#51 Die Green Claims Directive: Greenwashing-Beispiele & gute Nachhaltigkeitskommunikation. (Re-Run) I Mit Anja Schröder

Shownotes

Nestlé, Absolut Wodka oder H&M - sie alle eint eines: perfides Greenwashing. Dagegen geht die EU nun vor. Aber was unterscheidet gute Nachhaltigkeitskommunikation von Greenwashing? In dieser Folge verrät mir eine Expertin anhand von konkreten Markenbeispielen die gängigsten Greenwashing-Strategien und wie die Green Claims Directive damit aufräumen wird.


Re-Run: Gewinne Zukunft ist zwei Wochen Pfingstpause. Daher gibt es die Wiederholung einer der erfolgreichsten Episoden bisher. Wer im Unternehmen an der Nachhaltigkeitsstrategie oder Nachhaltigkeitskommunikation arbeitet, kommt an dieser Folge nicht vorbei.

Mit dieser Podcast-Folge steigst Du tief und gründlich in das Thema Nachhaltigkeitskommunikation ein. Sie gliedert sich in drei Teile:

✅ Beispiele: So sieht Greenwashing aktuell aus.

✅ Deep Dive: Das bedeutet die Green Claims Directive für Unternehmen.

✅ So geht gute Nachhaltigkeitskommunikation.

Verstehe, wie sich die Green Claims Directive im Kontext von z.B. dem EU Green Deal, der CSRD, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz oder der EU-Taxonomie einordnet. Verstehe die Kernpunkte der Green Claims Directive:

➡️ Materiality ➡️ Completeness ➡️ Verification

Ein absoluter Deep Dive für alle Sustainability und Marketing Professionals. Mit vielen praktischen Beispielen! 💎

Anja Schröder ist Expertin für Nachhaltigkeitskommunikation und unterstützt aktuell am Transfercenter TRACES der Universität Stuttgart das Projekt Startup Campus 0711. Sie hat sich für mich durch die 300 Seiten Richtungsentwurf gelesen und erklärt mit detailliert, auf was sich Marketingabteilungen und Unternehmen einstellen müssen. Hier gehts zu Anjas einmaligen 'Werbung aus Absurdistan' Posts: 🔗 https://www.linkedin.com/in/anja-schroeder-sustainability-rules-my-world/

Über den Podcast-Host: Zackes Brustik spricht in jeder Folge mit den wegweisenden Pionieren und Expert*innen über die aktuell wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen. Von Herausforderungen in der Lieferkette, dem Erstellen einer Klimabilanz, eines Nachhaltigkeitsberichtes oder ordentlichem Off-Setting – alle Themen der Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität kommen hier auf den Tisch.

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Transkript anzeigen

Anja Schröder: Ein Großkonzern wie Nestlé hat garantiert das Budget, sich ordentlich auszustatten mit Agenturleistung. Die Frage ist eher, wird den Menschen mit der Nachhaltigkeitskompetenz auf Unternehmens- oder Agenturseite auch der Raum gegeben, die Stimme zu erheben und sie dann in diese Prozesse der Kommunikation einzubringen. Und das ist eben ganz oft nicht der Fall. Die sind zwar Teil des Teams oder stehen am Rand, Aber haben sie ein Vetorecht, dürfen sie sagen, das machen wir so nicht, weil das ist Greenwashing. Ich glaube, so weit sind viele dieser Kommunikationsprozesse bei kleinen Unternehmen und auch bei Großkonzernen noch nicht und das wird sich ändern.

Zackes Brustik: Das große Fürchten geht Die einen fragen sich, werden wir jetzt für unsere Nachhaltigkeitsversprechen komplett auseinandergenommen? Die anderen hoffen, dass sie mit ihrer wirklich wichtigen und grundlegenden Nachhaltigkeitsarbeit endlich zu den Kunden durchdringen und dafür gewürdigt werden. Die EU arbeitet an der Green Claims Directive und die hat es durchaus in sich. In dieser Folge tauchen wir tief ein in das Minenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation. Und damit herzlich willkommen zu Gewinner Zukunft, der Podcast für alle Professionals, die Nachhaltigkeit leidenschaftlich und gründlich umsetzen wollen. Mein Name ist Zakkes und ich freue mich, dass du mit an Bord bist. Das wird übrigens die letzte Folge vor der Sommerpause. Ich werde knapp 3-4 Wochen aussetzen, Also am besten jetzt direkt den Podcast in eurer App abonnieren und dann seid ihr alle mit dabei, wenn die Staffel 3 Mitte August wieder startet. Ja, Nachhaltigkeit und die Green Claims Directive.

Zackes Brustik: Und hier die richtige Orientierung zu bekommen, habe ich extra eine Nachhaltigkeitskommunikationsexpertin in den Podcast eingeladen, Anja Schröder. Sie macht nichts anderes seit 30 Jahren als Nachhaltigkeitskommunikation, hat zum Beispiel lange die strategische Kommunikation für Umwelttechnik BW gemacht, ist jetzt an der Uni Stuttgart im Bereich Entrepreneurship und darüber hinaus extrem leidenschaftlich im Einsatz für Sustainability Literacy. Ich zum Beispiel feiere jede Woche ihre LinkedIn-Posting-Reihe Neues aus Absurdistan, wo sie sich Produkte aus dem Supermarkt nimmt und wirklich ganz detailliert durchgeht, was das Produkt verspricht und was sich dahinter an Schritten und Nachhaltigkeitsbemühungen wirklich belegen oder nachvollziehen lässt. Ich habe sie gebeten, dass sie sich für mich wirklich durch die 300 Seiten Richtungsvorschlag der Green Claims Directive durchfühlt und es für mich aus Sicht der Nachhaltigkeitskommunikation einordnet. Was kommt auf euch mit euren Unternehmen zu? Was sind die dreistesten und perfidesten Greenwashing-Beispiele ganz konkret an Marken festgemacht? Und natürlich, was sind die positiven Gegenbeispiele? Wie könnt ihr das richtig machen? Und damit herzlich willkommen Anja.

Anja Schröder: Vielen Dank für die Einladung.

Zackes Brustik: Also Anja, du steckst nicht nur unglaublich viel persönliche Zeit wirklich in zum Beispiel deinen LinkedIn-Content und ich weiß wie viel Arbeit das ist, wirklich komplexe Themen so runterzudampfen und in wenigen Sätzen rüberzubringen. Du hast jetzt auch noch schon in der Kommunikation gearbeitet bei Umwelttechnik BW, bist jetzt aber ans Entrepreneurship-Zentrum von der Uni Stuttgart gewechselt zu den jungen, teilweise grünen Start-ups. Warum nochmal der Wechsel?

Anja Schröder: Ich habe jetzt noch, wenn ich mit 67 in Rente gehen darf, zwölf Jahre vor mir und ich wollte nach dem großen gesellschaftlichen Pivot Jahr 2019 selber noch einmal mehr Impact generieren und ich bin der Meinung, das geht am besten an den Unternehmen dran Und ich glaube, dass die jungen Unternehmen, die aus Universitäten und Hochschulen kommen, wie bei uns am Startup Campus 0711, das Potenzial haben, die Transformation der Wirtschaft, die wir wirklich brauchen, maximal zu beschleunigen.

Zackes Brustik: Also das heißt, du hast wirklich für dich entschieden, Ich will nicht nur im richtigen Bereich arbeiten, sondern auch einen Schritt weitergehen und echten Impact erzeugen. Ist ein spannendes Theme sozusagen, das sich durchzieht. Das war auch in der vorletzten Folge von Nico Tucher, der ja schon Solarforscher war und dann gesagt hat, das reicht mir nicht. Ich will noch mehr Impact und ich will eine nicht nachhaltige Branche transformieren. Also spannend, finde ich, aus der menschlichen Perspektive.

Anja Schröder: Wenn du siehst, dass ich den Vorläufer von Umweltwissenschaften mal studiert habe in grauer Vorzeit und dann viele, viele Jahrzehnte Kommunikation gemacht habe, dann ist das, was ich im LinkedIn-Kanal tue, eigentlich auch Impact. Weil das, was am Point of Sale da, wo wir alle einkaufen, passiert, meiner Meinung nach nicht ordentlich und nicht korrekt läuft, was Nachhaltigkeitsthemen angeht. Und ich versuche mit meinen Posts ein bisschen Licht in das Dunkel zu bringen, ein bisschen mehr Information in diese Entscheidungsprozesse zu bringen, eigentlich das, was auch die EU mit der Green Claims Directive anstrebt, nahbar und anfassbar zu machen.

Zackes Brustik: Und ich muss sagen, ich mache ja nichts anderes als Nachhaltigkeit. Ich darf die ganze Zeit mit Menschen wie dir sprechen und selbst ich stehe im Supermarktregal vor diesen ganzen Produkten, die allerlei versprechen und kann überhaupt nicht einschätzen, wo was von dir dahinter ist und wo nicht. Und damit kommen wir schon zur Einflugschneise zur Green Claims Directive. Die gibt es ja nicht umsonst. Sie ist bitter notwendig, weil eben da draußen einfach sehr viel Schindluder getrieben wird. Und bevor wir wirklich tief eintauchen, was die GCD ganz konkret bedeutet, was sie beinhaltet und worauf man sich einstellen muss, Das große Warum braucht es sie überhaupt? Aus deiner Sicht, was sind aktuell die jüngsten, dreistesten Greenwashing-Beispiele oder perfidesten Strategien, selbst aware Consumer wie mich nochmal in die Irre zu führen.

Anja Schröder: Also die ganz dicken Dinger, die gibt es eigentlich nicht mehr, weil das Wettbewerbsrecht auch in den letzten Jahren im Bereich irreführender Werbung schon einige dieser Claims abgeräumt hat. Das Greenwashing verschiebt sich so ein bisschen ins Subtile. Und wenn man diese Fälle aufbohrt, ist es ganz oft so, dass es gar nicht das Produkt oder das Unternehmen oder die Produktion ist, sondern das, was am Ende in der Kommunikation landet, das ist einfach schräg, das ist verschoben und das ist nicht in Ordnung. Aktuelle Beispiele dafür sind zum Beispiel Absolut Vodka. Die Firma hat gerade verkündet, dass sie den Vodka jetzt in einer Papierflasche verkaufen wird und damit x Prozent Carbon Footprint einspart. Dahinter liegt natürlich der Fakt, dass die Transportkosten oder der Carbon Footprint des Transports sich minimiert, also der Logistik-Carbon Footprint kleiner wird, wenn man weniger Gewicht transportiert. Und diese Papierflasche wiegt natürlich viel weniger als Glas. Auf der anderen Seite dann aber zu sagen, dass die Verpackung die nachhaltigere Verpackung ist, am Point of Sale, verwässert die eigentliche Argumentation, weil dann glauben die KonsumentInnen, die Verpackung, weil sie aus Papier ist, ist gut.

Anja Schröder: Die Verpackung ist aber ja gar nicht 100% aus Papier, sondern innen drin gibt es eine Beschichtung, einen Durchfeuchtungsschutz, sonst würde das nicht funktionieren. Und durch Diese Beschichtung wird aus diesen ganzen Verpackungen, die außen aussehen wie Papier und innen aber beschichtet sind, Komposite. Und Komposite sind nicht rezyklierbar aktuell. Das heißt, aus dem Glas, das schwer ist und einen Transport-Carbon-Footprint hat, das aber rezyklierbar ist, wird ein leichteres Material, das einen geringeren Carbon-Footprint hat im Transport, das aber nicht zirkulär laufen kann. Dann darf man eigentlich nicht die Verpackung als solche nachhaltiger kommunizieren, ohne dass man den eigentlichen Grund, warum man auf dieses Verpackungsmaterial gewechselt ist, mitliefert.

Zackes Brustik: Die Dinge, die ich da heraushöre, das Ganze, das habe ich jetzt auch bei dir schon gelernt, ist, du bezeichnest das als Mimicry für mich, als Verbraucher von außen. Sieht das aus wie ein nachhaltiges Produkt? Fühlt sich auch schön an, Papier wahrscheinlich noch eine freundliche Farbe und ich denke hier kann ich sorgenlos zugreifen. Dann kommt noch eine andere Ebene hinzu und das muss man ja auch durchaus einräumen. Nachhaltigkeit ist extrem komplex und Unternehmen müssen abwägen, optimiere ich den Logistik-Footprint, optimiere ich die Verbrennung, weil recycelt wird de facto weltweit eigentlich nicht. Das heißt, maximal im Schnitt 8% landen im Recycling, der Rest wird verbrannt, verbuddelt, landet im Meer. Also kann man durchaus legitim sagen, wir optimieren für das aktuell bestehende System global als Marke, aber dann muss man es auch genau so kommunizieren. Ich glaube, das ist der große Unterschied und genau darum wird sich die ganze Folge immer wieder drehen und dass das positiv geht und man durchaus auch als globales Corporate für alle Märkte eine richtige Lösung finden wird, das werden wir im zweiten Drittel besprechen. Ich mache mal den Suspense auf, weil ich weiß, du hast noch super viele Positivbeispiele, auch von großen Discountern, wie zum Beispiel der Schwarzgruppe, aber das parken wir kurz.

Zackes Brustik: Erstmal sammeln wir noch weitere dreiste Beispiele.

Anja Schröder: Ein schönes weiteres dreistes Beispiel ist Nestlé. Die bringen jetzt in einem Piloten eine Papierverpackung von KitKat in Australien auf den Markt. Das wurde auch über LinkedIn promotet. Im Zuge der Nachhaltigkeitsbemühungen, Carbon Dioxid einzusparen und auch Plastik einzusparen, würde man jetzt eine Papierverpackung ausprobieren. Und man muss ein bisschen wirklich, man muss genau lesen. Man muss wirklich lesen, was da steht und dann auch überlegen, was sagen die mir eigentlich und was wollen sie mir sagen, ohne dass sie mir das sagen oder was dekodiere ich, was da aber gar nicht drin steht. Weil wenn da steht eine Papierverpackung, dann gehe ich davon aus, das ist 100 Prozent Papier. Unter diesem Post zu der 100 Prozent Papierverpackung entspannt sich dann eine Diskussion, wo gleich gefragt wurde, ist es denn wirklich 100 Prozent Papier, weil KitKat ist Schokolade und Schokolade braucht einen bestimmten Schutz, Da reicht reines Papier nicht aus.

Anja Schröder: Das Community-Management-Team von Nestlé hat erst mal geantwortet, klar, es ist 100 % Papier. Und dann wurde gleich geantwortet von einem anderen Poster, es ist nicht 100 % Papier, weil im Kleingedruckten in eurem Material sagt ihr, das ist ja innen beschichtet mit einer Folie. Und Ende des Lieds ist, auch diese Verpackung, die ist nicht Papier, sondern sie ist folienbeschichtet. Damit kann sie nicht rezykliert werden, sie wird in der Verbrennung landen. Manchmal ist es nur das eine Wort, das man verdrehen muss oder ändern muss. Hätte Nestlé gesagt, es ist paper-based, also der Hauptanteil der Verpackung besteht aus Papier, dann wäre es zumindest richtig gewesen. Aber zu sagen, es ist eine Papierverpackung, ist nicht korrekt. Und dann bist du an dem Punkt der Sustainability Mimicry.

Anja Schröder: Das kommt aus der Biologie, das ist eine Scheinwahntracht. Man tut also so, als sei man nachhaltiger, als man wirklich ist. Und das ist nicht fair, das ist am Point of Sale nicht fair, weil du hast es vorhin genau gesagt. Kaufende entscheiden aufgrund von Emotionen, von Gefühlen, die sie verarbeiten im Unterbewusstsein. Das sind 90 Prozent der Kaufprozesse laufen in der Vorbereitung unterbewusst ab. Das weißt du gar nicht. Und wenn du dann am Point of Sale stehst, wird eigentlich nur noch das Ergebnis der Abwägung der unterschiedlichen Emotionen in deinem Unterbewusstsein an den neofrontalen Kortex durchgeschickt und gesagt kaufen Ja oder kaufen Nein. Und diese Summierung von Triggern, das ist Papier und das sieht natürlich aus und da sind grüne Blätter drauf und da steht ICO drauf, das macht Kommunikation irreführend.

Anja Schröder: Und dagegen geht die Green Claims Directive vor.

Zackes Brustik: Bevor ich gleich mit Anja noch tiefer ins Thema einsteige, gibt es in unter 60 Sekunden einen Einblick in ein zur Folge passendes Sustainability Offering von meinem Missions- und Werbepartner IBM. Das B2B Fashion Label Kaya und Kato stand vor einem riesigen Problem. Eigentlich sind sie gestartet, wirklich nachhaltige Arbeitskleidung in den Markt zu bringen. Zum Beispiel Schürzen, Kochjacken, Hemden und Hosen. Dafür achten sie wirklich peinlich genau auf alle Arbeitsschritte und haben alles durch geprüfte Zertifikate belegt. Das große Problem allerdings, die Fashion-Industrie ist wirklich noch der wilde Westen. Hier kann fast jeder fast alles behaupten. Wie also sich durchsetzen und den KundInnen glaubhaft kommunizieren, dass sie hier bei Kaya und Kato wirklich richtig sind.

Zackes Brustik: Gemeinsam mit ihrem Zulieferer Cotoner und IBM haben sie sich an einen Tisch gesetzt und die Blockchain-basierte Plattform Textile Trust entwickelt. Mit einer einfachen App kann Kaya und Kato nun lückenlos vom Anbau in Uganda bis hin zur Distribution in Deutschland alle Arbeitsschritte fälschungssicher dokumentieren. Mehr zur Textil Trust Plattform und IBM über den Link in den Shownotes oder auf LinkedIn von Sustainability Specialist Oliver Gahr. Und jetzt zurück zu Anja. Und das, was du alles gerade beschrieben hast, hat ja wirklich fatale Auswirkungen. Ich habe jetzt gerade nicht die exakte Zahl im Kopf, aber ich habe vor ein paar Monaten gelesen, dass wirklich das Vertrauen von Konsumenten in Marken auf dem Tiefstand ist aller Zeiten. Ich glaube nur noch 20 Prozent der Konsumenten vertrauen Marken wirklich in Bezug auf ihre Aussagen oder umweltbezogenen Aussagen. Das heißt, es ist ja eigentlich auch ein Schuss ins Knie, der nach hinten losgeht.

Zackes Brustik: Bevor wir zur GCD kommen, noch ganz schnell, gibt es irgendwie so eine Handregel, so der Top 5, Top 6 Greenwashing-Strategien?

Anja Schröder: Du meinst, wie man sich gut aufstellen soll oder wie man sich selber überprüfen kann, dass man da gerade Bullshit erzählt?

Zackes Brustik: Wie man sich selbst überprüfen kann, weil ich find ja auch spannend, gerade bei dem Nestlé-Beispiel ist ja oft, glaub ich, wahrscheinlich auch ein Mangel an Prozessen dahinter. Also, wenn Social Media antwortet jetzt bei Nestlé in der Diskussion, dann ist das ja wahrscheinlich eine Agentur, die eine Agentur zuarbeitet, die Nestle zuarbeitet und bei Nestle dem Marketing und nicht der Nachhaltigkeitsabteilung. Das heißt, es ist ein langer, langer Weg, bis die Person, die tatsächlich auf die Kommentare antwortet, die richtigen Informationen an der Hand hat. Und ich kann mir vorstellen, dass manche Unternehmen einfach noch nicht effektiv genug aufgestellt sind. Das heißt, selbst wenn ich jetzt im Marketing bin, schnell reagieren muss, ohne jetzt an meine ExpertIn im Unternehmen ranzukommen, wie kann ich mich da orientieren?

Anja Schröder: Also erstmal ein Großkonzern wie Nestlé hat garantiert das Budget, sich ordentlich auszustatten mit Agenturleistung. Die Frage ist eher, wird den Menschen mit der Nachhaltigkeitskompetenz auf Unternehmens- oder Agenturseite auch der Raum gegeben, die Stimme zu erheben und sie dann in diese Prozesse der Kommunikation einzubringen? Und das ist eben ganz oft nicht der Fall. Die sind zwar Teil des Teams oder stehen am Rand, aber haben sie ein Vetorecht, dürfen sie sagen, das machen wir so nicht, weil das ist Greenwashing. Ich glaube, so weit sind viele dieser Kommunikationsprozesse bei kleinen Unternehmen und auch bei Großkonzernen noch nicht. Und das wird sich ändern. Sin of hidden trade-off, also versteckte Zielkonflikte. Die Umweltaussage bezieht sich zum Beispiel nur auf einen kleinen Teil des Produkts, impliziert aber oder suggeriert aber, dass das ganze Produkt gut ist. Zum Beispiel, wenn du sagst, das Papier kommt aus einem zertifizierten Forst, hast du noch keine Aussage darüber getroffen, wie dann aus dem Baum oder aus dem Forst das Papier hergestellt wurde.

Anja Schröder: Und die Art der Papierherstellung und des Marketings des Papiers oder die Verbreitung des Papiers, Chemiebleichen und so weiter. Das nimmt ja alles Einfluss auf das Endprodukt. Und wenn du dann sagst, das kommt aus zertifiziertem Forst und hebst das hervor, dann eignest du dir eigentlich Umweltleistungen an, die für dein Produkt am Ende gar nicht gelten. Next, Sin of no proof. Du behauptest einfach was und lieferst überhaupt keine Beweise dafür. Zum Beispiel, wenn da drauf steht, wurde hergestellt ohne Tierversuche und selbst der beste Konsument und die beste Konsumentin, die versucht es zu recherchieren, ob das wirklich stimmt, kriegt keine Informationen. Das ist Sin of No Proof, sollte man nicht machen. Auch sehr schön Sin of Vagueness, das ist das, was uns die letzten Jahre begleitet hat, das ist die Sünde der Unschärfe.

Anja Schröder: Man kann ja dann mal so allgemein was daherschwallern und sagen, wir sind jetzt eco-friendly und wir sind jetzt green. Und im Kopf der KonsumentInnen werden diese wackeligen Aussagen eben zu positiven Bildern zusammengebaut und beeinflussen eine Kaufentscheidung. Wenn das nicht belegbar ist, ist das auch eine Sünde. In der Unschärfe können Sachen ausgesagt werden, die dann völlig falsch sind. Wenn auf einem Lebensmittel steht, nur natürliche Inhaltsstoffe. Arsen oder Formaldehyd sind auch natürliche Inhaltsstoffe. Lebensmittel möchte ich die nicht haben.

Zackes Brustik: Da fällt mir ein Beispiel ein, dass in Zukunft nicht nur in den Niederlanden passieren wird. EU-weit wurden H&M und Decathlon vor einem Dreivierteljahr von den niederländischen Behörden abgemahnt, weil sie mir Labels geworben haben wie Eco-conscious oder Eco-ware, die eben mir suggerieren, dahinter stecken wirklich Nachhaltigkeitsbemühungen. De facto haben die Behörden geschaut, was ist denn da vorhanden? Da war nichts vorhanden. Dann mussten sich Dekathlon und H&M beide in der Höhe von 400.000 Euro Strafzahlung einigen. Und die Green Claims Directive, wenn sie so kommt, wird dann in zwei Jahren dafür sorgen, dass dieser Fall nicht nur in Niederlanden passiert, sondern europaweit im besten Fall. Aber machen wir noch schnell die 4, 5 und 6 im Schnelldurchlauf.

Anja Schröder: Ganz schnell zu deinem Beispiel. Also nichts dahinter war ja gar nicht richtig. Also diese Linien mit Eco-Ware oder Conscious-Ware, die waren durchaus besser als das Standardsegment dieser beiden Anbieter, aber ebenso unwesentlich besser, dass das eigentlich nicht fair war, das auszuzeichnen als besonders eco oder besonders conscious. Also es ist nicht so, Diese ganz platten Dinger, die passieren eigentlich nicht mehr. Aber Wesentlichkeit ist ein ganz großer Punkt, da kommen wir bestimmt später noch drauf. Also wo waren wir? Sin of Weakness, das nächste Sin of Irrelevance, also Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Also das Wasser vegan ist, das weiß dann am Ende eigentlich jeder und das ist dann zukünftig auch nicht mehr erlaubt. Witzigerweise, man sollte ja meinen, Wasser ist dann Wasser, abgefülltes Mineralwasser, das darf sich dann auch Bio nennen.

Anja Schröder: Das ist erlaubt, dafür gibt es eine ganz bestimmte Regulation aus dem Lebensmittelbereich. Das nächste ist, Sin of the lesser of 2 evils. Ein schönes Beispiel ist Limonade. Limonade ist, wenn wir es despektierlich nennen, Zuckerwasser. Ja, das erste ist Wasser, das zweite ist Zucker. Und wenn der Rest der Inhaltsstoffe, die zwei oder drei Prozent ausmachen, biologisch zertifiziert sind, dann ist das am Ende natürlich Bio-Limonade. Aber Limonade ist es dann eben trotzdem noch. Und es ist trotzdem noch Zuckerwasser und es ist eigentlich trotzdem nicht gesund.

Anja Schröder: Das ist übrigens der Grund, warum Mineralwasser als aller einziges im NUCI-Score ein A hat. Das nächste, Sin of Fibbing, das ist, dass einfach hergelogen wird, ja, dass einfach, dass einfach ganz straight on gelogen wird. Diese Beispiele haben wir im EU-Binnenmarkt nur noch ganz selten. Aber wenn wir das Beispiel nehmen mit ohne Tierversuche, das eine ist, ich kann es vielleicht gar nicht nachvollziehen oder es ist sogar gelogen. Ja, ich weiß zum Beispiel, dass Inhaltsstoffe verarbeitet wurden, die an Tieren getestet wurden. Dann darf ich nicht einfach sagen, weil ich keine Tierversuche gemacht habe, ist mein Produkt ohne Tierversuche, wenn mein Produkt eingekaufte Produkte enthält, die an Tieren getestet wurden. Und das letzte ist Sin of Worshipping False Labels. Das ist ein ganz dicker Punkt, weil wir ja Labelitis haben in der Welt.

Anja Schröder: Ich bastel mir dann ein Label zusammen, wo dann Eco oder Natural oder Öko oder certified draufsteht, was dann aber eigentlich gar nichts bedeutet.

Zackes Brustik: Und all diese Punkte waren eigentlich schon perfekte Inhalte auch von der Green Claims Directive, denn die wird all das ganz konkret adressieren. Und lass uns da schnell eintauchen, Anja. Die Green Claims Directive in 120 Sekunden. Was sind deine drei Highlights? Worauf freust du dich am meisten?

Anja Schröder: Lass mich einmal die Definition vielleicht geben, weil ganz viel wird dann klar. Also die Green Claims Directive ist die Richtlinie über die Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Leistungen. Nachweisbarkeit. Sie soll Transparenz schaffen und KonsumentInnen die Sicherheit geben, dass etwas, was als umweltfreundlich beworben wird, auch wirklich umweltfreundlich ist. Und das, worauf ich mich freue, ist, dass eigentlich alles das, was Unternehmen und Agenturen im Bereich der Umweltleistung behaupten, zukünftig belastbar, beweisbar, nachvollziehbar, transparent, glaubwürdig und science-based bewiesen sein muss. Sonst darfst du das nicht sagen.

Zackes Brustik: Warum brauchst du die überhaupt noch? Es kommt ja auch die CSRD, die hat das auch schon in sich. Wir haben das Kreislaufwirtschaftsgesetz sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene. Warum brauchst du den Hebel auf Seite der Konsumenten?

Anja Schröder: Guter Punkt. Was ganz spannend ist, ist, dass eigentlich auf EU-Ebene jetzt unter dem Dach des EU-Green-Deal mehrere Stränge zusammenlaufen. Und wenn du dir den Green Deal anschaust, dann geht es tatsächlich darum, die EU zu transformieren, dass die Wirtschaft läuft innerhalb der planetaren Grenzen und das wird über mehrere Wege befördert und unterstützt. Alles das, was wir ja schon wissen, ist der Circular Economy Action Plan. Da geht es auch Lebenszyklusmaximierung, die Ökodesignverordnung, die ein Recht auf Reparatur beinhaltet oder auch den digitalen Produktpass. Dahinter steckt die neue VerbraucherInnenagenda der EU. Es gibt in der EU schon die ökonomischen Anreize über das Emission Trading System, also die Bepreisung von Carbon Dioxide und es gibt die EU-Taxonomie, die versucht im Grunde Finanzmittel in Investitionen zu lenken, die diese Transformation eben fördern. Und es geht Informationsoffenlegung.

Anja Schröder: Das, was du gerade gesagt hast, die CSRD, ist eine Verpflichtung zur Transparenz der Unternehmen, genauso wie das Lieferketten-Sorgfaltspflichtgesetz, das bislang nur in Deutschland aktiv ist, das aber auf die EU ausgeweitet werden soll. Und in diesem Kontext der Informationsoffenlegung mit der Möglichkeit des Naming and Shaming, da kommt auch die Green Claims Directive hinein.

Zackes Brustik: Jetzt ist ja eigentlich so ein bisschen der Usus gerade weg von den Konsumenten, weil allzu lange haben die großen Firmen bewusst dafür gesorgt, dass der Personal Footprint so das schlechte Gewissen macht und sie sich selber nicht drum kümmern müssen. Und eigentlich versuchen ja gerade alle eher so den Professional Handprint zu erweitern, also in meine Arbeit. Also warum wieder der Pivot zurück? Auch Luisa Neubauer ist ja eher so nach dem Motto, die Unternehmen müssen sich bewegen, nicht wir.

Anja Schröder: Wir müssen uns alle bewegen. Tatsächlich muss von der Ebene des Individuums bis über die Unternehmen bis hoch zu den Multikonzernen bis hoch zur politischen Ebene, wir müssen uns alle bewegen. Und jeder ist gefragt und jeder ist gefordert. Dieses, aber die Unternehmen müssen zuerst oder die Politik muss zuerst, sorry, darauf kann ich nicht warten. Also ich gucke mir den Laden jetzt schon seit 40 Jahren an, jetzt seit 2019 kommt Bewegung in die Geschichte und jetzt dürfen wir tatsächlich den einzelnen Bürger und die einzelne Bürgerin nicht verlieren. Und zu glauben, dass du in deiner eigenen Haltung, mit deinem eigenen Portemonnaie keine Wirkung hast, das ist nicht richtig. Stell dir einfach nur die EU vor. Die EU hat 450 Millionen BürgerInnen.

Anja Schröder: Stell dir vor, du würdest wollen, dass die Eierproduktion zurückgeht, weil die Eierproduktion zu hohen Carbon Footprint hat. Als Beispiel. Würden jetzt also 450 Millionen Menschen nur auf ein einziges Ei verzichten, dann hättest du in der Jahresproduktion 450 Millionen Eier weniger. Und diese Skaleneffekte über den Konsum, Den sieht die EU ja auch. Die EU sieht, und deswegen gibt es die Green Claims Directive, die EU sieht in dem informierten Kaufenden in der Skalierung auf 450 Millionen einen sehr, sehr großen Hebel, die Transformation über die Konsumerwende, über Einkäufe zu bestärken. Und deswegen hat die Green Claims Direktive zum Ziel, den Verbraucher und die Verbraucherin zu schützen vor irreführenden Claims. Das ist das eine, eben informierte Entscheidungen überhaupt möglich zu machen. Es bedeutet aber auch, dass es für alle, die nur Augenwischerei und Schönfärberei oder Grünfärberei betreiben, es teuer wird, diese Claims in den Markt zu bringen.

Anja Schröder: Es bedeutet auch, dass die Unternehmen, die schon längst auf sich auf den Weg gemacht haben, ihre Claims substanziieren müssen. Keine Frage, und das kostet Geld. Aber sie haben endlich die Möglichkeit, am Markt mit diesen Argumenten wahrgenommen zu werden und eben auch Vertrauen zu generieren mit diesen Aussagen.

Zackes Brustik: Was sind dann die wichtigsten Schlagworte in der GCD? Lässt sich das irgendwie so auf verschiedene Ebenen runterbrechen?

Anja Schröder: Das eine sind die umweltbezogenen Aussagen, die reguliert werden. Regulationen gibt es schon längst, gibt es im Lebensmittelbereich, es gibt es in den Health Claims. Schönes Beispiel ist die Kennzeichnung Bio oder Öko im Lebensmittelbereich. Da ist es EU-weit einheitlich geregelt, was du erfüllen musst, damit du dein Produkt oder deine Dienstleistung bio oder öko nennen darfst. Das heißt, egal in welchen Laden ihr da draußen geht und es steht bio drauf, dann muss das zertifiziert sein. Sonst dürfte dieser Anbieter dieses Produkt oder diese Dienstleistung mit dem Präfix eben gar nicht in den Markt schieben. Umweltbezogene Aussagen sind bislang halt noch nicht reguliert in der Weite, weil die ja eigentlich erst in den letzten Jahren in den Markt gekommen sind. Und wir haben jetzt Argumente wie Carbon Footprint, wie Water Footprint, rezykliertes Material, soziale Lieferkette, Biodiversität.

Anja Schröder: Alles Argumente, die sehr wichtig sind, die auch geclaimed werden, die dann aber dazu führen, dass eben am Point of Sale emotionale Beeinflussung von Entscheidungen stattfindet, die dann aber nicht irreführend sein dürfen, eben tatsächlich Produkten und Dienstleistungen die Chance zu geben, sich durchzusetzen, die die EU gemäß dieser Direktive auch für umweltfreundlich hält.

Zackes Brustik: Wo stehen wir eigentlich? Es gibt ja durchaus Positivbeispiele. Kleine Suspense, im zweiten Drittel der Folge werden wir die gründlich besprechen. Aber es gibt auch viele Negativbeispiele und ganz viel in der Mitte, ob unbewusst oder schlichtweg noch wegen fehlender Kompetenz oder Bemühungen. Also wie ist gerade die Gemengelage? Hat die EU mal reingeguckt, was eigentlich passiert in den einzelnen Ländern bei den Unternehmen?

Anja Schröder: Ja, Tatsächlich hat sich die EU die Mühe gemacht und hat mal überprüft, ob diese Claims, die denn alle im Markt sind, überhaupt stimmen. Welchen Wahrheitsgehalt sie haben und die Ergebnisse, das wurde jetzt auch seit März als die Richtlinie, das Proposal der Richtlinie veröffentlicht wurde, das ging auch durch die Medien, 53 Prozent der Green Claims sind vage, irreführend oder nicht fundiert. Also kann man auch Norddeutsch sagen, schlichtweg gelogen. 40 Prozent dieser Green Claims sind ohne Daten, also sind nicht fundiert. Die Beweisbarkeit für den Claim fehlt einfach. 50 Prozent der Green Labels, ja, Label ist auch ein großes Thema, hatten keine oder nur eine schwache Überprüfung oder Verifikation. Und wenn du dir anguckst, dass 230 Sustainability Labels in der EU existieren und 100 Green Energy Labels in der EU. Das ist ein bisschen unfair den Konsumentinnen gegenüber, nicht wahr?

Zackes Brustik: Okay, verstehe. Also und auch da nochmal festzuhalten, also ein Green Claim in sich ist ja nichts Negatives. Ein Green Claim ist eigentlich super, aber das Problem ist, wenn eben hinter dem Claim nichts steckt. Mann, schon eine halbe Stunde aber jetzt wird es wirklich konkret, was die GCD angeht. Ich denke einfach, wer Nachhaltigkeit richtig umsetzen will, braucht auch einen entsprechenden Deep Dive für Professionals. Wenn ihr also nach der kurzen Sommerpause ab Mitte, Ende August für die nächste Staffel von Gewinne Zukunft mit am Start sein wollt, dann jetzt noch schnell den Podcast in eurer App abonnieren und mich gerne damit unterstützen, dass ihr eine Bewertung hinterlasst. Und damit zurück zu Anja. Also was mache ich da jetzt als Unternehmen? Also nochmal ganz konkret, was kommt auf mich zu? Was muss ich alles auf dem Schirm haben?

Anja Schröder: Vielleicht sollten Unternehmen und Agenturen das tun, was sie sowieso schon tun sollten, nämlich einfach die Wahrheit sagen. Und bezogen auf die Green Claims gibt es eigentlich drei Punkte, die man für sich abarbeiten kann. Das erste ist Materialität des Claims mit Reality of the Claim ist die Behauptung, die auf einer Produktebene aufgestellt wird, tatsächlich wesentlich für das Produkt. Aussagen zu Prozessmaterialien, Produktbestandteilen, die lediglich einen kleinen Anteil am Produkt und in der Preisbildung ausmachen oder am Gesamtimpact, die darf man nicht über das ganze Produkt ziehen. Das heißt, wenn ich 90 Prozent natürliche Materialien habe und 88 Prozent davon ist Wasser, dann habe ich ja eigentlich nur zwei Prozent natürliche Inhaltsstoffe und zehn Prozent sind nicht natürlich Und ich argumentiere aber mit den 88% Wasser. Das ist nicht korrekt.

Zackes Brustik: Nur kurz, weil da fällt mir an, genau das frage ich mich immer, wenn ich Spülmittel kaufen gehe. Da sehe ich nämlich neuerdings Marken, die bisher noch gar nicht nachhaltig waren, die sagen, wir sind, die genaue Zahl habe ich nicht, 87 Prozent, 93 Prozent natürlich Inhaltsstoff. Und ich frage mich eben, wie viel davon bezieht sich nämlich auf den Wasseranteil und ist eigentlich nicht dicht?

Anja Schröder: Also wenn du Pulver hast, hast du das Wasser ja nicht drin. Aber alle Produkte, die wasserbasiert sind oder einen hohen Wasseranteil haben, da kann man sich das natürlich fragen. Der viel spannendere Punkt ist aber, zack, ist, wer fragt sich denn das? Also wer fragt sich denn das? Und Wenn du deine Kaufentscheidung triffst und aus dem Augenwinkel heraus einfach nur siehst, 90 Prozent Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs, wer liest das Kleingedruckte? Das machen halt die wenigsten. Und das ist die Tücke dieser hervorgehobenen Aussagen, die dann im dimmsten Fall eine Kaufentscheidung beeinflussen und im Kern aber irreführend sind oder nicht korrekt.

Zackes Brustik: Das heißt, wir hatten die Materiality, kommen wir zu Completeness.

Anja Schröder: Completeness. Die Completeness of the claim. Das ist, Man kann sich selber fragen, habe ich das denn eigentlich, habe ich mein Produkt, meinen Produktionsprozess umfassend betrachtet? Habe ich wirklich alle Aspekte in den Impact einbezogen, die die Umwelt betreffen? Ich sollte dann auch offenlegen in der Kommunikation, welche ich herangezogen habe Und ich sollte auch prüfen, ob ich der Informationspflicht ausreichend nachgekommen bin. Und wenn man sich dann nur einen Punkt rauspickt und über andere Aspekte sich ausschweigt, dann ist auch das irreführend und wird als Greenwashing empfunden. Zum Beispiel die Hervorhebung des Carbon Footprints. Wir hatten das eingangs der Folge, also das Abheben auf und wir haben jetzt einen Carbon Footprint, der ist 40 Prozent geringer oder wir emittieren jetzt nur 20 Prozent des CO2e zum Vorgängerverpackungsmodell und komplett unter den Tisch fallen lässt, dass man ein vollrezyklierbares Material ersetzt hat durch ein lineares Material, dann hat man eigentlich nicht alle umweltbezogenen Aspekte offengelegt. Deswegen ist es unter Umständen Stand heute immer noch die richtige Entscheidung, vielleicht auf diese folienbasierte Papierverpackung zu setzen. Dann sollte man das aber am Point of Sale oder dem Konsumenten gegenüber anders kommunizieren.

Anja Schröder: Das dritte ist, wenn man auf der sicheren Seite sein möchte als Unternehmen, dann lässt man seinen Claim verifizieren. Auch jetzt schon, bevor die Green Claims Directive das einfordert. Verifizieren kann man seinen Claim, indem man Studien hinterlegt, indem man LCAs machen lässt, also Lebenszyklusanalysen, indem man unabhängige Dritte den Claim oder das Produkt oder die Inhaltsstoffe oder den Prozess überprüfen lässt. Als Unternehmen, auch das hatten wir schon angesprochen, den Claim bin ich auf dem Weg zur Klimaneutralität, kann ich überprüfen und verifizieren lassen, indem ich meine Daten offenlege im Rahmen einer SBTI-Zertifizierung. Das heißt, wenn ich befragt werde, ob das, was da stimmt, was ich behaupte, dann kann ich verweisen auf den unabhängigen Dritten, der bestätigt hat, dass meine Aussage richtig ist.

Zackes Brustik: Wow. Ich muss ehrlich sagen, das ist schon ziemlich dick. Ich bin froh, dass ich nicht in der Haut von den Verantwortlichen stecke, die sich Gedanken über die Nachhaltigkeitskommunikation machen. Das wird ja wirklich anspruchsvoll. Und ich glaube, so zwei kleine Highlights, ohne jetzt wirklich tiefer einzusteigen, ist ja auch quasi Siegel werden in der Form nicht so einfach durchzusetzen sein. Jede Industrie hat ihr eigenes Siegel erfunden. Du hast es vorhin gesagt, allein im Energiemarkt gibt es zahlreiche Siegel über 100. Das heißt in Zukunft wird es ja da auch nur noch die geben Oder zumindest hält sich die EU offen, dass wenn es Siegel gibt, dann nur noch offizielle seitens der EU.

Zackes Brustik: Und ein anderer Punkt, korrigiere mich gleich, wenn das zu ungenau war, ist, dass eben das, was du auch magst, man darf nicht mehr nur einen einzelnen Score bilden. Also wenn ich angenommen, ich habe irgendwie so ein Produkt und das hat richtig coole Verpackung, das ist wunderbar hergestellt, aber die Logistik ist unter aller Sau oder an irgendeiner Stelle sind wir sozial richtig mies und ich vereine das aber auf ein Score, wo unter der Summe dann das Score gar nicht so schlecht ist. Vergleich mit einem Nutri-Score, wie keine Ahnung, gesund und wenig Fett, aber dafür doch viel Zucker oder sowas und wir schaffen es aber trotzdem uns irgendwie auf eine C hoch zu roppen. All das geht nicht mehr. Das heißt, ich muss das wirklich differenzieren. Also wie sieht es aus in der Logistik, wie sieht der Wasserfootprint aus, wie sieht der soziale Aspekt aus? War das mein Leihenwissen einigermaßen korrekt?

Anja Schröder: Das war schon ziemlich gut. Ich würde da nur ergänzen, also auch zukünftig wird es der freien Wirtschaft erlaubt sein, Label in den Markt zu pusten. Das dürfen die gerne weiterhin tun. Der einzige Unterschied ist, dass sie zum einen die Benchmarks zu den umweltbezogenen Aussagen erfüllen müssen innerhalb ihres Labels und ihr Label selber. Also wie das Scoring gebildet wird, müssen sie komplett transparent machen und durch unabhängige Dritte verifizieren lassen. Unverifizierte Labels sind im Markt nach Einführung der Green Claims Directive nicht mehr erlaubt. Das, was du meintest, was für Nationalstaaten nicht mehr erlaubt ist, ist, die EU möchte ausschließen, dass auf Nationalstaatenebene weiterhin überhaupt Labels entwickelt werden. Sondern die Label müssen harmonisiert werden und das macht ja auch Sinn.

Anja Schröder: Aber ich hatte mich für dich ja durch diese 300 Seiten gegraben und in den Tiefen habe ich was gefunden, was ich persönlich ganz spannend fand, wo ich auch noch wenig Berichterstattung in unserer Blase drüber gehört habe. So wie ich das gelesen habe und wenn da draußen Experten sind, korrigiert mich gerne, ich lerne gerne dazu, behält sich die EU, also dieses Scoring und die Akkumulation von Aussagen vor. Sprich, in welcher Art und Weise bestimmte Scores kombiniert werden dürfen oder ausgezeichnet werden müssen, im Sinne vielleicht einer Ampel, wie der Energieeffizienzampel oder des Nutri-Scores, das behält sich die EU vor. Und ich glaube, dass das der nächste Schritt ist, wenn die Green Claims Directive durch ist, dass dann die EU versuchen wird, diese umfassende Aussage über umweltbezogene Leistungen in ein einheitliches, EU-weites Scoring- und Labelsystem zu bringen. Und das finde ich eigentlich ganz spannend.

Zackes Brustik: Wann kommt das eigentlich alles, Anja? In 30 Sekunden. Was sind die nächsten Schritte der Green Claims Directive? Wann kommt sie auf uns zu? Was passiert da noch?

Anja Schröder: Aktueller Stand ist, die Green Claims Directive ist ein Proposal, ein Vorschlag Der Kommission. Und dieser Vorschlag geht jetzt in das Bermuda-Dreieck, Parlament, Kommission und Rat. Das dauert zwischen 12 und 18 Monaten. Danach, wenn es dann durch das Parlament durch ist und verabschiedet ist und Stand heute kann es noch Änderungen geben. Dann dauert es in den Nationalstaaten nochmal bis zu zwei Jahre, bis diese Directive, weil es ist eben kein Gesetz, das eins zu eins umzusetzen ist, wie zum Beispiel die DSGVO. Es ist eine, es ist die zweite Ebene, es ist eine Direktive, die dann eben auf Nationalstaatenebene in die nationalstaatlichen Regularien umgesetzt werden muss. Sprich Ende 2026. Aber, sorry, das muss ich doch noch ausholen, wir haben das Wettbewerbsrecht.

Anja Schröder: Und das Wettbewerbsrecht hat eigentlich auch den Passus, dass irreführende Werbung nicht erlaubt ist. Und alles das, was wir in den letzten Jahren schon gesehen haben, als sich die Wettbewerber gerieben haben in den Gerichten, ob der Joghurt klimaneutral ist oder das Öl klimaneutral ist, das basiert ja alles schon auf der aktuellen Gesetzgebung. Die haben wir bis Ende 2026 auch. Und mit zunehmender Sensibilisierung der Marktbeteiligten, wer sagt uns denn, dass bis Einführung der Green Claims Directive nicht noch eine ganze Reihe von Urteilen ergehen werden, basierend auf dem Wettbewerbsrecht.

Zackes Brustik: Also im besten Falle noch mehr so Beispiele, wie ich sie vorhin hatte von H&M und Dekathlon. Da hat die Behörde selber nachgeschaut. Aber noch besser ist natürlich, wenn die Konkurrenz, die sich ernsthaft bemüht hat, klagt, damit sie sich eben absetzen kann von denen, die Schindluder betreiben. Und damit kommen wir jetzt in das Drittel, was auch noch mega spannend ist. Anja, man kann ja eigentlich jetzt schon alles richtig machen und auch das so kommunizieren, dass man trotzdem noch durchsticht. Also was gibt es da draußen in deinen Augen an wirklich vernünftigen Bemühungen seitens auch großer Unternehmen und nicht nur der kleinen jungen Start-ups, die auf der grünen Wiese anfangen können und das dann aber eben auch gepaart mit einer erfolgreichen und guten Nachhaltigkeitskommunikation?

Anja Schröder: Ich fange mal mit den Kleinen an, weil da ist es einfacher. Und auch mit den Start-ups, da ist es einfacher, weil ist dein Business-Modell im Kern nachhaltig, dann ist auch die Kommunikation einfacher. Ich habe mit Freude den Podcast gehört mit Jan Bredag mit Vegans, was du da erzählt hast, weil dieser Eternity-Score, den er da vorstellt und die Art und Weise, wie sie ihren ökologischen Fußabdruck konsequent transparent machen, das finde ich großartig. Und genau darum geht es ja. Du liest auf der Packung eine Aussage und dann fängst du an, wenn du so bist wie ich oder wie du, dann fängst du mal an nachzubohren und zu gucken, wo kriege ich die Information, stimmt das dann? Und das finde ich bei Vegans vorbildlich gelöst. Da kommt noch ein weiterer Aspekt dazu, wenn man aus dieser Bredouille raus möchte, dann kann man als Unternehmen natürlich auch die Verantwortung für die Lieferkette übernehmen. Auch das macht Jan Bredag mit Veganz, das macht aber auch zum Beispiel der Philipp Schallberger in der Schweiz, das ist ein Kaffee Röster, der dann angefangen hat, die ganze Lieferkette in die Verantwortung zu nehmen, bis hin zu den Agroforstsystemen in den Anbaugebieten. Das finde ich persönlich hervorragend.

Anja Schröder: Hast du dann kein kleines Unternehmen mehr mit einem Businessmodell, das im Kern nachhaltig ist, dann wird es schwierig, weil diese Großkonzerne oder die großen Unternehmen, die versuchen wir jetzt eigentlich wie eine Operation am lebenden Herzen auf Transformation zu bringen. Die möchten dann in der Kommunikation nicht abfallen und natürlich für ihre Bemühungen auch gelobt werden. Ein gutes Beispiel oder ein Beispiel, das mich fasziniert, so rum würde ich das formulieren. Ein spannendes Beispiel ist für mich die Schwarzgruppe. Lidl und Schwarz, Kaufland hängt da dran. Und das ist einer dieser typischen Baden-Württemberger Mittelständler, der dann einfach die Sache mal in die Hand nimmt, wenn es im Markt nicht schnell genug vor sich geht. Und diese Idee, dass Material im Kreis geführt werden muss und diese Recycling-Miserie, die wir haben, die hängt zum großen Teil daran, wenn du das Recyclingmaterial einsetzen wollen würdest, du das eigentlich am Point of Sale aus deiner Kette verlierst. Das verkaufst du und es gibt die Systeme nicht, die sicherstellen, dass dieses Material, das du eingesetzt hast und das du rezyklieren könntest, auch wieder bei dir landet.

Anja Schröder: Was hat die Schwarzgruppe gemacht? Die haben eigentlich ein zweites duales System aufgebaut. Die haben mit PreZero ein Entsorgungsunternehmen hochgezogen. Die haben zum Beispiel ihre Einwegwasserflasche dermaßen auf Kreislauf und Optimierung des Kreislaufs gedrillt und haben sich dann rausgenommen, dieses optimierte System unabhängig von unabhängigen Dritten prüfen zu lassen. Und mit allen Mitteln der Kunst, die letztendlich die Wissenschaft derzeit zur Verfügung hat, kam dann raus, ja, unter der Optimierung aller Umstände, wie sie ausschließlich in diesen betrachteten Segmenten vorzufinden sind, ist bei einer Lebenszyklusanalyse diese 1,5 Liter Wassereinwegflasche besser als die PET-Mehrwegflasche oder die Glasflasche. Und Lidl und Schwarz führt in diesem einen spezifischen Segment das Material vorbildlich im Kreislauf. So da kann man jetzt links und rechts diskutieren, ob das gut ist oder schlecht, aber eben die Rezyklierbarkeit oder diese Recycling, die Materialkreisläufe zu schließen, ist eigentlich der einzige Weg, die Recyclingquoten zu erhöhen. Das finde ich vorbildlich. Ein anderes schönes Discounterbeispiel, ganz aktuell, das ist der Nachbar, das ist Aldi.

Anja Schröder: Aldi hat jetzt aktuell eine Waschpulverpackung im Markt und bewirbt die auch. Die Tandil-Packung, die ist aus grauem Plastik, aber ja, nu, das ist Recycling-Plastik. Das ist, wenn es nicht sortenrein und klar gesammelt wird, am Ende der Kette immer ein bisschen gräulich. Aber who cares? Ist halt dafür mit einem ziemlich hohen Recycling-Anteil. Und die Werbung, die sie machen, ist eigentlich so, wie es die Green Claims Directive schon vorschreibt. Sie loben das aus. Die Verpackung besteht aus so und so viel Prozent Recycling-Plastik und sie lösen das mit einem Sternchen noch auf, wo das herkommt. Und das machen sie vorbildlich und auch das Community Management, weil Social Media, Werbung geht heute nicht mehr ohne Community Management, auch das Community Management war auf Zack.

Zackes Brustik: Ich würde das mal kurz zusammenfassen, weil dein Start und dein Ende ist genau für mich die Essenz. Also was Jan Predag als junges Unternehmen und Herausforderer macht, die überhaupt den veganen Markt auch mit etabliert haben, ist, dass sie eben diesen differenzierten Score hatten, das hatten wir vorhin, sie haben nicht einen Single-Score alles summiert und aggregiert, sondern sie bereiten wirklich auf, was ist der Footprint, was ist der soziale Aspekt, was ist der Energieverbrauch oder der CO2-Ausstoß und haben damit Eternity wirklich einen extrem fundierten und preisgekrönten Score entwickelt. Also hört euch die Folge mit Jan Predak unbedingt an. Es ist extrem wertvoll. Was sie eben aber auch machen, ist, was du gesagt hast, wie jetzt am Schluss, sie bespielen ihre Community. Weil jetzt Veganz ist im gleichen Markt wie Rügenwalder. Das ist der Platzhirsch. Die machen mittlerweile mehr Umsatz, also sie haben ungefähr 250 Millionen Umsatz, über die Hälfte davon mit veganen Mitteln.

Zackes Brustik: Und Rügenwalder bespielt 40% des Marktes. Der nächstgrößere Player ist Nestlé mit 6%. Jan Predak z.B., ich weiß nicht, wie viel Prozent er hat, aber Jan Predak muss natürlich gucken, mit so einem großen Player, den es auch braucht, skalieren, wie kommuniziere ich trotzdem noch? Das Spannende ist, dass wir ganz extrem transparent ist. Rügenwalder vielleicht viel richtig macht, aber da die Transparenz nicht vorhanden ist. Und so, glaube ich, kommt man wirklich noch durch und schafft es, sich eine Community an treuen KonsumentInnen zu erarbeiten, die einem selbst, wenn sie dann in drei Sekunden vor dem Regal stehen, sich schnell entscheiden müssen, eben bei einem landet, auch wenn man erstmal nur in Relation ein kleiner Herausforderer ist. Oder nicht Herausforderer, Also ich würde eher sagen ein Pionier, der sich gegen dann die early follower oder Adapter weiterhin behaupten muss. Das Beispiel auch mit der Tandilpackung super schön, weil da war der Mut da dann eben auf eine graue Verpackung zu setzen und nicht irgendwie fancy, shiny, verschiedene Plastikmaterialien zusammen gemischt, das möglichst schöne Premium Produkt rauszuhauen. Noch ein Beispiel, Anja, du hast es angesetzt.

Anja Schröder: Noch ein Beispiel, Armed Angels, das wollte ich sagen. Schaut euch mal die Werbung von Armed Angels an, die sind ja auch positioniert als Fashion Brand im Sustainability-Bereich. Diese ganze Diskussion, wo kommt denn das klimaneutral her und wo kommt dann, wir sind nachhaltig her, das haben die sehr kritisch hinterfragt und haben das auch offengelegt, warum sie mit bestimmten umweltbezogenen Aussagen zukünftig nicht mehr werben werden, weil momentan eigentlich die Businesses noch gar nicht sustainable sind. Insbesondere die Fashion-Bereiche oder auch die Lebensmittel-Bereiche, die sind in sich nicht sustainable. Bei Vegans und dem Eternity-Score finde ich natürlich hoch spannend, dass unter Umständen dadurch, dass dieser Score so ambitioniert ist und so transparent ist, dieser Score das Zeug dazu hätte, ein Standard in der Branche zu werden. Kommt die Green Claims Directive und musst du die Labels zertifizieren, Die Arbeit hat sich der Jan Bredack schon gemacht. Durch die Nummer ist er schon durch.

Zackes Brustik: Selbst wenn der Score ein anderer wird, wird es ein leichtes sein, die Daten und Nachweise, die er schon hat, auf einen anderen Standard zu übertragen. Ich bin nach dem deutschen Nachhaltigkeitskodex zertifiziert, dann bin ich eigentlich schon bei, keine Ahnung, 80, 90 Prozent von der kommenden ESRS für die CSRD oder GRI. Also ist ja alles sehr nah beieinander und wenn man mal alles aufbereitet, belegt hat und digital hat, dann kann man das sehr schnell wechseln und hin und her springen. Wir nähern uns dem Ende an, ja. Zwei wichtige Dinge glaube ich noch. Das eine ist, wie sind da kleine Unternehmen gegen große aufgestellt? Also wir hatten jetzt das Beispiel Veganz gegen Rügenweider zum Beispiel, nicht gegen, aber im gleichen Markt und teilweise auch kooperierend. Und wir hatten jetzt eben große Discounter, kleine Marken, große Fashion Brands wie H&M, kleine wie Armed Angels. Also ist das ein Nachteil für kleine, weil die sich die ganze Zertifizierung vielleicht auch gar nicht leisten können? Oder verschiebt das so ein bisschen das Machtgefüge im Markt?

Anja Schröder: Das Machtgefüge verschiebt sich eigentlich immer nur über die Werbebudgets und über die Spendings. Ganz kleine Unternehmen, also kleine Unternehmen mit unter zehn Mitarbeitenden, die sind ausgenommen davon, ihre Claims zertifizieren lassen zu müssen gegen Geld. Sie sind aber nicht ausgenommen davon, dass sie keine Unwahrheiten erzählen dürfen. Das heißt, die Beweisbarkeit oder die Belegbarkeit ihrer Aussagen, das müssen sie auch tun. Aber kein Unternehmen ist daran gehindert, die Daten, die erforderlich sind, zu sammeln. Und das macht auch Sinn. Sammel die Daten, kenn dein Produkt, kenn deine Lieferkette und dann sei ehrlich auf der Lieferkette. Und gerade die kleinen Unternehmen, die ja auch Impact erzeugen möchten mit ihren Produkten, Die laufen, wenn sie ihre Daten nicht straight haben, auch gern mal in eine Shitstorm-Falle rein, wie es im letzten Jahr, glaube ich, Gottbeck passiert ist.

Anja Schröder: Shoutout an Flip, die Recherche-Kollegen von nebenan. Das ist die Story von Meeresplastik. Wenn du magst, kann ich dir davon auch noch was erzählen. Also ich nenne Meeresplastik heute ja nur noch Meerplastik von dem Märchen Plastik, weil tatsächlich, achtet mal drauf in der Bewerbung, wer jetzt aktuell alles mit Ocean Plastic oder Ocean Impact Plastic oder Ocean Bound Plastic oder Meeresplastik wirbt. Fakt ist, dass in den seltensten Fällen tatsächlich Plastik verarbeitet wurde, das aus dem Meer gefischt worden ist. Und es ist keine Frage, das Plastik muss aus dem Meer und es ist auch keine Frage, Recycling-Plastik hat andere, hat also einen Carbon Footprint Vorteil gegenüber dem Virgin Material, aber nicht überall, wo Meeresplastik draufsteht, ist dann auch wirklich aus dem Meer gefischtes Plastik drin. Und die Tücke daran ist, dass dieses Meeresplastik hochgradig emotional aufgeladen ist über die Berichterstattung, über die Great Garbage Patches, über die Vermüllung der Meere. Und diese Emotion wird im Grunde antizipiert, ein Produkt zu verkaufen, das im dümmsten Fall überhaupt kein Plastik enthält, das jedes Meer gesehen hat.

Anja Schröder: Das ist nicht fair. Sprich, Worte schaffen Wirklichkeit. Auf Worten wirst du festgenagelt. Erzähl die Wahrheit. Wenn du dir nicht sicher bist, schau nach. Krieg deine Fakten gerade und sammle die Daten, damit du korrekte Aussagen machen kannst.

Zackes Brustik: Ein kleiner Einschub. Es ist der Best-Case, dass das Plastik erst gar nicht im Meer landet und dort raus gefischt werden muss. Deswegen finde ich zum Beispiel so Startups wie Everwave, die KI einsetzen und Community Management, wirklich das Plastik im Fluss raus zu fischen, bevor es im Meer landet, viel wertvoller als Startups, die irgendwo an der Meeresoberfläche in den ersten drei Metern rumschwimmen und diesen riesigen Batzen, die Zahl habe ich jetzt vergessen, Reinhard Schneider hat das im Podcast gesagt, dass ja der Großteil des Plastiks zu tief schwimmt, dass man ihn jemals wieder rausfischen werden kann. Also beides muss passieren. Dann muss es rausfischen, aber noch wichtiger ist es davor zu stoppen. Aber dann muss man es eben anders kommunizieren. Und das ist das Entscheidende. Und das ist meine Abschlussfrage, Anja.

Zackes Brustik: All das, was wir jetzt hier wirklich extrem tief besprochen haben. Wie kommt man dahin, diese Best Practices umzusetzen und eben nicht Angst vor Green Hushing zu haben, also Nachhaltigkeitsbemühungen zu verstecken, weil man Angst vor dem Shitstorm hat. Also was braucht es aus deiner Sicht als Nachhaltigkeits-Expertin und Kommunikationsexpertin, dass Unternehmen Bemühungen, die stattfinden, es dann auch schaffen, wirklich gezielt umzusetzen. Wer muss da am Tisch sitzen und was müssen die entscheidenden Prozesse sein?

Anja Schröder: Ich glaube, dass mit umweltbezogenen Aussagen einfach die Werbung nicht mehr so einfach ist. Punkt. Und erzählt die Wahrheit, erzählt die Wahrheit und geht in den Dialog. Wenn wir die Baseline nehmen, dass alle Unternehmen noch nicht nachhaltig sind und niemand von uns 100% nachhaltig ist, dann sind wir ja alle auf der Reise. Und dazu braucht es den Dialog. Und habt keine Angst davor, wenn eure Community den Finger hebt und sagt, das ist aber nicht richtig hier und ich habe da mal nachgebohrt und eigentlich stimmt eure Aussage nicht. Habt davor keine Angst, nehmt es an, belegt, warum ihr diese Aussage trefft, verändert eure Aussage. Ein bisschen Schade ist es ja, oder es ist ja ein bisschen unfair, dass gerade die, die sich eben positionieren und schon unterwegs sind und was tun, ja viel kritischer beachtet werden von unserer Community und von unserer Blase, als die Unternehmen, die Schweine igeln und gar nichts machen und auch gar nicht sagen, dass sie gut sind.

Anja Schröder: Die kriegen ihr Zeug ja trotzdem verkauft. Das heißt, für meine Blase oder für unsere Blase wünsche ich mir, dass wir in den kritischen Dialog gehen mit Werbetreibenden und Unternehmen, aber eben auch noch fair bleiben und sagen, das ist klar, es ist nicht ganz einfach, aber Dialog ist wichtig. Und ich habe es eingangs gesagt, guckt in euren Agenturen und guckt in euren Unternehmen, wo die Menschen sitzen mit der Nachhaltigkeitsexpertise und der Expertise für Nachhaltigkeitskommunikation und überprüft mal, ob ihr irgendwann das, was ihr sagen wollt, von dem Menschen mit der größten Nachhaltigkeits-Kommunikations-Kompetenz in eurem Laden abgenickt habt.

Zackes Brustik: Anja, danke dir. Das war ein dermaßen großer Deep Dive für mich in die Richtung Green Claims Directive. Und das wichtigste ist, glaube ich, wirklich den Mut haben, Dinge transparent zu machen. Man wird dafür belohnt. Es gibt unglaublich viele Beispiele. Auch wenn ihr keinen Bock drauf habt, es kommt, es wird verpflichtend. Also sich jetzt in die Bewegung zu setzen ist das Beste, was ihr machen könnt. Kommuniziert intern mit den richtigen Stakeholdern, kommuniziert extern mit den richtigen Stakeholdern auf der BraucherInnen-Seite.

Zackes Brustik: Und wer noch Anregungen sucht, ich kann es wirklich nur empfehlen, folgt Anja Schröder auf LinkedIn. Sie hat einfach eine großartige Reihe. Ich lerne in jedem einzelnen Post für mich persönlich nochmal was dazu, weil sie sich wirklich Produkte aus dem Regal greift und detailliert durchrechnet, was es damit auf sich hat und recherchiert und es eben auch fair aufbereitet, weil wie sie sagt, manche Dinge kann man auch noch nicht besser machen. Das muss man einfach den etablierten Player noch zugestehen. Und damit verabschiede ich mich in die Sommerpause. Es war so großartig, euch alle wieder für die zweite Staffel durchweg mit an Bord gehabt zu haben. Dank euch ist Gewinne Zukunft wirklich nochmal in den letzten Monaten rasant gewachsen, also drückt unbedingt den Abo-Button, damit ihr auf keinen Fall den Neustart nach der kurzen Sommerpause mit Staffel 3 verpasst und wenn ihr richtig, richtig cool seid, dann hinterlasst noch kurz eine Bewertung in Form von zwei schnellen Sätzen, wie euch diese Folge oder Gewinne Zukunft als Podcast, als Professional beim Umsetzen von konsequenter Nachhaltigkeit geholfen hat. Und damit sage ich vielen Dank.

Zackes Brustik: Ich freue mich schon enorm auf Staffel 3 und euch alle wieder mit an Bord zu haben. Untertitel im Auftrag des ZDF, 2021

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