#47 Nachhaltigkeit richtig messen: Von ESG-Berichten zu Resilienz und Kontextbezug. Ein Deep Dive! I Gast: Ralph Thurm

Shownotes

Der Pionier und internationale Experte für Nachhaltigkeit und Innovation, Ralph Thurm, hat die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstandards mit geprägt. Aber er sagt: Aktuell versagen die etablierten ESG-Standards auf fatale Weise.

In dieser Folge nehmen Dich Ralph und Podcast Host Zackes mit auf eine Reise zu den wichtigsten Nachhaltigkeitsprinzipien und was diese in der strategischen Anwendung bedeuten.

Zum ersten Mal in Gewinne Zukunft geht es auch um das Thema Postwachstumsgesellschaft. Ralph erläutert, warum er parallel zu kontextbasierter Nachhaltigkeit bereits an Strategien zu einer Post Collapse Readiness arbeitet. Die Logik dahinter: Wenn wir alle relevanten Kipppunkte überschritten haben, wie bereiten wir unsere Unternehmen und Gesellschaft auf eine Welt mit den einhergehenden Konsequenzen vor?

Vorab erklärt Ralph die wichtigsten Prinzipien der Nachhaltigkeit: Worauf kommt es beim Kernprinzip der Nachhaltigkeit der Intra- und Intergenerational Equity an? Nach dieser Folge kennst Du die vier essenziellen Kriterien nachhaltiger Unternehmensstrategien:

  1. Nachhaltigkeitskontext
  2. Schwellenwerte und Allokationen
  3. Stakeholder Inclusiveness
  4. Vollständigkeit

Da bisherige Standards diese nicht abdecken, arbeitet die von ihm mitgegründete Plattform r3.0 zum Beispiel mit den UN SDPI, den UN Sustainable Development Performance Indicators.

Ganz persönlich geht Ralph darauf ein, wie er für sich Wirksamkeit angesichts eines Kollapsszenarios gefunden hat. Welche Leadership-Anforderungen leiten sich für ihn daraus ab und welche strategischen Fragen für Unternehmen?

Über Ralph Thurm: Ralph ist der Gründer von A|HEAD|ahead, Mitgründer von r3.0 & Geschäftsführer bei OnCommons gGmbH. In seiner jahrzehntelangen Arbeit hat er das Thema Nachhaltigkeit unter anderem bei Siemens, Deloitte und dem Nachhaltigkeitsstandard GRI vorangetrieben. Auf der Plattform von r3.0 und Medium findest Du zahlreiche kostenfreie Arbeitsmaterialien und Blueprints. Zudem empfehlen wir den LinkedIn-Newsletter von Ralph: The Lighthouse Keeper.

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Transkript anzeigen

Ralph Thurm [00:00:04]:

Ralph Thurm [00:00:04]: Jedes Mal, wenn ich in das Gesicht meines ersten Enkels gucke, denke ich mir, na, in welche Welt wirst du hineinwachsen? Und welchen Beitrag kann ich dazu leisten, das im Sinne von Intergenerational Equity so lebenswert zu machen, wie es eben einfach nur geht. Die ESG-Fortschrittsberichterstattung gibt dir an, wie viel ein Unternehmen weniger schlecht geworden ist. Es sagt nicht, wie nachhaltig ein Unternehmen ist.

Ralph Thurm [00:00:04]:

Zackes Brustik [00:00:30]:

Zackes Brustik [00:00:30]: Ich freue mich enorm, denn euch erwartet mal wieder eine absolute Pionierfolge. Mit dabei einer der führenden internationalen Experten für nachhaltige Innovation und Strategie, der die Entstehung des Nachhaltigkeitsreporting von Anfang an miterlebt und mitgeprägt hat. Im ersten Teil erklärt er mir im Detail ein paar der wichtigsten Grundbegriffe zum Thema Nachhaltigkeitsreporting und wo der wichtige Unterschied zwischen weniger schlecht und wirklich nachhaltig liegt. Und genau hier wird's spannend, denn nach Jahrzehnten im Business sagt er, Nachhaltigkeitsreporting, wie wir es aktuell kennen, schießt völlig am Ziel vorbei. Daher beschäftigt er sich nicht nur mit doppelter Wesentlichkeit, sondern bereits mit der Triple Materiality. Was das ist, erklärt er mir natürlich auch. Und dann widmen wir uns noch einem Thema, das schon längst überfällig war in Gewinne Zukunft, nämlich der Frage, was machen wir, wenn all unsere Bemühungen nichts mehr helfen? Wie könnte eine Postwachstums- oder gar Postkollapsstrategie aussehen? Das heißt, es geht auch das Thema Resilienz. Und damit herzlich willkommen bei Gewinne Zukunft, dem Nachhaltigkeitspodcast der Pioniere und Professionals.

Zackes Brustik [00:00:30]:

Zackes Brustik [00:01:36]:

Zackes Brustik [00:01:36]: Mein Name ist Zakkes und ich freue mich enorm, dass ihr mit an Bord seid. Und wie immer freue ich mich enorm über meinen Gast heute, Ralf Thurm. Wie schon erwähnt, er hat die unterschiedlichsten Hüte auf und ist von Anfang an mit dabei gewesen im Bereich Nachhaltigkeit und Unternehmertum. Das Spannende ist, er hat gleich drei verschiedene Perspektiven, die für uns unglaublich wertvoll sind. Einerseits die Industrieperspektive, denn er war super lange bei Siemens mit an Bord, unter anderem als Head of the Sustainability Strategy Council. Dann ist er in die Beratung gewechselt, unter anderem als Director of Sustainability and Innovation by Deloitte. Und nicht zuletzt hat er tatsächlich auch die ganze Standardentwicklung von Anfang an mitbekommen. Er hat nämlich unter anderem als COO der GRI, also der Global Reporting Initiative, an allen vier Generationen der GRI Guidelines mitgewirkt.

Zackes Brustik [00:01:36]:

Zackes Brustik [00:02:29]:

Zackes Brustik [00:02:29]: Also Es wird ein absolutes Fest. Ich freue mich enorm, dass du mit an Bord bist. Hallo Ralf.

Zackes Brustik [00:02:29]:

Ralph Thurm [00:02:34]:

Ralph Thurm [00:02:34]: Hallo Zakis. Freue mich auch.

Ralph Thurm [00:02:34]:

Zackes Brustik [00:02:36]:

Zackes Brustik [00:02:36]: Lass uns direkt einsteigen, ohne Umschweife. Aktuell tausende Menschen weltweit freuen sich eigentlich, in ihrem Unternehmen endlich den Auftrag zu haben, Nachhaltigkeit anzugehen. Super viele motivierte Menschen machen sich auf den Weg, das Nachhaltigkeitsreporting für ihr Unternehmen aufzusetzen und gehen davon aus, dass sie damit vielleicht auch den Fuß in der Türe haben, ihre Unternehmen auf einen tatsächlich nachhaltigen Weg bringen zu können. Das heißt, Sie sind eigentlich motiviert, haben das Gefühl, einen sinnvollen Job anzugehen, und jetzt kommst du und sagst, eigentlich läuft da alles falsch, was wir so kennen. Das heißt, was läuft falsch mit Nachhaltigkeitsreporting, wie wir es aktuell kennen?

Zackes Brustik [00:02:36]:

Ralph Thurm [00:03:17]:

Ralph Thurm [00:03:17]: Ja, lassen wir mich ein bisschen zurückgehen, weil die Herleitung dazu auch ein bisschen mit meinem Werdegang zu tun hat und daraus erschließt sich dann sehr viel meiner Meinung und warum ich denke, dass wir Nachhaltigkeit, so wie wir sie heute sehen, eigentlich in einer viel zu verkürzten Version bearbeiten. Also ich bin sehr stark motiviert worden durch den Brundtlandbericht. Der Brundtlandbericht bringt uns im Grunde genommen eine Reihe von Prinzipien der Nachhaltigkeit. Wir kennen zum Beispiel People, Planet and Prosperity als eines dieser Prinzipien. In der heutigen Welt sprechen wir eigentlich eher über People, Planet and Profit.

Ralph Thurm [00:03:17]:

Zackes Brustik [00:03:55]:

Zackes Brustik [00:03:55]: Darf ich da direkt einhaken? Der Brundtlandbericht für alle Newbies im Thema, wann kam er raus und warum war er so entscheidend?

Zackes Brustik [00:03:55]:

Ralph Thurm [00:04:02]:

Ralph Thurm [00:04:02]: Der Bruntleibericht kam 1987 raus und war eigentlich der erste Bericht international, der sich mit der Frage nach nachhaltiger Entwicklung beschäftigt hat und hat dazu eben Geleit gegeben und war für mich sozusagen der Einstieg. Und wenn man das so sieht, dann bin ich jetzt über 35 Jahre damit dabei und spiegle also immer wieder das, was wir in der Nachhaltigkeit machen heutzutage, an den eigentlichen Prinzipien des Bund-Land-Berichts. Also People, Planet, Prosperity war eigentlich ein sehr human basierter Ansatz. Wir haben People and Planet and Profit daraus gemacht, was eigentlich ein sehr corporate kompatibler Ansatz ist und eben passen sollte zu der Quartalsweisen Berichterstattung von Unternehmen. Aber das allerwichtigste ist eigentlich, und das ist für mich das Kernprinzip von Nachhaltigkeit, da muss ich jetzt aber trotzdem zwei englische Termini benutzen, intra- und intergenerational equity. So der Brundtlandbericht sagt eigentlich, tu nichts, wenn deine Generation die folgende Generationen darin einschränken würde, die Möglichkeiten zu haben, die du auch in deiner eigenen Generation hattest. Und das ist für mich immer, ja, die Anforderung gewesen, die nachhaltige Entwicklung mit sich bringt. Und nun haben wir im Laufe der Zeit, und damit schwenke ich ganz langsam zu den Berichterstattungsstandards, haben wir uns natürlich auch die Aufgabe gemacht zu messen, welchen Fortschritt haben wir gemacht in der Nachhaltigkeit.

Ralph Thurm [00:04:02]:

Ralph Thurm [00:05:31]:

Ralph Thurm [00:05:31]: 1992 hatten wir die erste Rio-Konferenz, da wurden erste internationale Absprachen gemacht zur nachhaltigen Entwicklung. 1997, fünf Jahre danach, hat man sich die Frage gestellt, ja was haben wir denn erreicht? Mit der Aussage, wir wissen es eigentlich nicht, weil wir haben keine Messmethoden dafür. Und gerade in der Zeit ist die GRI in ihren Grundzügen entstanden, die Global Reporting Initiative, mit der Idee, man braucht eigentlich mehr als nur eine Jahresberichterstattung, die eigentlich immer ein Rückspiegelbetrachtung ist, sondern man braucht eigentlich auch eine Vorwärtsbetrachtung im Sinne auf das Zusammenbringen dessen, was ein Unternehmen tut und wie so der Zustand der Erde ist. Und da hat man eben erstmalig die Idee gehabt, wir bräuchten sowas wie eine Nachhaltigkeitsberichterstattung. Und ich war zu der Zeit gerade bei Siemens, du hattest erwähnt, Sustainability Strategy Council war der erste Ansatz, im Unternehmen breit Nachhaltigkeit zu verankern. Dann, wenn du in so einem großen Unternehmen arbeitest, bist du immer aufgefordert, letztendlich die Breite zu erfassen, das Thema Nachhaltigkeit auch überall zu verankern. Das haben wir damals gemacht und ich war damals auf der Suche nach Nomenklatur, nach Vokabular. Und da tauchte die GRI auf und seitdem habe ich erst als European Industry Expert, war dann auch später, nachdem ich Siemens verlassen habe, in 2002, innerhalb der GRI als COO, CFO, CIO gearbeitet.

Ralph Thurm [00:05:31]:

Ralph Thurm [00:07:02]:

Ralph Thurm [00:07:02]: Und unter der Ägide ist dann letztendlich auch ein Ansatz entstanden, der sich bis heute durchsetzt innerhalb der Global Reporting Initiative Guidelines. Heute sind es ja Standards. Und daran kann man eigentlich sehr schön auch aufhängen, woran es heutzutage krankt. Und warum ich der Meinung bin, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung im Augenblick eigentlich nicht wirklich Nachhaltigkeitsberichterstattung ist. Und das wäre vielleicht sinnvoll, das kurz herzuleiten. Wir haben damals im Grunde genommen uns neben den Indikatoren zur Nachhaltigkeit auch mit den Prinzipien beschäftigt. Denn wir haben gesagt, diese GRI Guidelines sollten nicht so eine Art Tickbox-Exercise werden, sondern sie sollten auch vom Anspruch der wirklichen Nachhaltigkeit heraus hergeleitet sein. Und dort sind vier Prinzipien entstanden, die miteinander eigentlich in Symbiose stehen.

Ralph Thurm [00:07:02]:

Ralph Thurm [00:07:56]:

Ralph Thurm [00:07:56]: Das eine heißt Nachhaltigkeitskontext, das zweite heißt Materialität oder Wesentlichkeit, Das dritte ist Stakeholder Inclusiveness und das vierte heißt Completeness, also Vollständigkeit. Letztendlich ist es so, wenn man sich die GRI Guidelines oder heute die Standards näher anschaut und sich fragt, wo ist die Verbindung der GRI Guidelines zum Thema Nachhaltigkeit, so wird sich das bei näherem Lichte beschränken auf dieses Sustainability-Context-Prinzip, also Nachhaltigkeits-Context-Prinzip. Dieses Prinzip sagt mehr oder minder aus, du musst deine Performance messen, in Bezug zu den lokalen, regionalen, internationalen, globalen Schwellenwerten von dem, was eigentlich tatsächlich noch verbraucht werden kann. Und Wie wirkt sich das dann aus auf die Entscheidungen der einzelnen Unternehmen? Wir haben das, wie gesagt, Sustainability-Context genannt. Die Schwierigkeit dabei ist, damals gewesen in den ersten Ansätzen, die erste Version war 2002 dann, wo das eingebracht worden ist, nächste dann 2006, dass man eigentlich ein Datenproblem hatte. Wo bekomme ich diese internationalen Schwellenwerte her? Wie bemesse ich dann eine Allokation für das Unternehmen, wogegen ich dann meine Performance messen kann.

Ralph Thurm [00:07:56]:

Zackes Brustik [00:09:18]:

Zackes Brustik [00:09:18]: Und ganz konkret, wenn du sagst Schwellenwerte, das heißt zum Beispiel, wie viel CO2 können wir de facto noch ausstoßen, wenn wir wirklich auf 1,5 Grad Ziel bleiben wollen? Und was bedeutet das global? Was bedeutet das für Deutschland? Was bedeutet das für innerhalb Deutschlands, für Automotive und innerhalb automatischen Zulieferer wie Siemens ganz konkret runtergerechnet auf eine Zahl und das wahrscheinlich nicht nur auf CO2, sondern dann auch auf alle anderen Dimensionen.

Zackes Brustik [00:09:18]:

Ralph Thurm [00:09:45]:

Ralph Thurm [00:09:45]: Genau, das bezieht sich auf alle Dimensionen und nicht nur im Umweltbereich, sondern auch im sozialen Bereich. Da hatte man in den ersten Ansätzen die ILO-Conventions der Internationalen Arbeitsorganisation, die man heranziehen konnte und dann war eben die Frage, wie kann ich Nachhaltigkeit dann wirklich messbar machen? Denn was wir heute sehen, und das ist grundsätzlich nun mal eine Kritik, ist, dass Unternehmen diesen Nachhaltigkeitskontext eben nicht in ihre Berichterstattung integrieren und ihnen fehlt dann sozusagen die Information, gegen die Sie Ihre eigene Performance vergleichen. Und was dann dabei rauskommt, ist im Grunde genommen, dass ein Unternehmen dann seine Performance misst gegenüber der Performance der Vorjahre oder der Performance in den letzten fünf Jahren oder ein Industriedurchschnitt beispielsweise.

Ralph Thurm [00:09:45]:

Zackes Brustik [00:10:32]:

Zackes Brustik [00:10:32]: Normalerweise sagt man doch so zum Beispiel gegenüber unseren Emissionen 1990 und wenn wir den Wert einigermaßen erreichen, müssten wir keine Ahnung 80 Prozent unserer Emissionen reduzieren. Wäre das nicht eigentlich schon ein ziemlich gutes Ziel gerade? Bevor Ralf mir auf diese Frage antwortet, gibt's wie immer in knapp 60 Sekunden ein zum Thema der Folge passendes Sustainability Offering von meinem Werbepartner IBM. Hierfür habe ich mir mal wieder einen superspannenden Report vom IBM Institute for Business Value herausgesucht, der sich dem Thema widmet, wie sich Regierungen auf zukünftige Schocks vorbereiten können und wie der Weg zu mehr Resilienz aussehen könnte. Im Sommer 2023 hat IBV über 600 Führungskräfte aus Regierungsorganisationen in 40 Ländern befragt. 60 Prozent gingen davon aus, dass globale Pandemien oder extreme Wetterereignisse in ihrer Frequenz zunehmen werden. 70 Prozent gehen sogar davon aus, dass gleichzeitig die Intensität dieser Schocks steigt. In einer Roundtable-Reihe mit weiteren Partnern und Stakeholdern hat IBM versucht herauszufinden, wie sich Regierungen auf diese Szenarien vorbereiten können. Heraus kam ein Report mit acht ganz konkreten Empfehlungen Und fünf Prioritäten.

Zackes Brustik [00:10:32]:

Zackes Brustik [00:11:46]:

Zackes Brustik [00:11:46]: Gerade bei den Prioritäten fand ich super spannend, dass ganz viele Regierungsorganisationen planen in den nächsten fünf Jahren massiv in KI und Automation zu investieren, dabei aber gefahrlaufend nicht mehr genug für die Fortbildung ihrer Mitarbeitenden auszugeben. Den kompletten kostenfreien Report gibt's über den Link in den Shownotes und mehr Infos dazu bei Sustainability-Specialist Ramon Di Caglio auf LinkedIn.

Zackes Brustik [00:11:46]:

Ralph Thurm [00:12:11]:

Ralph Thurm [00:12:11]: Letztendlich ist es ja so, dass die Zielgerade oder der Anspruch sich im Laufe der Zeit ja auch dynamisch verändert. Das ist tatsächlich so gewesen, als man das 1,5 Grad Ziel festgelegt hat, hat man ein Basisjahr gewählt, gegenüber dem man nicht mehr als 1,5 Grad höher sein darf. Und das war typischerweise 1990. Da gab es eine ganze Reihe von Diskussionen dazu. Letztendlich haben wir eben eine Situation, wo Unternehmen ihre Performance messen gegenüber der Performance der Vorjahre oder eben zum Beispiel gegenüber einem Industriedurchschnitt oder eben relativ gesehen als irgendeine Art von Intensitätsindikator. Die Frage ist, was sagt das über Nachhaltigkeit aus? Und die Antwort ist, herzlich wenig. Und man kann sich glaube ich auch ganz gut vorstellen, wenn man sich Nachhaltigkeit einfach mal als einen Bruch vorstellt, mit einem Zähler und einem Nenner. Und alles, was Unternehmen heutzutage tun, ist sozusagen das, was auf der Zählerebene stattfindet.

Ralph Thurm [00:12:11]:

Ralph Thurm [00:13:14]:

Ralph Thurm [00:13:14]: Und das ist das, was heutzutage unter dem Oberbegriff ESG sehr stark in die Berichterstattung eingeflossen ist und was uns eben hauptsächlich fehlt, ist die Nennerperspektive. Gegen was messe ich meine ESG Performance? Und vielleicht noch kurz, das zu erklären, warum gibt es so etwas wie ESG? Das ist eigentlich entstanden in den Jahren 2005, 2006, 2007, 2008, als man auch von der GAI versucht hat, Finanzmarktspieler stärker zu integrieren oder zu interessieren erst einmal in die Nachhaltigkeitsberichterstattung und man stand eben vor der Situation, dass man da relativ viel Ablehnung gewunden hat. Die typische Argumentation war damals, wenn man sich mit einem Asset Manager unterhalten hat oder mit jemandem, der mit Investments zu tun hat, er sagte, naja, ich bin spezifiziert auf ein oder zwei verschiedene Industrien. In diesen Industrien gibt es zwischen 50 bis 150 Unternehmen, die ich mir alle anschaue und nun wollt ihr, dass ich mir 70 Indikatoren mal 150 Unternehmen mal zwei Industrien jedes Jahr reinziehe. Das funktioniert für mich nicht. Gib mir einen Nachhaltigkeitsindikator oder vielleicht zwei, aber maximal drei Und da, so muss es ausgedrückt werden, ansonsten bin ich da nicht in der Lage, das in meine Assessments zu integrieren. Und so ist im Grunde genommen die Notwendigkeit entstanden, dem Finanzmarkt etwas zu geben, was handhabbar ist. Und so ist eigentlich auch die ganze ESG, Environmental Social Governance, Ansatz entstanden.

Ralph Thurm [00:13:14]:

Ralph Thurm [00:14:55]:

Ralph Thurm [00:14:55]: Aus der Sicht der GAI zu der damaligen Zeit hat man gesagt, ja das ist natürlich nicht die Nachhaltigkeitsmessung, aber es ist zumindest erstmal eine Performance-Messung, die Benchmarks möglich macht zwischen Unternehmen. Aber den Nachhaltigkeitskontext und dieses Themengebiet, dieses Arbeitsfeld müssen wir uns trotzdem kümmern. Ja, und Dabei ist es dann geblieben. Das ist bis heute nicht passiert. Dieses Sustainability-Kontext-Prinzip steht in den GRI-Standards, ist im Laufe der Jahre aufgeweicht worden und ist jetzt eigentlich nur noch eine Comic-Version dessen, was es eigentlich mal war.

Ralph Thurm [00:14:55]:

Zackes Brustik [00:15:28]:

Zackes Brustik [00:15:28]: Da habe ich schon direkt ein paar Details, Frank. Das eine ist, glaube ich, das ISG-Rating, so wie es aktuell umgeschrieben wird, kann dann zu Kuriositäten führen, wie dass Firmen wie AstraZeneca oder Coca-Cola ein wahnsinnig gutes ISG-Rating haben. Ich glaube bei den Fuzzi 100 oder sowas. Und dich dann fragst, wie kann das sein, eine Firma, die, glaube ich, 100 Milliarden Plastikflaschen im Jahr mit Virgin Plastik raus bringt, das kann nicht nachhaltig sein, hat aber ein super ESG-Rating. So wie sich das dann niederschlägt, wo du meinst und dann sagt Coca-Cola ja, aber in den ESG-Indikatoren, wie gesagt, wir haben ja das und das erreicht oder sowas, aber unterm Strich hilft es niemand.

Zackes Brustik [00:15:28]:

Ralph Thurm [00:16:03]:

Ralph Thurm [00:16:03]: Letztendlich, wenn du es versuchst, ein bisschen plakativ auszudrücken, die ESG-Fortschrittsberichterstattung gibt dir an, wie viel ein Unternehmen weniger schlecht geworden ist. Es sagt nicht, wie nachhaltig ein Unternehmen ist. Und dann, wenn du dann darauf, auf diese Information aufgesetzt, all die Ratings, Rankings und Indizes siehst, die es gibt, die alle auch das Wort Nachhaltigkeit im Namen tragen, dann erzählen mir die im Grunde genommen, wer ist best in Class von denjenigen, die weniger schlecht geworden sind. Und das ist im Grunde genommen, ja, hat mit Nachhaltigkeit halt nichts zu tun. Es gibt ja keinen Grad an Nachhaltigkeit und dann die Aussagen, die gemacht werden, die ja vielfach durch viele Hände laufen und durch Kommunikationsabteilungen und so weiter. Da wird dann gesagt, ja wir sind wieder ein bisschen mehr nachhaltig geworden in diesem oder jenem Themenbereich. Und das ist halt nicht wahr. Es gibt nicht weniger oder mehr nachhaltig.

Ralph Thurm [00:16:03]:

Ralph Thurm [00:16:58]:

Ralph Thurm [00:16:58]: Es gibt nachhaltig oder nicht nachhaltig. Und in der Nichtnachhaltigkeit gibt es eben Improvisationsstufen. Aber es gibt nur einen schmalen Grad, an dem ich sagen kann, mein Unternehmen ist auf diesen Themengebieten nachhaltig.

Ralph Thurm [00:16:58]:

Zackes Brustik [00:17:11]:

Zackes Brustik [00:17:11]: Wo liegt dieser schmale Grad?

Zackes Brustik [00:17:11]:

Ralph Thurm [00:17:13]:

Ralph Thurm [00:17:13]: Naja, das ist sozusagen der Punkt, wo du mit deinen Zählerdaten im Rahmen deiner Allokationen bist, die dir vorgegeben ist. Wir kennen das auch aus dem Konzept von Rayworth's Donut. Diese Idee der carrying capacities, der environmental ceilings und der social floors, woraus sich dann dieses Bild des Donuts ergibt. Und der Safe Space, dann, wenn ich sozusagen nachhaltig unterwegs bin, ist der Mittelteil des Donuts. Wenn ich keine ökologischen Schwellenwerte oder die Allokation, die mir zusteht, überschritten habe oder eben im Rahmen meiner Social Floors eine entsprechende Performance bringe. Und ja, wie gesagt, letztendlich ist es so, dass wir diese Informationen nicht haben. Wir haben zwar sehr viele Unternehmen, die sich dem Donut verschreiben, aber dem Beweis schuldig bleiben, dass sie sich im Rahmen der Carrying Capacities befinden. Und wie misst man das? Ja, indem man eben seine eigene Performance gegenüber der Allokation misst, die einem vorgegeben ist durch die Schwellenwerte, die wir tatsächlich noch verbrauchen können oder die wir nicht über oder nicht unterschreiten dürfen, je nachdem ob man sich über das Umweltthema oder das Sozialthema unterhält.

Ralph Thurm [00:17:13]:

Zackes Brustik [00:18:26]:

Zackes Brustik [00:18:26]: Ich würde jetzt mal stark davon ausgehen, dass du da nicht stehen geblieben bist und dir gedacht hast, ist ein Problem, sondern wahrscheinlich auch angefangen hast, darüber zu grübeln, wie man das mit den Allokationen hinbekommen könnte, welche sich daraus ergeben und wie man dann die Performance diesbezüglich misst. Ich würde das noch ein kleines bisschen parken für einen Moment, eine Suspense aufzubauen, einfach noch wirklich gründlich zu arbeiten, weil du hast ja vorhin vier entscheidende Prinzipien genannt. Das eine war die Allokation, das andere war die Wesentlichkeit, die anderen zwei musst du nochmal für mich wiederholen und wenn du einfach zu den drei nochmal kurz einen Satz sagst und deine Einschätzung, wie die sich aktuell dann in den verschiedenen Reportings oder Nachhaltigkeitsstrategien niederschlagen oder auch nicht?

Zackes Brustik [00:18:26]:

Ralph Thurm [00:19:04]:

Ralph Thurm [00:19:04]: Ja, die vier Prinzipien, die wir damals benannt haben, waren Nachhaltigkeitskontext, Thresholds und Allocations, also Schwellenwerte und Allokationen. Das ist ein grundsätzliches Datenthema, mit dem man sich befassen muss und mit dem man sich spiegeln muss. Dann die Stakeholder Inclusiveness, also die Tatsache, dass man das eben auch mit den Stakeholder-Gruppen diskutiert, die hier betroffen sind, dann eben zu einer Wesentlichkeitsanalyse zu kommen und die dann letztendlich auch nochmal überprüft auf Vollständigkeit. Das sind die vier Themen gewesen. Und was wir gesehen haben im Laufe der Zeit, dadurch, dass, und da gibt es Studien dazu, die sagen, dass 99,7 aller Nachhaltigkeitsberichte den Nachhaltigkeitskontext nicht kennen, nicht benennen und auch nicht zum Arbeitsprogramm machen. Ja, das sagt uns letztendlich aus. Die Studie, die ich kenne, die jetzt gerade überarbeitet wird, hat damals über 12.000 Unternehmen angeschaut mit über 40.000 Nachhaltigkeitsberichten und von den 12.000 Unternehmen haben gerade mal 31 überhaupt benannt, dass es sowas wie planetäre Grenzen gibt und nur ganz wenige davon dann eben sich auch Ziele darauf gesetzt.

Ralph Thurm [00:19:04]:

Zackes Brustik [00:20:13]:

Zackes Brustik [00:20:13]: Fallen dir ein, zwei ein, die das vorbildlich machen?

Zackes Brustik [00:20:13]:

Ralph Thurm [00:20:16]:

Ralph Thurm [00:20:16]: Also im internationalen Bereich Patagonia ist immer gerne genannt, dann gibt es eine sehr interessante Kooperative in Vermont in den USA, die heißt Cabot Creamery, die sich damit beschäftigen. Wir haben, aber da werden wir sicherlich auch noch drauf kommen, im Rahmen unseres Projektes mit Unrist mit Firmen gearbeitet wie der GLS Bank und Veleda und ich weiß von beiden Firmen, dass sie sehr intensiv daran arbeiten. GLS hat auch schon publiziert dazu. Also das sind erste Beispielfälle, aber das wird noch ein bisschen dauern, bis sich das durchsetzen wird, weil das, woran wir gearbeitet haben, erst 2022 rausgekommen ist und wir Unternehmen darauf trainen und das denke ich mal ab nächstem Jahr dann auch sichtbar wird in der Unternehmensberichterstattung. Aber da kommen wir sicherlich noch drauf.

Ralph Thurm [00:20:16]:

Zackes Brustik [00:21:08]:

Zackes Brustik [00:21:08]: Definitiv. Trotzdem, ich würde noch mal kurz wirklich einen Satz zu den anderen drei wichtigen Punkten, weil ich glaube, wir vergessen immer, manche Leute, zumindest in meinem Podcast, stoßen in das Thema zum allerersten Mal. Da schadet es nicht, nochmal den ein oder anderen Begriff mit einem konkreten Bild zu versehen. Du hattest eben Kontext, da haben wir jetzt schon drüber geredet, Stakeholder, Wesentlichkeit und Vollständigkeit. Jeweils dazu, Stakeholder heißt halt weggehen vom Shareholder-Ansatz, Also zum Beispiel auch Mitarbeitende mit einbeziehen, Kunden, Partner oder von den unternehmerischen Tätigkeiten Betroffene, also weiß nicht, in dem Kakao-Anbaugebiet, die dort lebenden Menschen, oder?

Zackes Brustik [00:21:08]:

Ralph Thurm [00:21:42]:

Ralph Thurm [00:21:42]: Genau darum geht es. Es geht letztendlich die Frage, Welche Wirkungen hat ein Unternehmen mit dem, was es tut? Eben nicht nur auf Finanzkapital bezogen, sondern eben auch gegenüber all denjenigen Stakeholdern, die auch Rechte daraus ableiten. Ich meine, wenn ein Unternehmen Wasser aus einer Quelle entnimmt, ist das Unternehmen nicht der einige Besitzer der Quelle, sondern da sind andere, die eben auch davon von diesem Wasser abhängig sind. Und so kann man das eben sagen und da kommen wir sicherlich auch noch darauf zu sprechen, diese kontextbezogene Nachhaltigkeit. Da geht es letztendlich darum, was sind die Duties and Obligation gegenüber und da würde ich noch einen Begriff einbringen wollen, Rights Holdern. Das ist ein breiterer Mindset als eben nur Stakeholder. Denn Stakeholder definieren sich darüber, welche Stakes deklariert werden gegenüber einem Unternehmen. Aber es gibt auch Silent Stakeholders Und die eben auch mit einzubeziehen in der Betrachtung sind wichtig.

Ralph Thurm [00:21:42]:

Zackes Brustik [00:22:37]:

Zackes Brustik [00:22:37]: Hast du ein konkretes Beispiel? Was wäre ein typischer Rightsholder oder ein Silent Stakeholder?

Zackes Brustik [00:22:37]:

Ralph Thurm [00:22:41]:

Ralph Thurm [00:22:41]: Naja, typischerweise, wir sehen das jetzt auch über verschiedene Rechtsakte, dass Flüssen zum Beispiel Rechte gegeben werden. Das wird natürlich über Menschen ausgeführt, aber tatsächlich, dass eben verschiedene Naturgebiete sozusagen Rechte ableiten oder sich dafür Rechte ableiten lassen, was die Möglichkeit von Unternehmen, Ressourcen zu bekommen, dann eben auch beeinflussen kann. Und diese sozusagen auch mitzunehmen in der Betrachtung ist wichtig. Also letztendlich der Prozess, den wir vor Augen hatten damals auch bei der GRI, ist, dass man sich seines Nachhaltigkeitskontexts gewahrwört. Das nutzt, intern auch Diskussionen zu führen, wem gegenüber haben wir Pflichten und das dann eben mit den anwesenden Stakeholder, Rights Holdern diskutiert und damit dann eben auch eine Sicherstellung hat, dass man die Themen eigentlich vollständig benennt. Damit sind dann alle vier Prinzipien angesprochen.

Ralph Thurm [00:22:41]:

Zackes Brustik [00:23:36]:

Zackes Brustik [00:23:36]: Wir haben sie angesprochen, aber noch mit einem Bild. Und wie gesagt, tut mir leid, dass ich dich da ausbremsen muss, wirklich noch ein paar Newbies abzuholen. Wesentlichkeit. Klar, ich glaube, alle, die hier reinkommen, haben das Wort schon mal gehört und haben sich auch Gedanken gemacht über doppelte Wesentlichkeit. Aber das heißt, Wesentlichkeit heißt, bisher aus der wahrscheinlich Finanzberichterstattung kommt, das heißt, welche Risiken gibt es für mein Unternehmen und habe ich die im Blick, also von außen nach innen. Doppelte Wesentlichkeit war wahrscheinlich die nächste Evolutionsstufe. Welche Risiken stellen meine unternehmerischen Tätigkeiten für die Umwelt dar oder auch im sozialen Aspekt? Und da wahrscheinlich der Begriff eben auch wesentlich, also wo ist es wirklich ein signifikantes Risiko? Und auch da glaube ich, dein Unternehmen, dein aktuelles oder die Plattform, an der du mitarbeitest, heißt der R3.0. Das heißt, der Schritt von einfacher Wesentlichkeit zu doppelter Wesentlichkeit und du sagst, da fehlt jetzt eigentlich noch ein Schritt weiter.

Zackes Brustik [00:23:36]:

Zackes Brustik [00:24:29]:

Zackes Brustik [00:24:29]: Das wäre so eine Art dritte Wesentlichkeit oder die kontextbasierte Wesentlichkeit, da schließt sich dann der Kreis, oder?

Zackes Brustik [00:24:29]:

Ralph Thurm [00:24:34]:

Ralph Thurm [00:24:34]: Genau, so ist es. Also du kannst im Grunde genommen sagen, die klassische Single Materiality, so wie es im Englischen genannt wird, ist die Outside-In-Betrachtung. Das ist typischerweise, was über das Risikomanagement eines Unternehmens singulär betrachtet wird. Es gibt aber auch die sogenannte doppelte Wesentlichkeit oder Double Maturity, wo eben auch geschaut wird, wie beeinflusst ein Unternehmen über das, was es tut, die Außenwelt. Und aus den beiden ergibt sich im Grunde genommen schon eine Art Regelkreislauf. Denn das eine beeinflusst das andere und das in einer ständigen Art und Weise. Was noch fehlt, ist die Frage, bin ich damit im Rahmen meiner Carrying Capacities mit diesem Regelkreislauf? Und da haben wir uns entschlossen, den Begriff Triple Maturity zu adoptieren. Der sozusagen sagt, Single und Double Maturity plus Kontext ist gleich Triple Maturity.

Ralph Thurm [00:24:34]:

Zackes Brustik [00:25:26]:

Zackes Brustik [00:25:26]: Und auch da wieder kleine englische Übersetzung, Carrying Capacity, weil das, was noch nicht geklärt ist, wie viel kann die Erde tatsächlich tragen?

Zackes Brustik [00:25:26]:

Ralph Thurm [00:25:33]:

Ralph Thurm [00:25:33]: Genau. Die Tragfähigkeit des Systems wird sozusagen dann in den verschiedenen Teilbereichen der Nachhaltigkeitsdiskussion zum Ausdruck gebracht und das wird dann eben runtergebrochen, wie du schon richtig sagtest, auf Länder, auf Industrien, auf Unternehmen.

Ralph Thurm [00:25:33]:

Zackes Brustik [00:25:49]:

Zackes Brustik [00:25:49]: Tut mir leid, dass ich da immer reinkriege, aber mein Feedback war auch immer, dass ich öfter mal mit Worten mich schmeiße, die man als neuer Podcast-Hörer noch nicht einordnen kann. Deswegen habe ich mir jetzt angewöhnt, immer noch mal sozusagen das Glosar gleichzeitig mitzubesprechen.

Zackes Brustik [00:25:49]:

Ralph Thurm [00:26:02]:

Ralph Thurm [00:26:02]: Das ist vollkommen verständlich. Und ich meine, ich bin natürlich auch 35 Jahre auf dem Gebiet unterwegs. Für mich sind die Begrifflichkeiten, die kann ich träumen. Aber ich verstehe natürlich, dass es nicht für jeden ebenso zugänglich ist. Und von daher alles gut.

Ralph Thurm [00:26:02]:

Zackes Brustik [00:26:16]:

Zackes Brustik [00:26:16]: Also das heißt ein paar Sachen sind so einigermaßen abgedeckt. Ich meine, du warst jetzt damals wahrscheinlich wirklich begeistert zu Werke. Als du bei Siemens warst, warst du wahrscheinlich extrem erfreut, was bewegen zu können. Als du bei Chiara mitwirken kannst, warst du wahrscheinlich auch mit voller Inbrunst am Werke. Also wo ist dann sozusagen die Abbiegung passiert, dass du gemerkt hast, so ein Mist, das entwickelt sich in eine Richtung, die nicht funktionieren kann.

Zackes Brustik [00:26:16]:

Ralph Thurm [00:26:39]:

Ralph Thurm [00:26:39]: Der Malus der unvollständigen Nachhaltigkeitsmessung war mir eigentlich nach 2006 schon relativ deutlich. Auch die Frage der Einforderung, wann werden wir uns denn jetzt mit dem Nachhaltigkeitskontext befassen, die Hausaufgaben sozusagen zu machen, damit wir Nachhaltigkeit auch wirklich tatsächlich messen können und das Unternehmen darauf aufbauend auch eben ihre Statements zur Nachhaltigkeit machen können. Das war mir, wie gesagt, schon relativ früh klar, dass da eben ein großer Baustein fehlt. Aus der Zeit der GRI damals weiß ich, dass es in erster Linie mal darauf ankam, jetzt erstmal den, ja auch in so einer Art Schwellenwert, für das Einsteigen in die Berichterstattung relativ niedrig zu halten, möglichst viele Unternehmen für diese Art von Berichterstattung zu begeistern und sie erst mal beginnen lassen damit. Und das ist auch irgendwo verständlich, auch dass die Finanzmarktspieler gesagt haben, ja, also okay, wenn ihr uns nicht ein oder zwei Indikatoren geben könnt, was ist denn eine Struktur, mit der wir uns befassen sollten oder könnten? Und daraus ist eben dieses ESG-Regime entstanden. Und nachdem sich das dann im Laufe der Jahre eigentlich immer weiter verfestigt hat und dann teilweise dazu geführt hat, dass Leute meinten, ESG sei Nachhaltigkeit, ist das natürlich immer weiter eingeschlafen. Ja, wie gesagt, mein Ansatz war immer, Irgendwer muss es dann irgendwann mal tun. Und aus der Intention heraus und dann auch durch, ein bisschen angestupst durch das Outcome-Dokument der RioPlus20-Konferenz, also 20 Jahre nach der ersten Rio-Konferenz, gab es eine zweite Rio-Konferenz über die Zukunft nachhaltiger Entwicklung.

Ralph Thurm [00:26:39]:

Ralph Thurm [00:28:18]:

Ralph Thurm [00:28:18]: Da kam ein Dokument bei raus, das hieß The Future We Want. Und einige von uns haben uns angeguckt und haben gesagt, na, das dauert ewig, bis es dazu kommt. It's the future we design. Also wir müssen in irgendeiner Art und Weise dafür sorgen, dass diese Hausaufgaben, die nie gemacht worden sind, nun tatsächlich auch mal angegangen werden. Und das war mehr oder minder die Geburtsstunde von R3.0. Das steht für Redesign for Resilience and Regeneration und versucht eben diesen Mammut zum Leben zu erwecken, eben diese Vollständigkeit herzustellen, die eigentlich gefordert ist. Das letzte der Prinzipien war Vollständigkeit und ein Teil der Vollständigkeit hat halt immer gefehlt. Und darum sind wir mit R3.0 dieses Thema angegangen.

Ralph Thurm [00:28:18]:

Ralph Thurm [00:29:04]:

Ralph Thurm [00:29:04]: Was wäre denn dann eine regenerativ distributive Ökonomie? Und wie müsste man Nachhaltigkeit messen? Und da kommen dann halt relativ schnell eben diese Mali zum Vorschein. Die Dinge, die eben nicht gemacht werden. Und weswegen wir eigentlich keinen wirklichen Erfahrungsgewinn haben, aber eben auch keinen Innovationsprozess, an dem man jetzt nachlesen könnte, wie viel haben wir in der Nachhaltigkeit wirklich erreicht. Und Darauf aufbauend haben wir eben R3.0 ins Leben gerufen und relativ schnell festgestellt, es ist eben nicht nur die Berichterstattung, die nicht einschwingt in das, was sie eigentlich berichten sollte, sondern da gibt es eben ein ganzes Informationsumfeld, Was eigentlich auch betrachtet werden muss. Also zum Beispiel, wie müsste dann das Accounting sich verändern? Wenn man eben diese externen Werte mit einbezieht, gegen die man dann seine Performance misst. Dann die Frage, welche Art von Datenclustern bräuchte man? Also sowohl auf Unternehmensebene, als auch, wir nennen das die Meso-Ebene, das ist eine Region, eine Industrie oder eine Portfolie-Ebene. Und welche makroökonomischen Zahlen, ökonomisch, ökologisch, sozial, brauchen wir eigentlich und wie sprechen diese Datensätze miteinander? Also das Thema der verschiedenen Datencluster war eins. Und dann eben die Frage, wenn wir diese Information hätten, wie würden sich dann Businessmodelle verändern? Oder wie würde man Businessmodelle schaffen können, die letztendlich dann auch dem Anspruch der Nachhaltigkeit gerecht werden würden? Und aufgrund dieser vier Themenstellungen, wir haben die abgearbeitet in sogenannten Blueprints als R3.0.

Ralph Thurm [00:29:04]:

Ralph Thurm [00:30:39]:

Ralph Thurm [00:30:39]: Das sind immer Projekte von ungefähr einem Jahr, wo wir diese Themen bearbeiten. Und die haben sich eben abgeleitet aus dem Anspruch einer regenerativ-distributiven Ökonomie, was eigentlich 2012 als Anspruch schon festgelegt worden ist. Nur alle haben sich angeguckt und haben gesagt, ja, wer macht es denn jetzt? Denn da gab es keine Hinweise dazu. Und deswegen haben wir uns gewagt und nicht ohne Risiko. Da waren genug Leute dabei, die gesagt haben, wie naiv kann man sein, so etwas anzugehen.

Ralph Thurm [00:30:39]:

Zackes Brustik [00:31:07]:

Zackes Brustik [00:31:07]: Warum naiv?

Zackes Brustik [00:31:07]:

Ralph Thurm [00:31:08]:

Ralph Thurm [00:31:08]: Naja, weil sie eben sagen, du gibst hier einen guten Job bei Deloitte auf, wo du als Director of Sustainability and Innovation europaweit agieren kannst und schmeißt dich sozusagen ins kalte Wasser mit ein paar anderen Leuten mit einem Anspruchsniveau, das für viele eben zwei, drei Schritte voraus tituliert wurde, wobei mein Ansatz immer war, naja, eigentlich sind alle anderen zwei bis drei Schritte zurück, in dem, was wir tatsächlich nötig haben.

Ralph Thurm [00:31:08]:

Zackes Brustik [00:31:36]:

Zackes Brustik [00:31:36]: An der Stelle, was wirklich nötig wäre, also woran orientiert ihr euch in Bezug auf wirklich konkrete, unverrückbare Grenzen? Wo stehen wir gerade mit dem Planeten? Weil du hast ja gesagt, Das Problem ist zu messen, ihr habt ja bestimmt wissenschaftliche Reports oder wo ihr sagt, klar, die Zukunft kann man jetzt nicht 100 Prozent voraussagen, aber da haben wir was tatsächlich Handfestes oder nahezu Handfestes in der Hand und wie steht es aktuell?

Zackes Brustik [00:31:36]:

Ralph Thurm [00:31:56]:

Ralph Thurm [00:31:56]: Naja, wenn man sich die Datensätze anschaut oder die Datenlage anschaut in verschiedenen Themenbereichen. Ich meine Klima, das ist so das Prominenteste, was immer so durch die Nachrichten geht. Wir haben 2023 eigentlich im Durchschnitt über das ganze Jahr das 1,5-Grad-Ziel schon gerissen. Das war letztendlich vorausgesagt für wahrscheinlich 2027. Das ist 2023 passiert und wir schauen uns monatlich eben die Klimakurven an oder die Temperaturkurven an und die zeigen für 2024 dramatischen Anstieg. Allein schon die ersten zwei Monate liegen, was die Kurven anbelangt, viel, viel höher als 2023 und darunter liegt eben das ganze Datenmodell der letzten 30 Jahre, wo man sozusagen kleine Aufwärtsbewegungen gesehen hat, aber die Aufwärtsbewegungen und die Amplituden immer höher werden. Also wir sind im Grunde genommen bei dem 1,5 Grad Ziel im Jahresdurchschnitt schon angelangt. Und das hat dramatische Auswirkungen.

Ralph Thurm [00:31:56]:

Ralph Thurm [00:32:53]:

Ralph Thurm [00:32:53]: Ich meine, wir werden das im Laufe des Jahres wieder sehen. Da gibt es noch andere Themen wie zum Beispiel Bodenwasser, Verunreinigungen und so weiter. Das ganze Thema Mikroplastik. Und wenn man das an diesen Carrying Capacities orientiert, so sind wir eigentlich bei allen diesen Themen bereits drüber.

Ralph Thurm [00:32:53]:

Zackes Brustik [00:33:11]:

Zackes Brustik [00:33:11]: Wenn du sagst, alle diese Themen, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, ich glaube, das agiert mit neun planetaren grenzen. Du erwähnst hier und da glaube ich auch mal 22 relevante schwellenwerte und da sind wir bei wie vielen schon drüber?

Zackes Brustik [00:33:11]:

Ralph Thurm [00:33:24]:

Ralph Thurm [00:33:24]: Also 21 sind es, nicht 22. Also bisher ist es so, es gibt diese neun Environmental Ceilings, sozusagen der Außenring des Donuts und es gibt zwölf Social Floors. Also das sind sozusagen die soziale Komponente. Und wenn man sich das anschaut, Wir haben gesichert sechs dieser neuen Schwellenwerte im Umweltbereich bereits überschritten und ich weiß aus Gesprächen mit Wissenschaftlern, dass die anderen drei im Grunde genommen auch schon gerissen sind. Warum ist das noch nicht publiziert? Na ja, es ist auf der einen Seite die Frage nach der Messmethode, wie man das misst, und daneben die Frage des Peer Reviews. Und wissenschaftliche Peer Reviews brauchen zwei bis drei Jahre, bis sie dann tatsächlich auch zu einer Veröffentlichung führen.

Ralph Thurm [00:33:24]:

Zackes Brustik [00:34:14]:

Zackes Brustik [00:34:14]: Was heißt das? Also haben wir da überhaupt noch eine Chance, was umzureißen? Heißt das eigentlich, ist die Gesellschaft, oder sagen wir mal unsere aktuelle Zivilisation, wie wir sie kennen, schon längst über dem Kipppunkt?

Zackes Brustik [00:34:14]:

Ralph Thurm [00:34:25]:

Ralph Thurm [00:34:25]: Die Antwort ist ja, aus meiner Sicht. Einfach, wenn ich mir die Gesamtheit aller Datensätze anschaue und wie die Datensätze sich gegenseitig auch beeinflussen. Also ich hatte jetzt das Thema Klima genannt und wir hatten gerade diskutiert, dass wir sechs von neun der Umweltschwellenwerte bereits überschritten haben und dass die anderen eine Frage der Zeit sind, weil das eben noch eine Frage der Abarbeitung der Datensätze und der Peer Reviews ist. Und damit hätten wir alle ökologischen Schwellenwerte überschritten. Im sozialen Bereich ist es nicht anders. Deswegen gibt es all diese Themen, weil wir dort eben Underperformance zeigen, Also die Social Floors haben wir auch eigentlich unisono unterschritten und machen da eben auch nur inkrementiellen Fortschritt. Du kannst dir das Thema Biodiversität anschauen. 70 Prozent der Biodiversitätsmasse ist ausgestorben.

Ralph Thurm [00:34:25]:

Ralph Thurm [00:35:17]:

Ralph Thurm [00:35:17]: Ja, und dann helfen uns dann auch nicht so COPS zum Thema Biodiversity, die halt 30 Prozent der Landmasse irgendwie sichern wollen oder hier in Europa gibt es eine Gesetzesvorlage oder ist verabschiedet worden von 20 Prozent. Wir wissen aber auch zum Beispiel, wenn wir uns den ganzen Ressourcenbereich angucken, da ist ja immer die Frage der Energiewende und der Innovationsfähigkeit mit erneuerbaren Energien. Aber die brauchen eben auch Mineralien und Metalle. Und wir wissen aus einer Studie von Professor Sverdrup von der Island-Universität, der das Modell des Club of Rome, das damals für Limits to Growth herangezogen worden ist, weiterentwickelt hat. Es gibt jetzt eine siebte Version, World 7 nennt sich die. Und die zeigt halt auf, dass im Zusammenspiel all der Ressourcennotwendigkeiten, wir die meisten Ressourcen, die wir für erneuerbare Energien brauchen, in einem Zeitraum zwischen 2035 und 2045 dann nicht mehr zur Verfügung haben werden. Was dazu führt, dass wir weltweit an eine solche Energiewende letztendlich auf Basis erneuerbarer Energien, das ist ein Traum, aber der wird nicht Wirklichkeit werden. Die Situation, die wir eben gerade sehen, ist, dass dann im Bereich der Energieentwicklung wir im Grunde genommen eine parallel laufende Wirkung haben, wo fossile Energien weiterhin zunehmen, während wir erneuerbare Energien eben auch zunehmend haben.

Ralph Thurm [00:35:17]:

Ralph Thurm [00:36:50]:

Ralph Thurm [00:36:50]: Und das ist eine Parallelität der Entwicklung und es ist keine Abkopplung der Entwicklung. Und gerade hat der Global Resource Outlook, der UNEP, das ist das Vereinte-Nationen-Umwelt-Programm, ihren Global Resource Outlook 2024 herausgebracht. Und die haben gesagt, zwischen 1970 und heute haben wir den Ressourcenverbrauch 470 Prozent gesteigert und zwischen jetzt und 2060 wird eine weitere Erhöhung von 60 Prozent erwartet und das stößt sich mit den Ressourcenverfügbarkeiten und von daher laufen wir da eigentlich in eine Sackgasse rein und wenn jetzt das Thema Energie oder auch Nahrungsmittelherstellung und Monokulturen und wie selbst die Nahrungsmittelherstellung von fossilen Energien abhängig ist, läufst du eigentlich auf ein Gesamtbild hinaus, das dir sagt, das System wird so nicht bestehen bleiben können und wird kollabieren. Und wenn ich sage kollabieren oder das Wort Kollaps in den Mund nehmen oder Kollaps im Englischen, dann bedeutet das, dass unser ökonomisches System oder so wie wir es jetzt haben, diesem Druck nicht standhalten wird. Und es wird zu einem ökonomischen Systemkollaps kommen. Das heißt nicht, dass es die Apokalypse ist für uns Menschen, aber es wird eine große Anzahl von Menschen auf der ganzen Welt unterschiedlich verteilt enorm hart treffen.

Ralph Thurm [00:36:50]:

Zackes Brustik [00:38:10]:

Zackes Brustik [00:38:10]: Das klingt gerade so ruhig, wenn wir darüber reden, aber ich weiß zum Beispiel vor, ich weiß nicht, vielleicht zehn Jahren, korrigiere mich, ob ich den Namen gerade richtig habe. Ich glaube, Neil Diamond war das, der Collapse geschrieben hat, das Buch. Genau, und da hat er beschrieben, wie verschiedene Hochkulturen oder Zivilisationen immer mal wieder quasi einen Peak hatten und dann tatsächlich eben kollabiert sind und ob das auf unsere aktuell auch zutreffen könnte. Ich muss ehrlich sagen, das war damals schon ziemlich ein Kloß im Magen, als ich das gelesen habe, dass ich mir dachte so, oh, vielleicht bin ich gerade Teil einer Hochkultur, die auch ihren Peak erreicht hat. Und gut, die Menschheit an sich ist dadurch nicht vom Planeten verschwunden, aber es könnte extrem ungemütlich werden im Vergleich zu dem, was wir gewohnt sind aktuell. Das klingt grad so lockerflockig. Ich weiß, für mich damals hat das wirklich Jahre gedauert, bis ich so innerlich Frieden damit hatte, dass, selbst wenn ich mich mit voller Leidenschaft und Überzeugung in das Thema stürze, trotzdem vielleicht gar nicht mehr so viel daran ändern kann als kleines Sandkorn in der gesamten Düne sozusagen. Wie geht es dir damit? Weil ich denke, der eigentliche logische Schluss könnte doch sein, so, wenn da nichts mehr zu machen ist, dann lass uns in Neuseeland noch die nächsten 20 Jahre am Strand genießen, solange er da ist.

Zackes Brustik [00:38:10]:

Zackes Brustik [00:39:17]:

Zackes Brustik [00:39:17]: Oder, lass uns, keine Ahnung, Mark Zuckerberg und die ganzen Superreichen, die haben ja alle schon ihren Doomsday-Bunker irgendwo tatsächlich gebaut. Das heißt, wie bist du damit umgegangen, ganz persönlich? Wenn du so tief im Thema steckst und wirklich ganz tief in den Daten drin bist, dass du sagst, so, muss ich erst mal akzeptieren können und dann tatsächlich bist du immer noch im Thema.

Zackes Brustik [00:39:17]:

Ralph Thurm [00:39:37]:

Ralph Thurm [00:39:37]: Stimmt.

Ralph Thurm [00:39:37]:

Zackes Brustik [00:39:38]:

Zackes Brustik [00:39:38]: Also du scheinst ja nicht aufgegeben zu haben.

Zackes Brustik [00:39:38]:

Ralph Thurm [00:39:40]:

Ralph Thurm [00:39:40]: Nein, also, aber das ist für mich grundsätzlich immer eine Lebenseinstellung gewesen, dass ich aus diesen negativen Friktionen Versuche, positive Energie herzuleiten. Aber in der Tat, so wie du es aussagst, das war übrigens Jared Diamond, nicht Neil Diamond. Ja, danke. Neil Diamond singt sehr schön, aber Jared Diamond hat damals Collapse rausgebracht und seitdem auch eine ganze Reihe anderer Bücher noch. Und es ist ja, glaube ich, wirklich in der Tat die Erkenntnis, ja, es gab Collapse schon immer, aus verschiedenen Gründen. Es war entweder die Zerstörung der Natur darum hin, also Osterinseln sind, glaube ich, das bekannteste Beispiel dafür, aber eben auch andere Kulturen, die untergegangen sind, die eine Mischung waren aus Überpopulation und eben Ressourcennutzung. Ja, natürlich auch das kriegerische Gefälle mit anderen drumherum Lebenden haben zu Untergängen geführt, Aber das waren halt eben alles regionale Kollapsthemen und was wir jetzt zum ersten Mal sehen und wo wir gerade Zeuge von werden, ist eben, dass das eben global ist. Es wird zwar immer noch an unterschiedlichen Flecken, zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in unterschiedlicher Härte letztendlich zutreffen.

Ralph Thurm [00:39:40]:

Ralph Thurm [00:40:53]:

Ralph Thurm [00:40:53]: Wir hören das immer von dem Untergang der karibischen Inseln und dass es da eben anfängt. Da ist es auch schon sichtbar. Aber wir sehen es natürlich auch über die ganze Welt verteilt und über die Jahreszeiten, die Wetterphänomene, die zunehmen, die Sturmintensität, die zunimmt, die Kapriolen, die wir sozusagen sehen, die auch immer schlechter versicherbar sind. Das entzieht vielen Menschen ihrer Lebensgrundlage, übers ganze Jahr verteilt auf der ganzen Erde. Und das wird halt nicht besser. Und selbst wenn wir heute stoppen würden, unsere CO2-Ausstöße auf Null setzen würden, haben diese CO2-Ausstöße eben auch eine Halbwertszeit. So weiß ich und habe mich damit abfinden müssen, dass zu meinen Lebzeiten die Situation nicht besser werden wird. Wahrscheinlich eher noch schlimmer, weil wir heute im Grunde genommen die Effekte der CO2-Emissionen der letzten drei Jahrzehnte sehen.

Ralph Thurm [00:40:53]:

Zackes Brustik [00:41:45]:

Zackes Brustik [00:41:45]: Da würde ich gerne auf drei Ebenen reingucken. So auf der ganz persönlichen menschlichen Ebene und dann auf der Leadership Ebene und dann auf der strategischen. Auf der ganz persönlichen menschlichen Ebene. Also das klingt so locker, wie gesagt, wenn wir darüber reden, aber Klimapsychologen sagen ja auch, dass es wirklich so einem ganz normalen Trauerprozess entspricht, wie wenn man den liebsten Menschen verliert, dass man lange mit sich hadert. Also hast du das an dir selber beobachtet, dass du es irgendwie versuchst, erst damit zu verhandeln oder Hyperaktivismus?

Zackes Brustik [00:41:45]:

Ralph Thurm [00:42:10]:

Ralph Thurm [00:42:10]: Für mich ist das auch ein dreistufiger Prozess gewesen und ich würde mal sagen, ich bin am Ende der zweiten und am Beginn der dritten Phase. Die erste Phase ist einfach nur blanke Wut. Das man sozusagen sagt, es kann doch wirklich nicht wahr sein, dass wir Menschen aufgrund des ökonomischen Gefüges, das wir uns geschaffen haben, uns in dieser Art und Weise bereichern. Und letztendlich alles, was wir haben und alles, was wir tun, einen Fußabdruck hat, der entweder Ressourcen anderswo auf der Welt entzogen hat, von Menschen, die das dort eigentlich wahrscheinlich selber bräuchten, aber eben durch entsprechende Machtstrukturen den Zugang nicht hat. Oder dass es eben tatsächlich ist, dass wir damit auch das Leben anderer Menschen negativ beeinflussen. Und das entspricht halt nicht meinem ethischen Weltbild. Und darauf eine Wut zu entwickeln, war, glaube ich, ganz normal. Und dann kommt man so in die Phase, wo man wirklich auch darum trauert.

Ralph Thurm [00:42:10]:

Ralph Thurm [00:43:04]:

Ralph Thurm [00:43:04]: Das ist einfach so, dass man sich abfinden muss, damit das gewisse Dinge in einem Leben, die jetzt noch selbstverständlich sind oder schon früher waren, in einer gewissen Art und Weise nicht mehr funktionieren werden. Also ich habe das zum Beispiel an meinem eigenen Reiseverhalten gesehen. Ich habe meine Reisetätigkeit fast 90 Prozent eingeschränkt. Also ich fliege grundsätzlich nicht, außer wenn es gar nicht anders möglich ist. Und das hat zum Beispiel im letzten Jahr dazu geführt, dass ich genau zweimal geflogen bin. Einmal nach Indien, weil ich da eben ein Leadership-Programm zu leiten hatte und einmal war ich in Norwegen für eine Konferenz. Und ja, das sind dann halt persönliche Abwägungen Und da versucht man dann halt den Fußabdruck doch so gering wie möglich zu halten. Oder eben auch privater Aktivismus, zu gucken, was man machen kann.

Ralph Thurm [00:43:04]:

Ralph Thurm [00:43:54]:

Ralph Thurm [00:43:54]: Da haben wir einiges hier bei uns zu Hause gemacht und sind energiepositiv, was unsere Parzelle hier, auf der wir wohnen, anbelangt. Wir bauen selber unser Gemüse an. Das sind ganz kleine Dinge, aber sie sind auch sehr erfüllend, wenn man mit den Händen an der Erde zu tun hat. Und dann letztendlich sich zu fragen im Sinne von choose your battles, was sind Dinge, die du einfach nicht mehr machen wirst, dich wirklich in all deiner Kraft auf die Dinge zu konzentrieren, wo du halt eine Einflussmöglichkeit siehst. Und da hat mir eben R3.0 sehr geholfen. Das ist sozusagen die Konzentration darauf, das zu tun, was in einem Kollaps und nach einem Kollaps weiterhin Bestand haben wird. Das sind die Dinge, auf die wir uns konzentrieren und wir nennen das Post-Kollaps-Readiness. Und das führt eben dazu, dass wir halt so eine relativ negative Haltung gegenüber den Standards haben, die im Großen und Ganzen für die meisten Unternehmen, leider muss ich das ausdrücken, einfach nur Beschäftigungstherapie sind, weil sie eben nichts zur Nachhaltigkeit beitragen.

Ralph Thurm [00:43:54]:

Zackes Brustik [00:45:01]:

Zackes Brustik [00:45:01]: Da kommen wir jetzt von der menschlichen zur Leadership-Ebene, weil das ist ja irgendwie doch ein Widerspruch, den man aushalten muss, dass ihr einerseits sagt, es ist zu spät und das sinnvollste, was wir machen können, ist, dass wir uns, auch wenn wir nicht wissen, wie ein Kollaps aussieht und dass wir jetzt eben nicht so ein dystopisches Bild vor Augen haben, uns darauf schon vorbereiten, andererseits aber tatsächlich immer noch die Fahne hochhalten für echte Nachhaltigkeit. Also du machst ja beides gleichzeitig. Mit der linken Hand kämpfst du immer noch dafür, dass wir Wege finden mit unserem unternehmen, tatsächlich auf die kontextbasierte Nachhaltigkeit einzuzahlen mit unseren Businessmodellen? Und andererseits denkst du schon darüber nach, ich weiß zwar nicht, wie so ein Kollaps aussehen könnte, aber offensichtlich zeigt alles darauf, dass er nicht aufzuhalten ist. Und wie bereite ich mich darauf vor? Wie schafft man das in sich zu vereinen und dann eben auch als Leader, der versucht, andere Menschen mitzunehmen, hinter sich zu vereinen, das glaubwürdig rüberzubringen?

Zackes Brustik [00:45:01]:

Ralph Thurm [00:45:52]:

Ralph Thurm [00:45:52]: Also, wie gesagt, für mich ist es erstmal eine grundethische Fragestellung. Nach mir die Sinnflut, das bin ich nicht. Und man muss sich dann eben die Frage stellen, was bin ich dann wirklich und was kann ich tatsächlich dazu beitragen? Und ich komme aus dem Gedanken der platoschen Idee von Wellbeing. Im Englischen würde man sagen, the individual can only be well unless the whole is well. Also der Einzelne kann eigentlich nur wirklich diese Art von Zufriedenheit erfahren, wenn das Gesamtsystem zufrieden ist, dieses Wellbeing eben erreicht. Und daraus leitet sich für mich eigentlich vieles ab an dem, was ich machen kann und wo ich eben auch mir überlege, was bedeutet das für Leadership-Programme. Und ich war in Indien für ein Leadership-Programm, wo ich sozusagen die Basis gelegt habe. Das geht wieder zurück auf diesen Begriff des Rights-Holdership.

Ralph Thurm [00:45:52]:

Ralph Thurm [00:46:46]:

Ralph Thurm [00:46:46]: Wie kann ich gucken, was ich tue im Hinblick auf die Rechte anderer und inwiefern ich diese einschränke und was kann ich dann dagegen tun. Für mich ergibt sich dadurch erstmal, und das denke ich ist für Leadership wichtig, der Gedanke, dass man eben nicht nur für das eigene Unternehmen zuständig ist, mit Wettbewerbsbedingungen zu kämpfen hat, sondern dass man Teil eines größeren Ganzen ist. Und wenn man Teil eines größeren Ganzen ist, wird Leadership eigentlich Stewardship. Das habe ich festgestellt in den Diskussionen, die ich habe, das ist ein wirklicher Mindset-Shift, weil es einen viel, viel weiteren Fokus zieht. Und wenn man das eben mal verinnerlicht als Führungspersönlichkeit, dann entsteht auch ein anderes Bild im Hinblick auf die Wirkung, die man haben kann. Nicht nur über sich persönlich oder für das Unternehmen, das man hat, sondern eben auch gegenüber der Industrie, in der man Teil ist, oder gegenüber den Portfolios, in denen man als Unternehmen Teil ist oder eben eine Regionalentwicklung oder Lokalentwicklung, von der man auch ein Teil ist.

Ralph Thurm [00:46:46]:

Zackes Brustik [00:47:53]:

Zackes Brustik [00:47:53]: Da würde ich gerne nochmal auch im Detail nachfragen. Wir hatten bis jetzt sehr viel Klimawissen, das man drauf haben muss, so Basics, überhaupt zu wissen, worum geht es. Und ich finde, wir reden sehr viel über Technologie, wir reden über Schwellenwerte und sowas. Es gibt ja auch die Inner Development Goals. Ich finde, was noch sehr wenig Platz findet in der Diskussion, was bedeutet das für uns als Menschen und aber auch für Leader, welche Qualitäten brauchen wir? Wenn du sagen würdest, so in zwei Minuten, was sind die drei wichtigsten Leadership-Qualitäten, das Thema Nachhaltigkeit wirklich wirksam voranzutreiben?

Zackes Brustik [00:47:53]:

Ralph Thurm [00:48:24]:

Ralph Thurm [00:48:24]: Also ich würde es mal an dem Kollapsbegriff festmachen. Es ist auf der einen Seite eine Collapse-Awareness, Dass man sich darüber im Klaren ist, dass wir eigentlich seit Mitte der 70er Jahren in einem Kollaps leben. Eher aber in unterschiedlicher Art und Weise und nicht vor unserer Haustür stattfindet. Jetzt immer mehr. Und daraus ergibt sich dann eben auch eine zweite Stufe, das nennen wir Collapse Acknowledgement. Dass man darauf aufbauend eben auch seine Strategie, seine Prozesse, seine Führungspersönlichkeiten, aber auch das ganze Unternehmen darauf abstellt, eben eine Art Resilienz zu entwickeln diesbezüglich. Und dazu gehören eben ganze Dinge wie Technologie, aber auch eben Informationen, Daten, Nachhaltigkeit, Berichterstattung, all die themen gehören dann mit dazu und dann eben auch sich die frage ganz klar und deutlich zu stellen wenn ein kollaps unvermeidlich ist Welches Existenzrecht hat mein Unternehmen dann heute und in Zukunft? Das ist also dieses ganze Thema der Post-Collapse-Readiness dann eben auch aufgenommen werden kann. Also Drei-Stufigkeit, Collapse-Awareness, Collapse-Acknowledgement, Post-Collapse-Readiness.

Ralph Thurm [00:48:24]:

Ralph Thurm [00:49:34]:

Ralph Thurm [00:49:34]: Und daraus kann man ein Leben letztendlich vieles ableiten. Es ist ein Mindset-Shift und führt uns letztendlich nicht garantiert zum Erfolg. Aber es ist noch das, was noch die höchste Chance von Erfolg verspricht.

Ralph Thurm [00:49:34]:

Zackes Brustik [00:49:48]:

Zackes Brustik [00:49:48]: Wenn ich an dem Punkt bin, den Dingen tatsächlich so ins Auge schaue und das in mir schaffe, beide Realitäten gleichzeitig existieren zu lassen, was bedeutet das dann ganz konkret taktisch und strategisch für mein Unternehmen? Also wie sieht ein resilientes Unternehmen aus, das sich wirklich fragt, ok, welche Rolle spiele ich, welches Existenzrecht habe ich noch in diesem Kollaps-Szenario, wie geht es von hier aus nach vorne? An dieser Stelle eine kurze Bitte in eigener Sache. Dank euch ist Gewinn der Zukunft kräftig am Wachsen und ich würde mich enorm freuen, noch mehr Hörende für das Thema Nachhaltigkeit zu gewinnen. Dafür könnt ihr einfach eine kurze Bewertung in eurer Podcast App hinterlassen, bei Spotify zum Beispiel Sterne, bei Apple Sterne und auch zwei Sätze und vernetzt euch gerne mit mir auch auf LinkedIn, die Themen, die ich hier nur mit meinen Gästen diskutieren kann, dann auch nochmal gemeinsam mit euch zu diskutieren. Zu jeder Folge gibt es den entsprechenden Beitrag, Hinterlasst eure Meinung, ob ihr mit dem, was wir besprochen haben, übereinstimmt, ob ihr eine andere Meinung habt und welche Themen ich generell noch im Podcast platzieren sollte. Also schnell das Smartphone raus, kurze Bewertung in eurer Podcast App und dann noch eine Vernetzung an mich auf LinkedIn schicken. Zack, ist brustig. Den Link findet ihr auch in den Show Notes. Ich freue mich von euch zu hören.

Zackes Brustik [00:49:48]:

Zackes Brustik [00:51:05]:

Zackes Brustik [00:51:05]: Wie du auch sagst, wie arbeite ich konstruktiv, lösungsorientiert, immer noch mit Freude an diesen Projekten. Also was hat sich daraus abgeleitet für euch?

Zackes Brustik [00:51:05]:

Ralph Thurm [00:51:15]:

Ralph Thurm [00:51:15]: Ich kann es eigentlich festmachen auch an der Entwicklung, die wir als R3.0 genommen haben. Wir haben uns ja 2012 gegründet nach der RioBus20-Konferenz mit der Frage, was ist eine regenerativ-distributive Ökonomie und haben uns sozusagen Gedanken gemacht über den Idealtypus und dann ein Backcasting gemacht auf die Situation heute. Und daraus ergibt sich sozusagen die Handlungsnotwendigkeit der Veränderung, die eben kommen muss im Hinblick auf diesen Idealtypus. Wir sind gerade dabei, jetzt in einem neuen Schritt eine neue Blueprint-Generation zu starten, die eben all das zusammenträgt, was eine regenerativ-distributive Ökonomie bedeutet und woraus es sich zusammensetzt. Und da sind viele Teile dabei, die auch von vielen Ökonomen, Philosophen und so weiter auch schon gut beschrieben sind, die man einfach auch wieder neu entdecken muss. Also zum Beispiel das ganze Thema der Frauenrechte und welche Entwicklung das nehmen kann im Rahmen eines, so wie wir das zum Beispiel von Vandana Shiva kennen, eines Ökofeminismus und den für ein Unternehmen entdecken, ist eine Herausforderung für viele Unternehmen. Die Rückbesinnung auf indigene Völker und deren Weisheiten, da gibt es sehr, sehr schöne Entwicklungspfade im Hinblick auf, wie verbindet man das mit moderner Denke und wie kann man sich auch da rückbesinnen. Das ganze Thema der Racial Rights spielt hier eben auch eine große Rolle im Hinblick auf diese regenerativ distributive Ökonomie.

Ralph Thurm [00:51:15]:

Ralph Thurm [00:52:50]:

Ralph Thurm [00:52:50]: Dann der ganze Austausch und da sehe ich enorm einen enorm großen Gap mit der Frage globaler Norden versus globaler Süden Und inwiefern hilft mir das letztendlich bei der Aufstellung und bei der Strategiefindung meines Unternehmens? Wir haben da als R3.0 sehr intensiv dran gearbeitet, auch einfach, zu entdecken, wie Nachhaltigkeit à la globaler Norden im Grunde genommen eine fortgesetzte Kolonialisierung des globalen Südens bedeutet. Wenn wir hören, dass in dem Global Resource Outlook eine Ressourcenzunahme von 60% bis 2060 stattfinden soll, dann kannst du dir ausmalen, wo die herkommen Und was das für Menschen im globalen Süden bedeutet. Also all diese Fragen kann ich mir stellen im Hinblick auf meine Positionierung als Unternehmer, im Hinblick auf meine Strategiefindung, im Hinblick auf mein Portfolio, dessen was ich machen will und dann eben zurückkommen auf die Frage der wirklichen Nachhaltigkeit, diese Intergenerational Equity. Wie kann ich in meinem Unternehmen Dinge fassbar machen, dass ich sagen kann, wir sind wirklich so unterwegs, dass wir folgende Generationen nicht einschränken in ihren Möglichkeiten, so wie wir sie haben. Und dann letzter Punkt vielleicht noch ganz kurz dazu, dieses ganze Thema der Naturrechte und was das bedeutet im Hinblick auf die Tatsache, was ein Unternehmen an Ressourcen entnimmt, welche Teile der Natur sie damit negativ beeinflusst. Das sind alles Themenstellungen, die im Rahmen dieser Neuaufstellung eines Unternehmens stattfinden müssen.

Ralph Thurm [00:52:50]:

Zackes Brustik [00:54:25]:

Zackes Brustik [00:54:25]: Da hatte ich jetzt so viele verschiedene Gedanken. Das eine ist, weil du gesagt hast, regenerative, distributive Ökonomie. Einfach auch nur, ob ich das richtig verstanden habe, regenerativ, klar, wir müssen Ökosysteme regenerieren, wir müssen Gesellschaften, den sozialen Zusammenhalt regenerieren. Distributiv heißt eben das wahrscheinlich, was du ganz am Anfang gesagt hattest, Planet People Prosperity und nicht Profit, das heißt, wie schaffen wir die Prosperity für so viele Menschen wie möglich? Das heißt, das Distribuieren, also eine möglichst faire Gesellschaft oder Zivilisation zu schaffen.

Zackes Brustik [00:54:25]:

Ralph Thurm [00:55:00]:

Ralph Thurm [00:55:00]: Das ist dann vielleicht auch ein bisschen so eine Art Future Outlook, nochmal darauf eingehen wollen, was denn dann im Kern so eine regenerativ-distributive Ökonomie bedeutet. Auch im Kontrast zu dem, was wir heute eben nicht machen. Also zum Beispiel der Ansatz des Bio-Regionalismus ist ein ganz wichtiger Punkt. Dass man eben sich die Welt aufteilt, nicht nach nationalstaatlichen Grenzen, die durch irgendwelche Machtstrukturen geschaffen worden ist, sondern die Ökologie oder den Planeten Erde federführend die Grenzen ziehen lassen. Und wenn man das macht und sich darauf einlässt, dann teilt sich die Welt in sogenannte Bio-Regionen auf. Die sind meistens definiert durch einen Wasserlauf, haben klimatische Eigenheiten und lassen sich relativ gut abgrenzen, Haben zwar Overlaps zu den nächstgelegenen Bioregionen, aber man kann das ganz gut fassen. Und man kann dann darauf aufbauend sich auch die Frage stellen, okay, was sind dann, da kommen wieder die Schwellenwerte, Allokationen, Das ist eine durchgehende Messmethode, die es auch in der regenerativ-dispositiven Ökonomie geben muss. Was ist das, was eine Bioregion erzeugen kann durch das, was sie auszeichnet und was sind Dinge, die eine Bioregion nicht machen kann? Die Frage, die sich daran anschließt, ist dann, wenn das für mich lebensnotwendig ist, dass ich es brauche, ist die Frage, was ist die nächstgelegene Bioregion, wo ich in Austausch, in eine Austauschbeziehung kommen kann.

Ralph Thurm [00:55:00]:

Ralph Thurm [00:56:30]:

Ralph Thurm [00:56:30]: Aber auch die Frage, wie stellt man im Grunde genommen so eine Art Webstruktur zwischen den Bioregionen der Erde her? Welche Prinzipien braucht man dafür und welche Art von Governance wird sich daran eben ausbilden?

Ralph Thurm [00:56:30]:

Zackes Brustik [00:56:43]:

Zackes Brustik [00:56:43]: Ich muss das mal kurz für mich übersetzen, ganz praktische Beispiele, weil ich denke mal jetzt, wenn man hier zuhört und so ganz normal BWL studiert hat oder sowas, dann ist man vielleicht innerlich schon ausgestiegen bei dem Konzept und denkt sich so, oh, das klingt jetzt aber arg nach Hippie-Fantasien. Aber so ein Bild, wo ich das Gefühl hatte, wo mir das sehr einleuchtend macht. Also zwei Beispiele, wenn ich jetzt an Ägypten denke, die bauen großen Staudamm für ihre Region, logisch, dass das direkt andere Regionen betrifft. Und wenn ich das auf Ebene von Nationalstaaten verhandle, vielleicht schaffen die es an einem Tisch zusammenzukommen. Aber unterm Strich, die Summe der Menschen, die davon betroffen sind, wird ein gemischtes Ergebnis haben. Anders als wenn ich eben da wirklich den Flusslauf als Basis nehme und gucke, wie müssen wir den sinnvoll bewirtschaften, dass alle anreinenden Menschen am meisten davon haben, unabhängig davon, ob sie jetzt das Glück haben, in Ägypten zu wohnen oder nicht. Das wäre wahrscheinlich ein sehr praktisches Beispiel davon, oder?

Zackes Brustik [00:56:43]:

Ralph Thurm [00:57:37]:

Ralph Thurm [00:57:37]: Das ist ein praktisches Beispiel dafür und ich bin da auch nicht naiv. Ich weiß, dass das Teil der Collapse Awareness und der Post-Collapse Readiness ist, dass man sich diese Dinge sehr schmerzhaft wahrscheinlich zu eigen machen muss. Was nicht positiv stimmt, ist, dass es hunderte, wahrscheinlich auch schon tausende Regional Regenerative Hubs gibt, die sich genau mit diesen Fragestellungen beschäftigen. Ich kenne allein in England ein gutes Dutzend. Die gibt es überall auf der Welt und das ist sozusagen so eine Bottom-up-Bewegung, die weiß Gott wirklich nichts mit Hippietum zu tun hat, sondern sich einfach nur auf die Logik der Ressourcenflüsse des Planeten Erde beschäftigen und da eben versuchen eine logische Einhellung zu finden und einen neuen Eukostgedanken, der der Ökonomie zugrunde liegt, nämlich das Haushalten, für sich neu entdeckt. Und so langsam ergibt sich eine Struktur und wir sind mit R3.0, mit vielen dieser Initiativen betroffen, weil wir eben denken, dass es die Struktur ist, die sich wahrscheinlich so schmerzhaft wie es klingt, dass es die einzige ist, die sich in der Zukunft durchsetzen kann und viele andere Dinge eben nicht überleben werden.

Ralph Thurm [00:57:37]:

Zackes Brustik [00:58:54]:

Zackes Brustik [00:58:54]: Auch wenn ich das nochmal in einem ganz konkreten Beispiel festmachen darf, ich hatte zum Beispiel Frauke Fischer hier zu Gast, eine der renommiertesten Biodiversitätsforscherinnen in Deutschland, und auch so einen mind-blowing-fact, den man nicht auf dem Schirn haben kann. Sie meinte, unser Wetter, unser Regen entsteht im Regenwald im Kongo. Der ist ganz akut betroffen von neuen Explorationsprojekten für Öl und Gas. Und das heißt, wenn die Bio-Region einen kritischen Schwellenwert erreicht, von dem sie nicht mehr weit entfernt ist, wirkt sich das direkt auf unser Wetter, auf unsere Niederschläge hier in Europa aus und damit auch auf unsere Landwirtschaft, auf unser Klima. Also das heißt, wir haben einen sehr handfesten, pragmatischen Nutzen davon, diese Themen anders anzugehen. Also wie gesagt, ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere Zuhörende innerlich ausgestiegen ist und gedacht hat, was für naive Weltvorstellungen. Andererseits ist, glaube ich, der Punkt nämlich genau entscheidend, den du gesagt hast. Ich glaube, das kommt aus dem Verständnis heraus, dass die Ökonomie etwas der Ökologie Enthobenes ist und ich glaube, darauf können wir uns alle einigen, dass wir definitiv sehr schmerzhaft gerade feststellen, dass das einfach nicht der Fall ist.

Zackes Brustik [00:58:54]:

Zackes Brustik [00:59:56]:

Zackes Brustik [00:59:56]: Also wir brauchen die Ökologie für alles, worüber wir uns als Menschen Gedanken machen oder was uns wichtig ist. Andersrum wird kein Schuh draus. Das heißt, das ist, wieder den Kreis zu schließen, ganz zum Anfang, das ist der unverrückbare Kontext, auf den wir angewiesen sind. Und erst von da aus, wenn wir den so anerkennen, wie begrenzt er ist, entsteht alles andere. Entsteht, was auch immer wir wirtschaftlich und mit unseren Unternehmen langfristig umsetzen können, so umsetzen können, dass es nicht nur in unserer, sondern auch noch in der nächsten Generation stattfindet. Wie der Weg dorthin aussieht, darüber kann man sich trefflich streiten, aber ich glaube die Unverrückbarkeit des ökologischen Kontexts, darüber kann man sich herzlich wenig streiten. Es praktisch runterzubrechen, ihr arbeitet zum Beispiel auch, wenn ich das richtig verstanden habe, mit dem, da muss ich mir jetzt kurz helfen, UNSDPI, das sind die UN Sustainable Development Performance Indicators, So rum ist es. Also das ist eine ganz konkrete Anwendung davon, was könnte das bedeuten, ob sich ein Unternehmen, ob das wirklich performt, auf die Indikatoren bezüglich der Nachhaltigkeit.

Zackes Brustik [00:59:56]:

Zackes Brustik [01:01:01]:

Zackes Brustik [01:01:01]: Das ist eine ganz konkrete Anwendung. Deswegen ist es wirklich von einem, ich sag mal, philosophischen oder auch von einem ökonomischen Gedanken runterzubrechen, auf ganz konkret, was heißt das jetzt in unserem Unternehmen? Ich habe jetzt hier zugehört, ich will was machen, ich will kontextbasiert arbeiten. Was bedeutet das ganz konkret? Das ist eins der Projekte, wo ihr das verprobt, oder?

Zackes Brustik [01:01:01]:

Ralph Thurm [01:01:19]:

Ralph Thurm [01:01:19]: Ja, wir haben vor ungefähr fünf Jahren begonnen, uns damit zu beschäftigen, weil wir eben diesen Gap gesehen haben zwischen der ESG-Fortschrittsberichterstattung und der wirklichen Nachhaltigkeitsberichterstattung und da eben den kontextbasierten Ansatz mit einbeziehen. Interessanterweise war es so, dass UNRIS, das UN Research Institute for Social Development, auf uns zugekommen ist und gesagt hat, wir sehen den Gap genauso, Lasst uns diese Indikatoren entwickeln. Und wir haben im Grunde genommen nichts anderes gemacht, als die Hausaufgaben der Standardsetzer. Wir haben uns den Nenner gekümmert. Den Nenner dieses Nachhaltigkeitsindikators. Denn der Zähler ist ausgiebig beschrieben. Das sind ISG Performance Indikatoren. Und welchen Nenner kann man nun einfach dagegen setzen.

Ralph Thurm [01:01:19]:

Ralph Thurm [01:02:06]:

Ralph Thurm [01:02:06]: Und wir haben das ausgearbeitet. Wir haben eine Grundlagenstudie dazu gemacht. Wir haben die Indikatoren dann definiert. Wir haben das in einem Pilotprojekt getestet mit ungefähr zwei Dutzend Unternehmen jeglicher Größe, aber auch aus unterschiedlichen Herkünften und auch mit internationalen Organisationen. Und unisono wurde bestätigt, dass es machbar ist. Unternehmen können das. Auch unter der heutigen Datenlage, die eine andere ist wie damals in 2006, wo eben ein Argument war, ja, wir haben die Daten nicht. Also das lässt sich alles abarbeiten.

Ralph Thurm [01:02:06]:

Ralph Thurm [01:02:40]:

Ralph Thurm [01:02:40]: Daraus sind die UNS DPI entstanden. Die sind seit November 2022 veröffentlicht. Und wir haben das letztendlich wie Sauerbier angeboten an all die Standardsetzungs Initiativen, also ESRS in Europa, ISSB international, GRI und worauf wir stoßen ist einfach Taubheit. Ja, Da ist einfach nicht der Wunsch da, diese Art von Transparenz hineinzutragen. Und wir haben uns dann entschlossen, das selber in die Hand zu nehmen. Und vielleicht sollte ich noch sagen, der Grund dafür ist einfach ein unglaublicher Wettbewerb zwischen diesen Standardsetzern. Da wird immer gesprochen über Interoperabilität. Ich habe das Ganze als Fort Interoperability benannt, wo sozusagen hohe Mauern hochgezogen werden, in denen man sich dann da bewegt und für nichts anderes offen ist, sozusagen das Bestandsrecht dieser Standardsetzungsorganisationen zu erhalten.

Ralph Thurm [01:02:40]:

Ralph Thurm [01:03:36]:

Ralph Thurm [01:03:36]: GRI hat sich mehr oder minder kastriert in diesem Prozess, eben nur noch die Inside-Out-Betrachtung zu machen, das Feld an ISSB übrig zu lassen, die dann die Outside-In-Betrachtung machen. Und die ESRS werden dann von beiden sozusagen als regionale Initiative benannt, die eben auch beides macht, Inside-Out und Outside-In. Keine dieser Initiativen hat den Kontextbezug wirklich intensiv durchgearbeitet. Innerhalb der ESRS gibt es positive Ansätze, aber letztendlich hat keiner der Standardsetzer die Hausaufgaben gemacht und deswegen sind die UNSDPI auf den Markt gekommen und wir bieten dazu auch ein monatliches Training an, was meistens ausverkauft ist. Also das wird angeboten und die Art und Weise, wie wir es letztendlich positionieren, ist so, dass wir sagen, Punkt 1, ohne den kontextbezogenen Aspekt, habt ihr eben nur Inside-Out und Outside-In-Betrachtung und könnt eigentlich keine Aussage zur Nachhaltigkeit machen. Andererseits heißen diese Standards eben European Sustainability Reporting Standard oder International Sustainability Reporting Standards. Tragen also das Wort Nachhaltigkeit in ihrem Titel. Und die große Gefahr, die dann besteht, ist, dass man eigentlich einem einen Greenwashing unterliegt, wenn man diese Standards erfüllt, ohne eben den Kontextbezug mitzunehmen.

Ralph Thurm [01:03:36]:

Ralph Thurm [01:04:56]:

Ralph Thurm [01:04:56]: Und deswegen raten wir an oder raten wir Unternehmen an, die UNS-DPI als Startpunkt zu benutzen, sich über die Triple Maturity klar zu werden und dann eben die weiteren gesetzlich geforderten Angaben zu machen, die die gesetzlichen Anforderungen fragen.

Ralph Thurm [01:04:56]:

Zackes Brustik [01:05:11]:

Zackes Brustik [01:05:11]: Habe ich das richtig verstanden? Das heißt, Kernursage war gerade ESRS, GRI, IS, welches war es noch die? ISSB. ISSB und die hast du nicht erwähnt, würde ich jetzt einfach mal unterstellen, DNK. Wer danach berichtet, betreibt eigentlich Greenwashing in Bezug auf kontextbasierte Nachhaltigkeit.

Zackes Brustik [01:05:11]:

Ralph Thurm [01:05:29]:

Ralph Thurm [01:05:29]: Man betreibt dann Greenwashing, wenn man es verkauft als Nachhaltigkeitsleistung. Und das steckt natürlich in den Namen dieser Standards drin. Also könnte man den Anspruch ableiten, naja, wenn ich über den DNK oder wenn ich über die ESS berichte, sage ich doch was zur Nachhaltigkeit. Und das ist eben der Trugschluss an

Ralph Thurm [01:05:29]:

Zackes Brustik [01:05:50]:

Zackes Brustik [01:05:50]: der ganzen Sache. Das ist einfach nicht so. Aber Reporting an sich ein sinnvoller Schritt, würde ich unternehmen.

Zackes Brustik [01:05:50]:

Ralph Thurm [01:05:55]:

Ralph Thurm [01:05:55]: Natürlich. Ich meine, wenn du es dir nochmal anschaust, alles, was diese Standards leisten, ist notwendig als Zählerinformation in diesem Nachhaltigkeitsindikator. Was fehlt, ist der Nenner. Und das ist genau das, was die UNSDPI mit hineinbringen. Und in der Anwendung lassen sie dann auch tatsächlich Aussagen über Nachhaltigkeit zu.

Ralph Thurm [01:05:55]:

Zackes Brustik [01:06:15]:

Zackes Brustik [01:06:15]: Da schließt sich wieder der Kreis zu all dem, was du am Anfang besprochen hast. Das ist schon eine Folge, die deutlich länger ist als alle anderen. Die ist aber auch wert, weil dieses Zeitlimit zu überschreiben, weil es einfach sehr, sehr in die Tiefe geht. Zum Schluss wirklich noch die strategische Anwendung davon, weil ja das entscheidende ist, kann jemand, der zuhört, das in seinem Unternehmen tatsächlich umsetzen oder müsste eigentlich sagen, nee, ich gehe hier raus, mache was ganz anderes. Und ich hoffe, ersteres ist die Antwort. Das heißt, wenn ich in einem durchschnittlichen deutschen Mittelständler arbeite, was mache ich mit all dem, was ich gerade von Ralf zu hören bekommen habe. Also gibt es Mittelständler hier, die das tatsächlich in irgendeiner Weise konstruktiv anwenden können und gleichzeitig noch im Markt sind und es sich leisten können zu existieren, ihre Mitarbeitenden zu bezahlen und nicht einfach die Türen schließen müssen?

Zackes Brustik [01:06:15]:

Ralph Thurm [01:06:59]:

Ralph Thurm [01:06:59]: Naja, wir leben natürlich in diesem Spannungsfeld zwischen bestehenden Businessmodellen und nachhaltigen Businessmodellen. Und der Nachweis muss ja gebracht werden. Und wir können uns darauf einigen, dass wahrscheinlich ganz einfach aufgrund des ökonomischen Systemgefüges fast alle Unternehmen in gewisser Art und Weise nicht nachhaltig sind. Selbst ich bin nicht nachhaltig in vielen Dingen, in denen ich tue, aber ich bemühe mich, nachhaltig zu sein. Die Frage ist, wie gehe ich dieses Thema an, welches Anspruchsniveau habe ich? Und bin ich auch tatsächlich in der Lage einfach zuzugeben, dass ich auf der jetzigen Art und Weise, mit der ich mit Ressourcen umgehe, mit Menschen umgehe, im Wettbewerb stehe, eigentlich so vielen Zwängen unterliege, wirklich nicht in der Tat nachhaltig sein zu können. Und dann ergibt sich eben die Frage, was bedeutet das im Rahmen eines Kollepses? Was bedeutet das für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und welche Dinge kann ich verändern? Und ich will nicht ausschließen, dass es Unternehmen oder selbst ganze Branchen gibt, die eigentlich aufgrund ihrer Nichtnachhaltigkeit eigentlich, abgesehen vom Kundenwunsch, keine Daseinsberechtigung haben.

Ralph Thurm [01:06:59]:

Zackes Brustik [01:08:08]:

Zackes Brustik [01:08:08]: Lassen wir mal so stehen. Die Frage ist, wenn Unternehmen die Nachhaltigkeitsberechtigung haben wollen, also du hast wirklich ein ganz konkretes Beispiel von Unternehmen A, B oder C, das wir alle kennen, beschäftigt sich damit und findet teilweise Antworten. Das eine, was du gesagt hast, ist ja einfach sich ehrlich zu machen und sagen, wie es ist. Und das andere ist zu gucken, wie geht es von hier aus vorwärts. Also kennst du Unternehmen, die konkrete Schritte daraus abgeleitet haben Und welche sind das?

Zackes Brustik [01:08:08]:

Ralph Thurm [01:08:31]:

Ralph Thurm [01:08:31]: Also wir haben zum Beispiel intensiv mit der GLS Bank gearbeitet. Die GLS Bank ist natürlich von Grund auf eine Bank, die sich als nachhaltige Bank versteht. Aber auch vor der Herausforderung stand zu sagen, ja sind wir denn wirklich nachhaltig unterwegs? Wie können wir sozusagen den Beweis antreten, dass wir mit dem, was wir tun, nicht nur als Bankhaus, sondern eben auch im Rahmen unseres Geschäfts Nachhaltigkeit befördern zu können. Und die GLS Bank war eines dieser Pilotprojektunternehmen, das teilgenommen hat an der Studie zu den UNS DPI und dann auch das gleich aufgegriffen haben für ihre Art von Nachhaltigkeitsberichterstattung. Es hat dazu geführt, dass man sich über die verschiedenen Kapitalien, die man nutzt, einig geworden ist. Man hat die unterteilt in verschiedene sogenannte Stocks und Flows. Mit was arbeitet man, an welchen Flow erzeugt man. Damit die Frage gestellt, ist dieser Flow, den wir erzeugen, im Rahmen unserer Schwellenwerte und unserer Allokationen.

Ralph Thurm [01:08:31]:

Ralph Thurm [01:09:29]:

Ralph Thurm [01:09:29]: Also ein Unternehmen stellt sich damit Budgets für all diese Ressourcenentnahmen und untersucht dann noch die Frage, inwiefern sind wir das selber oder inwiefern sind wir von außen getrieben? Was auch da wieder die Frage von outside in und inside out. Daraus ergibt sich so eine Art Clusterung oder so eine Art Unternehmensprofil, das dir sozusagen dann aufzeigt, okay und was muss ich jetzt messen, darüber dann auch wirklich eine Nachhaltigkeitsaussage machen zu lassen. Das hat die GLS Bank gemacht und kann auf vielen Teilgebieten eben darauf verweisen, dass sie sich im Rahmen ihrer Schwellenwerte befinden oder im Rahmen der Carrying Capacities. Die Herausforderung, die für ein Unternehmen wie die GLS Bank besteht, ist, wie werde ich dieses Wissen jetzt dann letztendlich auch in mein Kerngeschäft einarbeiten, im Hinblick auf die Geschäftsfelder, in denen sie tätig ist. Das sind sechs, die sowieso schon unter dem Oberbegriff nachhaltige Industrien zu sehen sind, aber auch dort letztendlich für den Kunden einen Mehrwert bringen sollen, wenn sie sozusagen eine Kreditvergabe-Entscheidung machen. Und inwiefern da sozusagen auch Umfeldbedingungen wie der Nachhaltigkeitskontext mitgenommen werden, dann dem Kunden sozusagen auch noch nicht nur Geld zur Verfügung zu stellen, sondern sozusagen auch als Geschäftspartner zur Verfügung zu stehen. Da geht man dann wirklich die Stufe ins Kerngeschäft hinein. Das ist eine Aufgabe, die jetzt zu bewältigen ist.

Ralph Thurm [01:09:29]:

Ralph Thurm [01:10:55]:

Ralph Thurm [01:10:55]: Und so versuchen Unternehmen wie die KLS Bank, denke ich, sich dann auch zukunftssicherer zu machen. Und das eigene Risiko zu senken und in der Art und Weise dann eben zu versuchen, einen Beitrag zu leisten, wohl wissend, dass auch Sie Teil eines nicht nachhaltigen Industriezweiges sind. Und dann ist eben die Frage, okay, Was können dann andere aus dieser Industrie von der GLS Bank lernen? Versperren sie sich diesen Erkenntnissen? Dann sind sie auf einer Seite der Geschichte, die wahrscheinlich eher auf dem absteigenden Ast sich befindet. Oder kann man Dinge daraus lernen? Und für uns im Rahmen der Berichterstattung fragen wir uns immer, welche Wirkung soll Berichterstattung haben? Sie soll ja auf der einen Seite nicht nur Auskunft über den Grad der Nachhaltigkeit geben, sondern sie soll uns auch ermuntern, andere mitzunehmen auf die Reise durch Bildung, die man verschaffen kann, durch Kollaboration, die man machen kann und dann eben auch für die notwendige, ja wenn nicht, das Advocation gegenüber Veränderungen auf Industrieebene und dann vielleicht auch auf makroökonomischer Ebene.

Ralph Thurm [01:10:55]:

Zackes Brustik [01:11:58]:

Zackes Brustik [01:11:58]: Also das war einfach wichtig zu hören, dass es reale Unternehmen gibt, die mit dem arbeiten, was ihr euch da ausgedacht habt, die natürlich, wie du auch sagst, einfach dabei sind, das noch zu verproben, zu vertesten, zu schauen, was es bedeutet und damit auch noch nicht den heiligen Kral gefunden haben. Also ich glaube, man muss einfach ehrlich sein, man tut, was man kann. Aus der richtigen Haltung heraus bemüht zu schauen, Lösungen zu finden, für die es aktuell noch keine Lösungen gab, aber an denen man munter und zuversichtlich arbeitet. Ich muss ehrlich sagen, eigentlich hätte ich noch eine Menge Fragen, aber wir sind natürlich schon deutlich über der Zeit, was kein Wunder ist, denn das wäre natürlich locker ein Thema, was man in der ganzen Staffel aufarbeiten kann, zu jeweils den einzelnen Themen nochmal in die Tiefe gehend. Wer daher noch viel tiefer einsteigen will, dem empfehle ich unbedingt dein Newsletter auf LinkedIn, The Lighthouse Keeper. Einfach Ralf Turm auf LinkedIn adden, Ralf mit PH, Turm mit TH, einfach zu merken. Abonniert sein LinkedIn Newsletter The Lighthouse Keeper, da geht Ralf wirklich extrem tief und detailliert immer in einzelnen guten Artikeln in all diese verschiedenen Themen, die wir angesprochen haben, ein und ist wirklich damit sehr pragmatisch, sehr bodenständig. Also all das, was selbst jetzt irgendwie auf großen Diskussionen, was irgendwie die ökonomischen Theorien oder so angeht, wird wirklich runtergebrochen.

Zackes Brustik [01:11:58]:

Zackes Brustik [01:13:14]:

Zackes Brustik [01:13:14]: Was bedeutet das ganz konkret für eure Arbeit als Sustainability Professionals in Unternehmen mit superspannenden Blueprints, mit Templates, mit konstruktiven Fragestellungen, das in die eigene Arbeit zu übersetzen. Kann ich euch nur empfehlen. Ralf, wie geht es von hier aus weiter?

Zackes Brustik [01:13:14]:

Ralph Thurm [01:13:30]:

Ralph Thurm [01:13:30]: Wir haben uns diesem Thema verschrieben. Wir wissen, dass uns das den Rest unseres Lebens, vielleicht nicht nur Berufslebens, sondern auch Privatlebens beschäftigen wird. Wir haben, die meisten von uns haben Kinder, sogar auch schon Enkel. Und jedes Mal, wenn ich in das Gesicht meines ersten Enkels gucke, denke ich mir, na, in welche Welt wirst du hineinwachsen? Und welchen Beitrag kann ich dazu leisten, das im Sinne von Intergenerational Equity so lebenswert zu machen, wie es eben einfach nur geht? Das ist einfach eine Aufgabe, die ich mir gesetzt habe. Wir titulieren uns als sogenannte positive Mavericks. Ja, wir sind uns vollkommen klar im Klaren darüber, dass das ja eine Mammutaufgabe ist, die wir auch wir nicht alleine schaffen können. Wir wissen, dass wir einen Beitrag dazu leisten können. Wir glauben aber auch an Tipping Points.

Ralph Thurm [01:13:30]:

Ralph Thurm [01:14:20]:

Ralph Thurm [01:14:20]: Und wir haben gerade in unseren Konferenzen im letzten Jahr und dieses Jahr wieder weiter sehr stark über positive Social Tipping Points geredet und werden das auch weiterführen, weil wir eben auch der Meinung sind, diese Tipping Points kann es geben. Ja, es braucht 10 bis 20 Prozent der globalen Bevölkerung, diese Tipping Points zu erreichen. Wir kennen das negativ, sind da auch sehr besorgt im Hinblick auf die politischen Richtungswechsel, die wir sehen. Aber das Ganze gibt es auch auf der positiven Seite. Und in dem Zusammenhang, ja, Ideen anzubieten, in der Diskussion beizutragen, sozusagen Informationsinfrastruktur gerüst zu liefern, dass sich alle letztendlich andienen können. All die Dinge, die wir tun, sind globale öffentliche Güter. Dann können bei uns auf der Webseite runtergeladen werden. Ihr müsst nicht mal eine E-Mail-Adresse hinterlassen.

Ralph Thurm [01:14:20]:

Ralph Thurm [01:15:16]:

Ralph Thurm [01:15:16]: Macht's einfach. Diese Dinge stehen zur Verfügung. Dann sehen wir, dass sich daraus Dinge entwickeln. Also wir bezeichnen uns auch als pre-competitive and market-making. Und wir sehen, dass über unsere Advocation-Partner, die wir haben, sind über 130 an der Zahl, sich in der Zwischenzeit immer mehr auch Gedanken machen über, was kann ich anbieten, wie kann ich Teil der Lösung sein. Und das ist schön zu sehen und ist auch eine tolle Zusammenarbeit und gibt mir einfach die Gewissheit, dass ich für mich sicherstelle, dass ich kein zynisches Arschloch werde.

Ralph Thurm [01:15:16]:

Zackes Brustik [01:15:50]:

Zackes Brustik [01:15:50]: Wunderbares Schlusswort. Ich habe ja gesagt, das wird eine Folge mit einem absoluten Pionier und ich finde, das ist jetzt gerade noch mal klar geworden. Du warst lange Pionier in allem, was sich entwickelt hat in den letzten, wie du gesagt hast, fast drei Jahrzehnten der Nachhaltigkeit, nicht nur Berichterstattung, sondern auch des Anwendendes und der transformativen Bedeutung davon. Und du bist jetzt gerade immer noch Pionier. Eben einer der Menschen, wo man sich fragt, was macht er da? Ist das naiv? Wo sich die Früchte der Arbeit eben erst mit der Zeit herauskristallisieren und es eben Sinn macht, genau solchen Menschen zu folgen und zu schauen, wo die sich hinbewegen, weil sich da vielleicht schon tatsächlich Antworten für die großen Fragen unserer Zeit ergeben. Und dass entstehen diese Antworten, live mitverfolgen können und Teil dessen sein können. In dem Sinne war mir das wirklich ein Fest, das so hautnah miterleben zu können. Vielen Dank dir, Ralf.

Zackes Brustik [01:15:50]:

Ralph Thurm [01:16:37]:

Ralph Thurm [01:16:37]: Sehr gerne.

Ralph Thurm [01:16:37]:

Zackes Brustik [01:16:39]:

Zackes Brustik [01:16:39]: Was für eine Ehre, dass ihr bis zum Schluss mit an Bord wart. Keine der nächsten Folgen zu verpassen, jetzt am besten schnell noch auf Abo in eurer Podcast-App klicken. Wenn ihr richtig cool seid, auch noch eine Bewertung hinterlassen. Und dann freue ich mich natürlich, wenn ihr euch mit mir auf LinkedIn vernetzt, damit wir dort die Themen noch weiter diskutieren können. Ich freue mich schon, euch beim nächsten Mal wieder mit an Bord zu haben. Untertitel im Auftrag des ZDF, 2021

Kommentare (1)

Iris F.

Ganz toller Podcast mit hoch interessanten Interviewpartnern. Jedes Mal spannend und hörenswert.

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