesagt, Edward Wilson. Dann sind da ganz viele Informationen über Insekten.
Hans Reckhaus [00:29:01]:
Hans Reckhaus [00:29:50]:
Hans Reckhaus [00:29:50]: Man bekommt ein richtig schlechtes Gewissen, wenn man eines meiner Produkte kauft. Und zentral sind aber, dass da ganz viele Präventionstipps auch drauf sind. Denn wir müssen lernen, dass wir die Insekten nicht mehr ins Haus lassen. Also wir machen ja nur Insektenbekämpfungsprodukte für das Haus. Wir haben mit der Landwirtschaft und dem Garten nichts zu tun. So, und die beste Insektenbekämpfung ist doch, dass wir die Insekten nicht ins Haus lassen. Und gleichzeitig ist es die beste Insektenförderung. So, das heißt, wenn man diese Präventionstipps liest, hat man in Zukunft weniger Insekten.
Hans Reckhaus [00:29:50]:
Hans Reckhaus [00:30:22]:
Hans Reckhaus [00:30:22]: Das ist doch eigentlich, wenn man darüber nachdenkt, das allerbeste Bekämpfungsprodukt. Also so hat es für mich perfekt funktioniert. Und ja, es haben eine Menge Fachhandelskunden mich angerufen und die Zusammenarbeit nach 40 und 50 Jahren beendet. Ja. Und wir machen weniger Umsatz. Ja. Aber ich konnte nicht anders und ich wollte nicht anders. Also da bin ich dann laut geworden und habe Gas gegeben.
Hans Reckhaus [00:30:22]:
Hans Reckhaus [00:30:46]:
Hans Reckhaus [00:30:46]: Und wo ich auch Gas gegeben habe, ist, du hast es schon gesagt, wir veranstalten mittlerweile die größte Veranstaltung über den Wert und Bedrohung von Insekten im deutsch-schweinen Raum. Das ist der Tag der Insekten, der nächste am 30. März nächsten Jahres, nein, diesen Jahres, Entschuldigung, diesen Jahres in Berlin. Aber zusätzlich habe ich eine Menge Vorträge gehalten, wir haben Filme gemacht, wir haben ein museales Ausstellungskonzept erarbeitet, was schon mehrfach ausgestellt worden ist. Wir haben mehrere Videos gedreht, wir haben am gesellschaftlichen Bewusstsein für Insekten gearbeitet und ich wusste, wenn wir gesellschaftlich mehr Bewusstsein für Insekten haben, dann wird sich mein Gütesiegel Insekt-Respekt durchsetzen. Und dieses Gütesiegel, das will ich eben Dritten zur Verfügung stellen. Also nicht nur der Reckhaus soll umdenken, sondern der ganze Markt soll umdenken. Und das ist natürlich was ganz Tolles für meine Konkurrenz, für meine anderen Industriewettbewerber und natürlich auch für die Handelsunternehmen, für die Eigenmarken.
Hans Reckhaus [00:30:46]:
Hans Reckhaus [00:31:43]:
Hans Reckhaus [00:31:43]: Das habe ich alles schon, Dieses Goethe-Siegel habe ich schon vor zehn Jahren gegründet, aber du hast ja gesagt, ich bin behutsam umgegangen und ich habe erst mal meinen Mund gehalten.
Hans Reckhaus [00:31:43]:
Zackes Brustik [00:31:53]:
Zackes Brustik [00:31:53]: Das finde ich schon ziemlich erstaunlich und auch diszipliniert. Denn gerade wenn man als Mensch für seine Vision brennt, hat man ja meistens auch das Bedürfnis, sich der Welt mitzuteilen, vielleicht sogar sie zu missionieren. Also wie lange hast du das dann durchgehalten?
Zackes Brustik [00:31:53]:
Hans Reckhaus [00:32:05]:
Hans Reckhaus [00:32:05]: Ich habe meinen Mund gehalten, bis DM Drogeriemärkte kam. Und ich kann nur alle motivieren, wenn man irgendwie eine vielleicht abstruse, absurde Idee hat, die aber extrem sinnvoll ist, dran zu bleiben. Weil auf dem Weg findet man dann einfach automatisch Mitstreiter. Und dann entsteht was Großes. Ich habe dann drei, vier Jahre meinen Mund gehalten mit Großkunden, weil ich ja Angst hatte, dass sie die Geschäftsbeziehung abbrechen. Und dann passiert es, dass ich in Hamburg einen Vortrag halte und im Publikum sitzt Götz Werner, der Inhaber der DM Drogeriemärkte. Ich kannte ihn gar nicht. Ich hatte auch gar nicht mit DM zusammengearbeitet.
Hans Reckhaus [00:32:05]:
Hans Reckhaus [00:32:45]:
Hans Reckhaus [00:32:45]: Und dann kommt er nach dem Vortrag zu mir auf die Bühne und sagt, Herr Reckhaus, wir wollen dieses Gütesiegel haben. Mein Name ist Götz Werner von den DM Drogeriemärkten. Ich sage, auch Herr Werner, habe ich nichts gegen. Und dann Monate später war ich bei DM und wir haben für DM insektenfreundliche Lebensräume angelegt. Und fünf Jahre, fünf Jahre nach Fliegen retten in Deppendorf hat ein DM seine Produkte mit dem Sekt Respekt ausgestattet, mit dem Gütesiegel. Naja und dann bin ich natürlich zu Aldi gegangen, zu Rossmann gegangen und so weiter und so weiter. Das war also der Grund, warum ich mich dann geöffnet habe.
Hans Reckhaus [00:32:45]:
Zackes Brustik [00:33:16]:
Zackes Brustik [00:33:16]: Also wirklich fünf Jahre, das wäre dann, wenn man so als ganz normaler Angestellter, Visionärer, wie CEO schon längst quasi den Hut hätte nehmen müssen und wahrscheinlich aus dem Unternehmen gebootet werden würde. Die Zeit hast du gebraucht und die konntest du dir als Familienunternehmer leisten. Da sind mehrere spannende Punkte drin. Das eine ist, dass du da natürlich auf ein Unternehmen gestoßen bist, was auch Inhaber geführt ist, was ganz, auch ganz eng mit wirklich den Kernwerten der Person an der Spitze verbunden ist und wo, wie du eben schreibst, Götz Werner wirklich sehr stark präsent ist. Ein anderer guter Punkt war, dass wirklich dieser krasse Hinweis, auch damit da meine HörerInnen das Bild vor Augen haben, also eure Rekursivprodukte sind in einem ganz harten Weiß mit schwarz. Also es sind keine blumigen Produkte. Ihr versucht nicht zu kaschieren nach dem Motto hier sterben Bienen besonders schön und friedlich oder sowas oder wir erwähnen das gar nicht, sondern ihr fordert die Kundinnen heraus, sich dieser Wahrheit zu stellen. Das lässt sich ja ganz leicht transformieren oder transferieren.
Zackes Brustik [00:33:16]:
Zackes Brustik [00:34:17]:
Zackes Brustik [00:34:17]: Jeder, der mit Palmöl Produkten hat, für den würde es bedeuten auf das Produkt zu schreiben, Vorsicht dieses Produkt enthält Palmöl, verwenden sie so wenig wie möglich davon. Schauen sie doch, dass sie zum Beispiel beim Backen auf andere Produkte setzen oder Vorsicht dieses Auto wiegt zweieinhalb Tonnen und verbraucht sehr viel Diesel. Versuchen Sie doch es möglichst so oft wie möglich stehen zu lassen und die Bahn zu nehmen oder es erst gar nicht zu kaufen. So konsequent sind all die Hersteller, die hinter diesen Produkten sind, bisher nicht. Müsste man wahrscheinlich suchen, bis man wirklich jemanden findet, der das so konsequent angeht wie du. Wie könnt ihr euch das leisten? Also ich habe auch gelesen, eure Rendite und der Umsatz im klassischen Geschäft sind rückläufig. Habt ihr gleichzeitig plötzlich neue Einkommen durch die Ausgleichsflächen, durch die Konferenz, durch Publikationen? Oder was bedeutet das für dein Unternehmen wirtschaftlich?
Zackes Brustik [00:34:17]:
Hans Reckhaus [00:35:09]:
Hans Reckhaus [00:35:09]: Wirtschaftlich ist das alles sehr bescheiden, was ich tue. Aber ich habe für mich eine andere Balance gefunden. Vor zehn Jahren war ich noch ein, ich sag mal, rein zahlenorientierter, destruktiver Unternehmer, der zugesehen hat, dass seine Rendite stimmt. Und vor zehn Jahren habe ich etwas anderes für mich entdeckt, und zwar, dass ich selbstwirksam die Gesellschaft mitgestalten kann, dass ich die Welt ein kleines Stück besser machen kann. Und das ist ein ganz großer Wert, Das ist ein ganz großer Teil meiner Rendite, die ich heute einfahre. Und ich verdiene bis heute sehr viel weniger als vor zehn Jahren noch, bin aber ein sehr viel glücklicher Mensch und fühle mich viel wohler und weiß, dass mein Unternehmen heute sehr viel mehr wert ist, auch ökonomisch wert ist, als noch vor zehn Jahren, auch wenn meine Zahlen schlechter sind. Also diese Umschichtung, sage ich mal, ist die Voraussetzung, dann auch so konsequent zu sein. Weil ich wusste ja, das was ich vor zehn Jahren gemacht habe, dass das 20 Jahre dauert, bis es dann mal irgendwann funktioniert.
Hans Reckhaus [00:35:09]:
Hans Reckhaus [00:36:27]:
Hans Reckhaus [00:36:27]: Und ich habe sogar vor zehn Jahren meinen Mitarbeitenden gesagt, ich weiß, das ist jetzt schwierig nachzuvollziehen, was wir hier machen, aber es macht verdammt viel Sinn. Aber ich bin ja Realist. Es wird ungefähr 20 Jahre dauern, bis wir davon leben können, was natürlich noch verrückter ist für mein Umfeld. Aber es ist so gewesen. Und heute, zehn Jahre später, haben wir den Break-Even-Point erreicht. Das heißt, wir haben letztes Jahr alleine über vier Millionen Packungen mit dem Insekt-Respekt-Gütesiegel verkauft. Zusätzlich, und das ist ja auch eine dieser wunderbaren Geschichten, zusätzlich legen wir insektenfreundliche Lebensräume an. Wir mutieren uns zu einem Garten-Landschaftsbaubetrieb.
Hans Reckhaus [00:36:27]:
Hans Reckhaus [00:37:11]:
Hans Reckhaus [00:37:11]: Das ist ein völlig neues Geschäftsmodell, an das ich überhaupt nicht gedacht habe. Damit verdienen wir jetzt auch Geld. Und wir haben eben, ich müsste genau nachdenken, vor 1,5 Jahren haben wir den Break-Even-Punkt erreicht. Ich hab noch nicht alle meine Investitionen drin, das ist klar. Aber die laufenden Kosten, die ich für Insekt-Respekt habe, Also dafür, dass ich ja keine Werbung für Insekten, keine Werbung für Produkte, sondern nur noch Werbung für Insekten mache, mit Veranstaltungen, Publikationen und so weiter und so weiter. Diese ganzen Kosten, die spielen sich jetzt schon gut ein über die Erträge, die wir haben. Und offensichtlich stehen wir jetzt wirklich vor einem großen, auch ökonomischen Wachstum, weil wir ganz viele Anfragen haben.
Hans Reckhaus [00:37:11]:
Zackes Brustik [00:37:54]:
Zackes Brustik [00:37:54]: Erstmal Glückwunsch. Also unglaublich schön zu hören, dass es wirklich dahin gekommen ist.
Zackes Brustik [00:37:54]:
Hans Reckhaus [00:38:00]:
Hans Reckhaus [00:38:00]: Ich muss den Glückwunsch gleich relativieren. Natürlich werde ich oft angesprochen, ja und wie läuft jetzt Ihr Geschäft? Und wenn ich dann sage schlecht, dann bestätigt das mein Umfeld, dass man eben diesen Weg nicht gehen darf. Wichtig ist eben noch einmal zu sagen, ich habe eine andere Gewichtung. Ich habe eine andere Gewichtung.
Hans Reckhaus [00:38:00]:
Zackes Brustik [00:38:16]:
Zackes Brustik [00:38:16]: Das wollte ich gerade paraphrasieren, weil das, was ich herausgehört habe, ist ja das klassische Impact-Modell. Wirtschaftlich gesund, aber in ökologischen und gleichzeitig auch in sozialen Profit. Das heißt, ohne es so zu benennen, vielleicht auch ohne so im Kopf zu haben, entsprichst du genau diesem Modell, das du gesagt hast. Ich kann für mich auch beziffern, in den Impact messen, was ich an Biotopen, an Biomasse regeneriere, kann theoretisch da sogar auch eine Bottomline kreieren. Dieses Jahr haben wir so und so viel Biomasse generiert. Und auch sozial, das unterstelle ich jetzt mal, da würde ich gerne nachfragen, bist du wahrscheinlich auch nachhaltig vorgegangen? Ich würde mal von ausgehen, du hast jetzt nicht wegen der sinkenden Redditen im sinkenden Umsatz gleichzeitig deine Belegschaft halbiert, sondern hast die vermutlich mitgenommen und bis da, wegen der ökologischen und der sozialen, wegen ökologischen und sozialen Mehrwert als Unternehmer dann auch in Vorleistung gegangen mit wahrscheinlich deinem eigenen Vermögen.
Zackes Brustik [00:38:16]:
Hans Reckhaus [00:39:16]:
Hans Reckhaus [00:39:16]: Genau, Das ist, also ich habe, muss nachdenken, wir haben glaube ich keine, wir haben Mitarbeiter, die dann in die Pension gegangen sind, aber Mitarbeiter entlassen, das hätte ich machen sollen, weil, wie gesagt, mein, das haben wir noch nicht besprochen, der Umsatz ist 25 bis 30 Prozent zurückgegangen, die Rendite 80 Prozent. Es ist einfach, dass ich privat kürzer getreten bin. Also, mein Auto, ich hab ein ganz kleines Auto, und das ist jetzt irgendwie zwölf Jahre alt. Und ich hab mir viel weniger Kunst gekauft. Ich bin Ich hab privat einfach auf mehrere Sachen verzichtet. Und so hat es funktioniert. Meine Zahlen sind echt im Keller. Ich muss wirklich aufpassen.
Hans Reckhaus [00:39:16]:
Hans Reckhaus [00:39:56]:
Hans Reckhaus [00:39:56]: In den letzten 2, 3 Jahren war es sehr haarig. Und jetzt sehen wir Licht. Jetzt beruhigt sich das auch ökonomisch. Das gehört dazu. Und ich bin da auch ein bisschen stolz drauf. Denn wenn ich so große, gesunde Unternehmen sehe, hätte ich so viel Geld, mein Gott, was könnte ich alles bewegen in dieser Gesellschaft? Das wäre ja echt verrückt, wenn die nur einen Teil ihres Gewinns oder ihres Vermögens nehmen würden und das mal nachhaltig einsetzen. Mein Gott, wo wären wir in unserer Gesellschaft? Ich bin ja so ein kleines KMU und habe da auch verdammt wenige Rücklagen, die sind übrigens alle aufgebraucht. Aber genau darin steckt natürlich ein Spirit drin, ein Kampf und ein Kribbeln.
Hans Reckhaus [00:39:56]:
Hans Reckhaus [00:40:42]:
Hans Reckhaus [00:40:42]: Das ist zu einem schönen Teil dann auch fordernd, frustrierend. Aber für mich gibt es eben wirklich dieses Feuer auch wirklich zu sagen Ja, komm, komm, machen, machen, machen. Du musst machen. Ich, ich, ich muss voran machen, damit wir eben auch ökonomisch als Unternehmen überleben können.
Hans Reckhaus [00:40:42]:
Zackes Brustik [00:41:02]:
Zackes Brustik [00:41:02]: Da finde, da kommen wir auf eine spannende Frage. Mittlerweile, weiß ich, hast du auch den Rückhalt deiner Familie. Die sind mittlerweile sogar stolz darauf. Und ich weiß, sie haben auch in dem einen oder anderen Interview mittlerweile mitgemischt. Auch dein Vater, was bestimmt sich auch gut anfühlt, da den Respekt für zu bekommen. Deine Mitarbeitenden sind vermutlich mittlerweile auch an Bord, weil sie es verstanden haben. Deine Kunden sind mitgezogen. Die Welt dich herum hat sich verändert.
Zackes Brustik [00:41:02]:
Zackes Brustik [00:41:24]:
Zackes Brustik [00:41:24]: Auch bestimmt auch eine wunderbare Bestätigung. Du hast in St. Gallen studiert, keine unbekannte Wirtschaftsuni. Die haben mittlerweile diese Fliege, die damals in der Lufthansa Maschine saß, ausgestellt im Foyer, eingelassen neben Kunstwerken von Miro und Richter, also nicht gerade unbekannte Künstler, in die ihr euch da einreitet mit eurer Arbeit, weil das auch für die Wirtschaftsunion ein geiles Zeichen für zeitgemäßes und konsequentes Wirtschaften ist. Hast du das Gefühl, dass wir wirklich da sind, dass Unternehmer in Universitäten ernsthaft über eine neue Art des Wirtschaften nachdenken? Nimmst du in deinem Umfeld, wie weit kann dein Modell Schule machen? Wird das aufgegriffen von anderen Unternehmer, Unternehmensinhabern? Hat sich da was verändert in den zehn, elf Jahren?
Zackes Brustik [00:41:24]:
Hans Reckhaus [00:42:12]:
Hans Reckhaus [00:42:12]: Viel zu wenig und die Ausreden der Unternehmer, dass sie ihr Geschäftsmodell nicht verändern können, weil sie ja Mitarbeiter haben. Das sind ja alles Ausreden, weiterzumachen. Was uns fehlt, sind einfach überzeugende, pragmatische Ansätze. Und da ist die Wissenschaft, finde ich, auch, sie hinkt hinterher. Mir ist kein Managementmodell jetzt bekannt, was jetzt so eine Transformation, wie wir sie gemacht haben, beschreibt. Sondern Wir sind viel zu vorsichtig als Unternehmer. Wir sind viel zu wenig mutig. Und wenn wir denken, das, was ich jetzt mache, ich verändere jetzt mein Geschäftsmodell so ein bisschen nachhaltig, ja, und Ich hab dann ein, zwei Jahre ein bisschen schlechtere Zahlen, aber im dritten Jahr wird's dann schon funktionieren.
Hans Reckhaus [00:42:12]:
Hans Reckhaus [00:43:05]:
Hans Reckhaus [00:43:05]: Dann sind das alles, ich sag's jetzt mal deutlich, kleinkarierte Ansätze. So funktioniert das nicht. Wir müssen viel mehr ändern. Wir leben in einer Hyperkonsumgesellschaft mit einem ökologischen Fußabdruck allein in Deutschland von 2,6, also bei 1,6 Erden mehr, die uns zustehen. Und wir feuern trotzdem jeden Tag dieses gigantische Experiment, von dem wir sicher wissen, dass es uns die Ohren fliegt. Das heizen wir jeden Tag mit der gleichen Denklogik an. Da reichen nicht kosmetische Eingriffe, sondern da müssen wir viel tiefer vorgehen. Und dafür brauchen wir Unternehmertum.
Hans Reckhaus [00:43:05]:
Hans Reckhaus [00:43:44]:
Hans Reckhaus [00:43:44]: Dafür brauchen wir ganz stark die Wirtschaft. Denn die Wirtschaft hat Geld, sie hat Entscheidungswillen, sie ist kreativ. Und Mensch, sie hat den allergrößten Hebel. Also Sie merken oder Du merkst, ich bin wirklich unzufrieden, wie wenig doch passiert. Und mit meinem Beispiel, es kurz deutlich zu machen, also wenn selbst ein Biozidhersteller nachhaltig werden kann, mein Gott, dann können doch ganz viele Branchen nachhaltig agieren.
Hans Reckhaus [00:43:44]:
Zackes Brustik [00:44:11]:
Zackes Brustik [00:44:11]: Ich finde schon, Biozid, das würde man jetzt einfach so als Laie einordnen, keine Ahnung, Biozide, Öl, Rauchen, Tabak und Waffen oder sowas. Das ist das, was man glaube ich assoziiert. Insofern kann ich mir vorstellen, dass du die Branchen gerade mit gemeint hast. Jetzt kritisch nachgefragt. Du sagst klar, dass wir brauchen viel mehr Mut, viel mehr müssen ähnlich handeln, aber wie einfach lässt sich deine Geschichte wirklich wiederholen? Zwei Punkte dazu. Das eine ist, du bist Inhaber in einem normalen, nicht Inhaber geführten Unternehmen für Manager, wahrscheinlich eben, wie schon öfters gesagt, nicht so einfach umsetzbar. Das andere ist, du bist First Mover. Du hast es geschafft die eine Konferenz zu etablieren, das eine Siegel zu etablieren.
Zackes Brustik [00:44:11]:
Zackes Brustik [00:44:57]:
Zackes Brustik [00:44:57]: Du hast es geschafft, dich mit den Ausgleichsflächen als Pionier. Das Geschäftsmodell lässt sich ja von den Wettbewerbern nicht mehr so einfach wiederholen, weil wir nicht zehn Siegel brauchen, sondern nur eines. Weil wir nur eine Konferenz brauchen und nicht zehn führende Konferenzen oder Publikationen. Das heißt, hast du da einen Vorteil, den Nachzügler nicht mehr haben? Und wie lässt sich das in der nicht inhabergeführten Wirtschaft vielleicht doch auch umsetzen?
Zackes Brustik [00:44:57]:
Hans Reckhaus [00:45:22]:
Hans Reckhaus [00:45:22]: In dem Moment, wo wir über Großkonzerne sprechen mit tausenden von Aktionären, ist es natürlich schwierig, so einen großen Richtungswechsel vorzunehmen. Aber auch da müssten doch die Aktionäre sagen, Mensch, wir könnten doch auch selbst ein Zeichen setzen. Es wäre doch richtig, wenn wir auch eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Also da, die Manager, Denen kann man keinen Vorwurf machen, aber allen Aktionären müsste man doch mal den Spiegel vorgeben. Das zweite ist, Deutschland ist ein Land von KMUs. Wir haben ganz, ganz viele inhabergeführte Unternehmen in Deutschland. Und deswegen haben wir ganz viele tausende Möglichkeiten, wirklich eine starke Transformation anzuführen. Das First Mover muss doch zeigen, dass es geht.
Hans Reckhaus [00:45:22]:
Hans Reckhaus [00:46:18]:
Hans Reckhaus [00:46:18]: Und mein Beispiel könnte Beispiel für viele Branchen sein. Also das muss doch für andere Unternehmen ein schönes Beispiel sein, zu sagen, jetzt gehe ich auch in der Branche vor. Und ich habe vorhin von ideellen Erträgen gesprochen. Und wenn man First Mover ist, dann kann ich nur sagen, das fühlt sich auch besser an, als wenn man Zweiter, Dritter oder Vierter ist. Und dieses Gefühl ist einfach echt klasse und deswegen kann ich anderen Branchen nur zurufen, Leute, denkt drüber nach, was könnte das nachhaltigste Geschäftsmodell in eurer Branche sein? Was ist die nachhaltigste Antwort auf euer Unternehmen? Und bitte fangt an loszugehen und gebt Gas. Bei mir in der Branche bin ich der First Mover und das ist natürlich uninteressant für meine anderen Konkurrenten, ja, aber hier müssen wir jetzt auch sagen, meine Branche der Insektentötung, die darf da auch gar nicht wachsen. Hier gibt es nur eine Antwort, diese Branche muss reduziert werden und zwar 50 bis 80 Prozent ist meine Branche viel zu groß. Und da kann es einfach nicht, wenn es heute ich sag mal 20 Industrieunternehmen in dieser Branche gibt, dann kann es nicht mehr in 10 Jahren 20 Unternehmen geben, sondern darf es vielleicht noch drei oder vier geben und die können dann von den übrig gebliebenen 20 Prozent auch noch ganz gut leben.
Hans Reckhaus [00:46:18]:
Hans Reckhaus [00:47:38]:
Hans Reckhaus [00:47:38]: Das ist die Logik von meiner Branche, weil meine Branche eben wirklich nur schlecht ist. Aber du hast vorhin von, was hast du, von Zigaretten, Öl und irgendwas gesprochen. Das sind extreme Branchen wie Insektizide. Aber unser Beispiel, was wir hier besprechen, das gilt auch für ganz viele Branchen der normalen Konsumwirtschaft. Also wenn ich an, was weiß ich, an Kosmetika denke. Da haben wir doch viel zu viel. Oder an Textilien haben wir viel zu viel. Und Lebensmittelindustrie, die ist nun auch ganz schlecht unterwegs mit konventioneller Landwirtschaft, wo wir in Deutschland immer noch nur 10 Prozent biologischen Landbau haben.
Hans Reckhaus [00:47:38]:
Hans Reckhaus [00:48:22]:
Hans Reckhaus [00:48:22]: Also Bio steckt ja genauso wenig da, wo es hin muss. Also auch Bio steckt in den Kinderschuhen. Also weil ich nur sagen möchte, da gibt es viele Branchen, wo man als First Mover sehr, sehr viel bewirken konnte.
Hans Reckhaus [00:48:22]:
Zackes Brustik [00:48:33]:
Zackes Brustik [00:48:33]: Es ist unglaublich schön, auch zu hören. Ich glaube, die Frage kann ich mir ersparen, weil es klar geworden ist, wie sehr dich dieser Prozess wirklich auch als Mensch und als Unternehmer verändert hat. Also wo der Kernwert, wahrscheinlich einer deiner Kernwerte, Respekt, ist der gleiche geblieben und ist das die Triebfeder dahinter. Aber außenrum ein bisschen weiter weg entfernte Werte haben sich wirklich geändert. Der Lebensstandard, das Auto, das du fahren musst, deine Sicht auf Konsumgüter und wie viel davon du oder wir als Menschen brauchen, was brauchen wir wirklich? Und auch, ich weiß, das hast du im Buch geschrieben, klar, wenn Branchen wie Biozide etc. Schrumpfen und proaktiv geschrumpft werden, entstehen an anderer Stelle natürlich neue Geschäftsmodelle, neues Wachstum, teilweise auch exponentielles Wachstum. Es ist jetzt nicht so, dass du sagst, du bist absoluter Wachstumsgegner, sondern die Frage ist, an welcher Stelle. Was schlecht ist, zurückfahren.
Zackes Brustik [00:48:33]:
Zackes Brustik [00:49:27]:
Zackes Brustik [00:49:27]: Die drei Werte, ich finde sie gerade auf die Schnelle nicht, aber ich glaube, Das ist auch die neue Firmenphilosophie, die du hast. Du kannst mir nochmal kurz sagen, das war, glaube ich, vermeiden, ausgleichen, regenerieren. Ich glaube, das sind die Firmenwerte, bei denen du gelandet bist, oder?
Zackes Brustik [00:49:27]:
Hans Reckhaus [00:49:42]:
Hans Reckhaus [00:49:42]: Ja, also ich bin Hersteller von Insektenbekämpfungsprodukten. Insektenbekämpfungsprodukte verkaufen wir viel zu viel. Das heißt, das erste ist die Reduktion des Marktes. Das zweite ist eben die Regenerierung. Ja, das ist, wir müssen es anders sagen, Reduzierung. Und dann kommt die Ökologisierung. Das heißt, wir sind komplett gegen Insektizide, also mit chemischen Giften. Zweite Stufe ist die Ökologisierung, dass wir nur noch insektizidfrei arbeiten.
Hans Reckhaus [00:49:42]:
Hans Reckhaus [00:50:11]:
Hans Reckhaus [00:50:11]: Und das Dritte ist das Regenerative, wo wir versiegelte Flächen aufreißen und insektenfreundliche Lebensräume entstehen lassen. Das ist meine Antwort für die Insektenbekämpfung. Ich stürze unseren Markt, unsere Branche nach unten. Ich werde auch nicht mehr eingeladen vom Verband der chemischen Industrie seit zehn Jahren. Ich bin der Schwarze oder das Grüne Schaf, wie immer du das sehen möchtest. Und dann fragt man sich natürlich, wie soll er davon leben in Zukunft? Und zur Nachhaltigkeit gehört neben dem ökologischen und sozialen, was immer oben stehen muss, Auch das Ökonomische. Also das Ökonomische ist das Mittel zum Zweck, dass wir Ökonomisches und Soziales wirklich nach vorne bringen. Und die Ökonomie muss bei mir auch stimmen.
Hans Reckhaus [00:50:11]:
Hans Reckhaus [00:50:57]:
Hans Reckhaus [00:50:57]: Und natürlich habe ich mich gefragt, hey, wie soll das jetzt gehen, wenn du diesen Markt zerstörst, dann kannst du davon nicht mehr leben. Aber Insekt-Respekt, dieses Gütesiegel, stelle ich auch Dritten zur Verfügung. Ich habe es mir schon vor 10 Jahren weltweit patentieren und rechtlich schützen lassen. D.h. Wenn ich den Markt in Deutschland kaputt gemacht habe, dann gehe ich nach Frankreich, nach Italien, nach England, nach USA, nach Japan, nach China. Also Reckhaus hat mit Insektrespekt, mit der, ich sag mal, reduktiven Kraft, genug Ökonomie vor sich. Und diese Ökonomie ist wichtig. Und deswegen sage ich nie, wir dürfen nicht mehr wachsen als Wirtschaft.
Hans Reckhaus [00:50:57]:
Hans Reckhaus [00:51:42]:
Hans Reckhaus [00:51:42]: Das ist ja der völlig falsche Ansatz. Und das ist unattraktiv, Das ist unsexy, das spricht kein Unternehmer an. Ich muss als Unternehmer Felder vor mir sehen, die Zukunft haben. Und meine Zukunft ist Reduktion des Marktes. Und das ist die Herausforderung. Also die Antwort ist klar. Und meine betriebswirtschaftliche Herausforderung ist eben, dass ich damit Geld verdienen kann. Und ich bin so aufgewachsen, das habe ich auch in den 80er-Jahren in St.
Hans Reckhaus [00:51:42]:
Hans Reckhaus [00:52:06]:
Hans Reckhaus [00:52:06]: Gallen gelernt, möglichst viel Geld verdienen und damit etwas Sinnvolles leisten. Also ein Teil des Gewinns steckt man dann in sinnvolle Dinge rein. Ja, also möglichst viel Geld verdienen und damit Sinnvolles leisten. Ich drehe das vollständig Ich sage, möglichst viel sinnvolles leisten und damit Geld verdienen. Und das ist eine ganz andere betriebswirtschaftliche Herausforderung, die für mich, toi, toi, toi, mittlerweile immer mehr funktioniert. Und ich habe es vorhin mal gesagt, neben der Branche der Insektenbekämpfungsprodukte bin ich ja jetzt seit wenigen Jahren auch in der Branche der Landschaftsbauer, der Landschafts- und Gartenbauer, lege insektenfreundliche Lebensräume an für Unternehmen, die gar nichts mit Insektentötung zu tun haben. Also ich kann Rittersport nennen.
Hans Reckhaus [00:52:06]:
Zackes Brustik [00:52:54]:
Zackes Brustik [00:52:54]: Und, kleine Einschub, schulst auch deine Mitarbeitenden dass sie Teil des neuen Businesses werden können?
Zackes Brustik [00:52:54]:
Hans Reckhaus [00:52:59]:
Hans Reckhaus [00:52:59]: Ja, Das wäre mein Traum, dass ich meine Produktionsmitarbeiter umschule zu Landschaftsgärtnern. Ich sage Traum, weil ich das seit Jahren so ein bisschen probiere. Und die Mitarbeiter müssen dann auf die insektenfreundlichen Flächen gehen und Samen aussäen und Strukturen wie Totholzhaufen und Steinhaufen anlegen. Ich habe auch schon mehrere Seminare gemacht, aber es ist echt ein langer Weg. Es ist ein langer Weg, aber das kommt. Auch da sind wir auf dem Weg. Ich möchte nur was da eben zu Wachstum und Ökonomie sagen. Das ist ein Geschäftsmodell, was für uns immer lukrativer wird.
Hans Reckhaus [00:52:59]:
Hans Reckhaus [00:53:38]:
Hans Reckhaus [00:53:38]: Und so geht das ökonomisch für uns sehr auf. Und seit letztem Jahr wachsen wir auch wieder. Und Ich bin überhaupt nicht gegen Wachstum. Also da bin ich auch klassischer Unternehmer und ich freue mich jetzt schon, ich will nicht sagen, mir dann ein neues Auto zu kaufen. Das interessiert mich jetzt wirklich nicht mehr. Aber ich bin ja Kunstfreund und dann kann ich mir endlich mal wieder ein paar schöne Kunstobjekte kaufen und schnell in den Urlaub fahren. Also ich bin jetzt nicht der, der sich auch von dem Materialistischen völlig frei sagt. Wir müssen nur sehen, dass wir mit den richtigen Dingen Geld verdienen und dann dürfen wir das auch.
Hans Reckhaus [00:53:38]:
Zackes Brustik [00:54:12]:
Zackes Brustik [00:54:12]: Wow! Die Folge ist schon viel mehr, als ich mir auch hofft habe, weil wirklich all die Kernleitthemen drin stecken, die mir wichtig sind für die zweite Staffel. Die persönliche Wandlung und Transformation, von welchen Werten ist sie getrieben und das auch unabhängig davon, aus welchem Spektrum man sich auch politisch zuordnet, ob man sich eher dem progressiven Spektrum zuarbeitet, ob man zurechnet, ob man konservativ ist. Man findet in jeder Position einen Wert, der einen antreibt und der einen ermöglicht, Teil einer klimakompatiblen Welt und vor allem auch, dass du gerade gesagt hast, eines klimakompatiblen Wirtschaften zu sein. Drei Punkte, die ich noch spannend fand. Das eine ist, das hast du nicht erwähnt, du bist auch ganz bewusst im Markt geblieben. Du hättest auch einfach sagen können, ich verkaufe das Unternehmen, aber du hast gesagt, ich will die Maschinen behalten, weil sonst verkauft die ein Mitbewerber und macht dann damit quasi einfach auf die traditionelle Art und Weise Business. Da ist niemandem mit geholfen. Deswegen bleibe ich im Markt.
Zackes Brustik [00:54:12]:
Zackes Brustik [00:55:09]:
Zackes Brustik [00:55:09]: Und wie du gerade gesagt hast, deswegen schrumpfe ich proaktiv den Markt. Getrieben bist du von Werten. Du hast auch gesagt, Ihr macht das alles im Heimbereich, noch nicht mal im Garten und schon gar nicht in der großen Landwirtschaft. Da kann man jetzt natürlich sagen, ist na toll, die paar Motten. Der große Ökozid findet draußen auf den Feldern in den Monokulturen statt. Aber auch da ist das möglich. Ganz konkretes kleines Beispiel, was du auch erzählst in deinem Buch, fliegen lassen, ist das Problem mit der Mannhung-Jagdlaus in Afrika, die eingewandert ist, Ernten kaputt gemacht hat in richtig großen Stile. Anstatt dort jetzt Biozide drauf zu schütten, hat ein Biologe einfach herausgefunden, welche Wespe in dem Ursprungsland dieser Laus müssen wir importieren, damit das sich wiederum ausgleicht.
Zackes Brustik [00:55:09]:
Zackes Brustik [00:55:54]:
Zackes Brustik [00:55:54]: Und das heißt im Prinzip hat ein Forscher dafür gesorgt, dass ich glaube 20 Milliarden an Nahrungsmitteln dadurch erhalten bleiben mit einem rein biologischen Hack. Wäre das äquivalent wirklich im ganz großen skalierten Maßstab. Also es ist nicht nur, dass das in den eigenen vier Wänden funktioniert. Und der letzte Punkt, es ist wirklich auf sehr, sehr viele Branchen übertragbar.
Zackes Brustik [00:55:54]:
Hans Reckhaus [00:56:16]:
Hans Reckhaus [00:56:16]: Du hattest angefangen von der von der Relevanz zu sprechen, also dass unsere Produkte im Innenraum für das Insektensterben längst nicht so relevant sind wie die Landwirtschaft. Und das ist zu 100 Prozent richtig. Mir geht es nicht Relevanz, sondern mir geht es darum, eine Antwort auf mein Geschäftsmodell zu geben. Und es wäre oder es ist eine Ausrede meiner Konkurrenten zu einem schönen Teil, dass sie sagen, auch die wenigen Insekten, die da im Haushalt sterben, die sind doch nicht so relevant. Also auch da wieder eine Ausrede der Industrie. Für mich ist es so, letztes Jahr habe ich über vier Millionen Produkte mit Insekt-Respekt-Gütesiegel verkauft. Das heißt, ich habe vier Millionen Menschen erreicht mit den Botschaften, Insekten sind wichtig und dramatisch bedroht. Bitte, liebe Menschen, lasst uns gemeinsam umdenken für mehr Respekt vor Insekten.
Hans Reckhaus [00:56:16]:
Hans Reckhaus [00:57:06]:
Hans Reckhaus [00:57:06]: Das ist schon ein ganz schöner Hebel. Das ist auch der Grund, warum ich nicht mein Unternehmen verkauft hab vor zehn Jahren. Wenn ich das gemacht hätte und mich als kleine Umweltschutzorganisation selbstständig gemacht hätte, hätte ich keine Stimme. Gerade dadurch, dass ich im Markt bleibe und mit großen Konzernen zusammenarbeite, da tue ich weh, da kann ich richtig bewirken. Und das ist mein Punkt, und deswegen macht mir mein Unternehmen jetzt so richtig groß Freude. Ich nutze es als Hebel, gesellschaftliches Bewusstsein zu generieren. Und das ist wunderbar.
Hans Reckhaus [00:57:06]:
Zackes Brustik [00:57:42]:
Zackes Brustik [00:57:42]: Meine zwei letzten Fragen, Hans. Die eine ist, Ich weiß einen Mensch, der, ich würde mal sagen, wirklich ein Pionier im Geiste ist, der Gründer von Patagonia. Ich muss mich mal schnell hier scrollen, bis ich das Zitat wieder habe. Aber ich glaube, sinngemäß hat er gesagt, mir ist nicht wichtig, ob die Kunden meine Produkte kaufen, mir ist wichtig, dass meine Produkte die Welt verbessern. Yvon Chouinard hat das gesagt. Wie weit wärst du bereit gewesen zu gehen, wenn das jetzt vielleicht nochmal fünf Jahre gedauert hätte, bis der Markt, die Kunden, das Bewusstsein soweit gewesen wären oder vielleicht auch deine Finanzen an die Grenze gekommen werden und das nicht mehr gereicht hätte, nur ein kleineres Auto zu fahren etc.?
Zackes Brustik [00:57:42]:
Hans Reckhaus [00:58:25]:
Hans Reckhaus [00:58:25]: Für mich gibt es kein Zurück, das habe ich immer gesagt. Ich kann nicht, Nachdem ich zehn Jahre gesagt habe, Insekten sind wichtig und dramatisch bedroht, wir brauchen ein Umdenken, kann ich nicht auf einmal auf meine Wahninweise verzichten und Werbung für meine Produkte machen und sagen, hey Leute, kauft mich, ist ja nicht so schlimm, komm, hau da drauf auf die Fliege. Das kann ich ja gar nicht. Das ist ja völlig unglaubwürdig. Also das funktioniert ja nicht. Und ich, für mich gibt es kein Zurück. Ich muss mich daran messen, dass ich es schaffe. Und das ist mein Weg.
Hans Reckhaus [00:58:25]:
Hans Reckhaus [00:59:02]:
Hans Reckhaus [00:59:02]: Und wenn das jetzt noch fünf Jahre ökonomisch schlecht gelaufen wäre, ja, dann wäre es eben ökonomisch schlecht gelaufen. Dann muss ich irgendwann sagen, okay, ich habe es eben nicht gepackt, ich bin nicht ein guter Kaufmann. Ja, gut, dann ist das so. Und dann muss ich eben eine kleine Wohnung ziehen und irgendwas anderes machen. Aber es darf nie eine Ausrede sein, dass ich den Sinn in meinem Geschäftsmodell verliere und dann wieder zurück nur auf Ökonomie setze. Das ist für mich ausgeschlossen.
Hans Reckhaus [00:59:02]:
Zackes Brustik [00:59:27]:
Zackes Brustik [00:59:27]: Unglaubliches Statement. Und auch Respekt quasi eben als etablierter Unternehmer wieder den Gründergeist zu aktivieren, zu sagen, auch wenn man Unternehmen schon längst etabliert, das seit Jahrzehnten erlaube ich es mir wieder zu scheitern. Ich glaube, dieses Risiko einzugehen und diesen Spirit zu haben, den haben ganz wenige. Das ist ja oft das Schwierige, wenn man als etablierter Player im Markt ist.
Zackes Brustik [00:59:27]:
Hans Reckhaus [00:59:50]:
Hans Reckhaus [00:59:50]: Wenn ich durchhalte, ich bin jetzt 56, ich weiß, ich habe mich noch nie gefragt, wie lange ich noch arbeite, aber ich sage nochmal 10 Jahre bestimmt. Wenn ich es schaffe, die nächsten 10 oder 15 Jahre durchzuhalten mit einer marginalen Rendite und keinem Wachstum und vielleicht nur halb so viel Umsatz und der Betrieb wird halb so klein sein und ich gerade noch ein bisschen Geld verdiene, Dann sage ich am Ende nach 15 Jahren, vielen Dank an dieses Leben. Ich mache 3 Kreuze und sage, Mann, was bin ich reich beschenkt worden. Was ich auf diesen letzten Jahren, was ich für Menschen kennengelernt habe, wie viel ich gelernt habe, was ich erleben durfte, das ist großartig gewesen. Und deswegen bin ich völlig damit zufrieden. Das andere ist, und das zeichnet sich zur Zeit gerade ab, dass wir stark wachsen und dann auch damit sehr gutes Geld verdienen. Dann bin ich auch dankbar. Also ich bringe das, weil es ist die Sache, wie man an diesen Weg herangeht.
Hans Reckhaus [00:59:50]:
Hans Reckhaus [01:00:51]:
Hans Reckhaus [01:00:51]: Und wenn man demütig und bescheiden diesen Weg verfolgt, dann kann man nur belohnt werden.
Hans Reckhaus [01:00:51]:
Zackes Brustik [01:00:57]:
Zackes Brustik [01:00:57]: Fast schon ein unglaublich schönes Schlussfazit. Hans, könnte ich mir eigentlich kein besseres wünschen, denn es kommt nochmal wirklich auf den ganz wesentlichen Punkt zurück. Die Transformation fängt wirklich mit mir persönlich an als Mensch an der Spitze von einem Unternehmen. Was will ich erreichen in meinem Leben? Worauf möchte ich mal zurückschauen? Und wenn da noch eine große Portion Unternehmerinnentum und Pioniergeist hinzukommt, dann kann wirklich Weltbewegendes passieren. Zum Schluss würde ich dich gerne noch einen Rat bitten, Hans, denn das Thema Biodiversität ist ja was, was gerne mal unter den Tisch fällt bei Unternehmen, selbst dann, wenn es schon das Thema Nachhaltigkeitstransformation geht. Das heißt, wie gewinne ich die Menschen für das Thema Biodiversität, für die selbst das Thema Nachhaltigkeit schon eine Herausforderung ist?
Zackes Brustik [01:00:57]:
Hans Reckhaus [01:01:39]:
Hans Reckhaus [01:01:39]: Wir müssen Bilder erzielen. Ich habe ein schönes Bild für dich, Zackes, und das ist der Cheeseburger. Ein Cheeseburger ohne Insekten ist nur noch Brot, Weil Tomaten die Bestäubung brauchen, Zwiebeln brauchen die Bestäubung, Käse und Fleisch von Kühen und von Rindern. Die Kühe und Rinder, die ernähren sich von Luzerne und Klee. Die werden wiederum von Insekten bestäubt. Dieses Bild, ein Cheeseburger ohne Insekten ist nur noch Brot, das bleibt dann im Kopf, das zeigt ganz schnell, hey Leute, das gibt's ja gar nicht.
Hans Reckhaus [01:01:39]:
Zackes Brustik [01:02:13]:
Zackes Brustik [01:02:13]: Danke dir Hans. Es war mir echt ein Fest, das ganze Gespräch. Vielen Dank.
Zackes Brustik [01:02:13]:
Hans Reckhaus [01:02:18]:
Hans Reckhaus [01:02:18]: Vielen Dank, Zagis.
Hans Reckhaus [01:02:18]:
Zackes Brustik [01:02:19]:
Zackes Brustik [01:02:19]: Das war die erste Folge der zweiten Staffel von Gewinne Zukunft. Ab jetzt gibt es wieder alle zwei Wochen eine neue Folge. Während in der ersten Staffel der Fokus oft auf Impact oder Green Tech Startups lag, werde ich in der zweiten Staffel noch mehr Transformationsgeschichten von lange bestehenden Unternehmen erzählen und den Menschen und Pionieren, die sie vorantreiben. Also klicke am besten den Abo- oder Subscribe-Button in deiner Podcast-App und vernetze dich mit mir auf LinkedIn.
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