#85 Mehr Exzellenz wagen! Wie wir Wirtschaft, Wachstum und die SDGs unter einen Hut bringen.
Shownotes
Nervt es Dich manchmal auch - das untere Mittelmaß in Deutschland bei allen wichtigen Zukunftsthemen? Dann ist diese Folge genau das Richtige für Dich! Freue Dich auf eine anspruchsvolle Diskussion, die vermeintliche Widersprüche auflöst - rund um wirtschaftliches Wachstum und unsere Nachhaltigkeitsziele.
Host Zackes Brustik spricht mit Yvonne Zwick, Vorständin von Europas größtem nachhaltigen Unternehmensverband und Autorin von "Nachhaltigkeit machen – 17 radikale Thesen für echten Wandel". Gemeinsam gehen sie der Frage nach, warum gerade das Nicht-Erreichen der sozialen Nachhaltigkeitsziele unser Land in gesellschaftliche Grabenkämpfe treibt – und wie Unternehmen konkret gegensteuern können.
✅ Was machen andere Länder besser als Deutschland? ✅ Warum rechnet sie mit dem Platzen der Kohlenstoffblase? ✅ Warum sieht Yvonne einen Konflikt als auch eine Chance zwischen frischen und langjährigen Nachhaltigkeitsprofis?
Yvonne ist nie um einen intellektuellen Gedanken verlegen: Sie traut ihren Gesprächspartnern Komplexität zu, bricht diese aber zugleich in konkreten Beispielen runter. Freue Dich auf konkrete Positivbeispiele rund um Kreislaufwirtschaft, die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) sowie Investitionen in zukunftsfähige Geschäftsmodelle. Mit Beispielen von Faber-Castell, REWE oder Teppichhersteller Desso.
Eine Folge, die zeigt, was Pioniere bereits erfolgreich umsetzen und wie wir alle als 'Teilzeitheilige' unseren unternehmerischen Beitrag leisten können. Egal an welcher Stelle in unseren Organisationen wir tagtäglich wirken.
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SHOWNOTES:
Podcast-Gast Yvonne Zwick ist Vorständin beim Unternehmensverband BAUM e.V., Theologin und Autorin des Buches "Nachhaltigkeit machen – 17 radikale Thesen für echten Wandel". 🔗 https://www.linkedin.com/in/yvonnezwick/ 🔗 https://baumev.de
Direkt zu Yvonnes Buch: 📕 https://shop.haufe.de/prod/nachhaltigkeit-machen?srsltid=AfmBOooLiSLbhtqQqjM4BkaSbhDlDlJK9ZGEO4Q991Y1_5VSNdB6ds9E
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Yvonne Zwick: Was geht diesen Personen auf den Keks? Es kommt immer ein neues Tool die Ecke, das verkauft werden will. Es kommt der nächste Berater, die nächste Beraterin, die mir einen Bedarf aufschwatzen will. Und da würde ich immer raten, erst mal mit den eigenen Leuten reden, die jeden Morgen ins Büro kommen, durchs Werkstor laufen, die Nachrichten sehen, die möglicherweise sich auch Sorgen machen ganz verschiedene Dinge, und mit denen ins Gespräch gehen, was eigentlich der Zweck des eigenen Unternehmens ist, was das Ziel der unternehmerischen Tätigkeit ist, und den Standort zu bestimmen, wo stehen wir eigentlich, was ist denn unser Beitrag zu 1 nachhaltigen Entwicklung und das kann dann eben in 1 Region sein, eben die Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, das ist das Banalste der Welt und das Interesse zu haben, auch in 5 Jahren, in 10 Jahren und in 50 Jahren ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Zackes Brustik: Vielleicht geht es euch ja wie mir. Ich bin mittlerweile unglaublich genervt davon, mit welchem unteren Mittelmaß wir uns in Deutschland schon länger zufrieden geben. Sei es industriepolitisch in Bezug auf all die relevanten Zukunftsthemen von KI zu Elektromobilität oder der Energiewende und natürlich auch in Bezug auf die sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitsziele. Es scheint, als hätten wir uns aufgegeben und keinerlei Ambitionen auf Exzellenz mehr. Der aktuelle Zeitgeist wird uns zudem weismachen, dass es genau daran liegt, dass sich wirtschaftlicher Erfolg und Nachhaltigkeit gegenseitig ausschließen und uns das im globalen Wettstreit zurückgeworfen hat. In dieser Folge allerdings schauen wir darauf, warum ausgerechnet das Nicht-Erreichen der Sustainable Development Goals und vor allem auch der sozialen Ziele uns in Deutschland genau in diese unheilvollen Grabenkämpfe geführt haben, in denen wir uns gesellschaftlich und politisch befinden. Und neben dem systemischen Blick darauf gibt es auch noch ganz viele konkrete Positivbeispiele und Anreize für eure unternehmerischen Strategien Und das direkt von der Quelle, wenn es all die Pioniere geht, die Nachhaltigkeit schon lange erfolgreich umsetzen. Mein Gast ist nämlich Vorständin bei Europas größtem nachhaltigen Unternehmensverband für zukunftsorientierte Wirtschaftsentwicklung. Zudem hat sie gerade erst ein Buch geschrieben, Nachhaltigkeit machen, 17 radikale Thesen für echten Wandel. Freut euch auf eine intellektuell anspruchsvolle Folge und viele konkrete Beispiele, die erklären, warum die Pioniere der Nachhaltigkeit sagen, jetzt erst recht und sich nicht beeindrucken lassen. Und damit herzlich willkommen bei Gewinne Zukunft, dem Nachhaltigkeits-Podcast der Pioniere und Professionals. Mein Name ist Zakkes und ich freue mich enorm, dass ihr wieder mit an Bord seid. Los geht's. Mein Gast heute, Yvonne Zwick, Vorständin bei Baum e.V. Herzlich willkommen, Yvonne, schön dich dabei zu haben.
Yvonne Zwick: Guten Morgen, Zakis.
Zackes Brustik: Ich habe es gerade im Intro gesagt, ich bin gerade echt genervt und ich überlege mir, ob ich sogar noch einen zweiten Podcast anfange, den ich Arbeitstitel German Excellence nennen würde, wirklich da rauszukommen und all die Themen, die wichtig sind für Zukunftsfähigkeit, sei es technologisch und industriell oder aus Nachhaltigkeitsbrille zusammenzuführen und aus diesen parteipolitischen Grabenkämpfen rauszuholen, weil ich glaube unglaublich viele Menschen, egal was ihre Parteipräferenz ist, eigentlich am gleichen Strang ziehen wollen und ich glaube, sich so auch so Anknüpfungspunkte suchen, wo man so aus dem Tagespolitischen rauskommt und wirklich wieder den Anspruch hat, lasst uns mal wieder an der Weltspitze mitmischen und nicht die ganze Zeit abhängen lassen. Ist das nur mein Gefühl? Geht es dir auch so, Yvonne? Was ist so dein emotionaler Status in Bezug darauf?
Yvonne Zwick: Mir geht es ähnlich, würde dir aber wirklich empfehlen, bei dem Titel zu bleiben, Gewinne Zukunft, weil ich finde tatsächlich von der Programmatik genau das, was uns aus diesem Morast rausziehen kann oder aus dem Treibsand der schlechten Laune, weil wir genau die neuen Erzählungen, die anderen Begriffe brauchen für das, was uns eigentlich interessiert. Der politische Wind hat ja so gedreht, dass bestimmte Begriffe am besten überhaupt nicht mehr benutzt werden sollen. Man kennt zwar dieses Geschimpfe über das Passwort Nachhaltigkeit schon seit Jahren und Jahrzehnten, Aber jetzt habe ich den Eindruck, ist es auch so ein bisschen auf den roten Listen gelandet, dass auch die, die wissen, was damit gemeint ist, sich nicht mehr trauen, den Begriff zu benutzen. Und dabei geht es jetzt genau darum zu erklären, was steckt drin und wie gewinnen wir damit tatsächlich auch Zukunft und wie können Unternehmen damit auch Gewinne realisieren, also auch ein Wirtschaftswachstum, das allen nützt und nicht nur wenigen. Und ich glaube, dass das genau der richtige Ansatz ist. Von daher einen Excellence-Podcast zu machen, fände ich richtig. Ich würde es aber tatsächlich integrieren an deiner Stelle.
Zackes Brustik: Ich werde drüber nachdenken. Was ich richtig cool finde, ist, du bist zum zweiten Mal zu Gast. Als du das erste Mal zu Gast war, hat Haufe Publishing zugehört und haben dich danach oder darauf eingeladen, bei ihnen ein Buch zu schreiben und zu publizieren. Das ist jetzt gerade rausgekommen. Ich habe es gesagt, Nachhaltigkeit machen 17 radikalen Thesen für echten Wandel. Warum müssen wir gerade in Bezug auf Deutschland nicht auf den Rest der Welt über die SDGs sprechen? Und warum, und das ist für mich super interessant, hat gerade das Nicht-Erreichen auch der sozialen Sustainable Development Goals einen großen Anteil daran, dass wir hier in Deutschland gerade auch in diesen parteipolitischen Grabenkämpfen landen, die so viel verhindern.
Yvonne Zwick: Also warum wir jetzt noch mal über die SDG sprechen sollen, ist ja irgendwie auf der Hand. Wir reden seit Jahren davon, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist, anzufangen. Und dabei haben wir schon so viele Jahre verloren. Und die Dringlichkeit ist größer denn je. Man sieht es in der Nachrichtenlage, dass die Wettereignisse da sind, dass insbesondere Kontinentaleuropa sehr stark vom Klimawandel betroffen ist. Und gleichzeitig ist die Berichterstattung darüber so unseriös und so kontrovers wie schon lange nicht mehr. Das heißt, man hat immer wieder das in Frage stellen wissenschaftlicher Evidenz und meteorologischer Evidenz mit auch den Folgen der Mortalität in Europa, egal ob ich nach Frankreich, Spanien, Portugal oder eben auch Deutschland schaue, Italien, Überall sind die Mortalitätsraten wegen Hitze angestiegen und dennoch wird es in Frage gestellt, ob es auf uns wirklich ankommt. Und die Wirtschaft ist ja so global verflochten und insofern sehe ich genau da auch den großen Ansatzpunkt, weil wer in die globalen Lieferketten schaut, berührt damit 12 von 17 SDGs und verändert die Welt für 450 Millionen Menschen, die auf der ganzen Welt sich in globalen Lieferketten als Arbeitskräfte einsetzen und für die wir die Bedingungen verändern können. Und nimmt man die Familie noch mit dazu, dann sind es noch mal weit mehr. Und mit allen Kindern, mit allen, die in Familien mit dranhängen. Und da bekommen natürlich solche Schlagworte wie Living Wage eine ganz andere Power. Und Living Wage ist auch ein Thema, wenn ich nach Amerika schaue. Jetzt hat Trump dieses Frühjahr gerade gesagt, die SDGs würden den Interessen Amerikas zuwiderlaufen. Also ich hatte vor 15 Jahren schon einen Schwager, der bei 3 verschiedenen Jobs das Einkommen für seine Familie erwirtschaften musste. Und das sind doch genau die sozialen Fragen, die wir haben. Oder wenn jemand wegen Starkregen nachts nicht mehr nach Hause kommt mit der S-Bahn hier in Berlin und damit die Schicht am nächsten Morgen flöten geht, da kommt schon Aggression auf. Und da hängt für mich die ökologische und die soziale Nachhaltigkeit unmittelbar miteinander zusammen.
Zackes Brustik: Ich würde wirklich den Blick bei uns auf Deutschland werfen. Ich finde das schon sehr spannend. Das hattest du auch im Vorgespräch gesagt. Die CDU hängt so im Abwehrkampf gegen die AfD und das hängt doch auch ganz viel damit zusammen, dass wir in Deutschland in Bezug auf unsere wirklich eigenen sozialen Sustainable Development Goals, nicht die im globalen Süden oder in den Lieferketten, eigentlich wirklich weit abgeschlagen sind von dem, was wir brauchen. Dass gerade so das Auseinandertriften der sozialen Schichten, die ländlichen Regionen, die abgehängt werden etc., dass das für den sozialen Sprengstoff sorgt, der uns jetzt in diesem Populismus verharren lässt, bis hin zu, du hast es gesagt, dem Negieren von wissenschaftlicher Evidenz. Magst du das mal kurz ausführen?
Yvonne Zwick: Ja, es ist halt eine Ablenkung von den eigenen Versäumnissen. Und die Gelegenheitsfenster, die waren früher größer, der Druck aber niedriger. Und das, was mein Eindruck ist, das ist, dass wir jetzt einfach die überzeugenden Antworten brauchen auf die sozialen und ökologischen Fragen dieser Zeit. Und gerade die jetzige Koalition hat eigentlich in den einzelnen Parteien, CDU und SPD, ja genau das Profil, mit der sie diese Antworten generieren kann. Also eine CDU aus der katholischen Soziallehre zum Beispiel, in Verbindung mit den globalen Nachhaltigkeitszielen, da gibt es eine unfassbar große Kohärenz, auf der man auch aufbauen kann. Und so notwendig ein Abwehrkampf ist gegen Rechtsaußen oder auch Populismus, es reicht einfach nicht, sondern man braucht die konstruktiven Antworten. Die beste Prävention wäre insofern, wenn wir es erreichen würden, dass wir die globalen Nachhaltigkeitsziele umsetzen, in die Realität bringen.
Zackes Brustik: Bei uns, also die globalen Nachhaltigkeitsziele auch wirklich für unsere eigene Gesellschaft. Im Sinne von Versorgungssicherheit, medizinische Versorgung,
Yvonne Zwick: Bildung,
Zackes Brustik: Lebensstandards,
Yvonne Zwick: Teilhabe.
Zackes Brustik: Eine These, die in deinem Buch steht, ist, dass das Problem ist, dass wir die SDGs zu sehr als Flickenteppich angehen und zu wenig als Gesamtkonzept. Du hast im Rat der nachhaltigen Entwicklung gearbeitet und eigentlich war die Empfehlung schon vor vielen, vielen Jahren, genau eben dieses Gesamtkonzept zu nutzen, auch in Deutschland eine wirklich tragfähige Vision zu entwickeln. Das scheint nur ganz, ganz wenig so attraktiv gewesen zu sein, dass die unterschiedlichen Parteien sich ihren Teil davon angeeignet haben, oder?
Yvonne Zwick: Naja, es gibt ja vieles, was zwar alt ist, aber immer noch stimmt, weil es noch nicht umgesetzt wurde, trotz höherer Einsicht. Also ich schaue mir im Moment auch ziemlich viele Texte an aus den 70ern zum Beispiel, als ich noch nicht mal geboren war und auch schon Gesellschaftsanalysen da waren, die absolut treffend auf Themen der modernen Zeit eingehen. Also egal, ob es Anreizsysteme in der Bürokratie zum Beispiel geht.
Zackes Brustik: 1, 2, 3 Beispiele?
Yvonne Zwick: Ja, also ein Beispiel wäre, welche Anreize gibt es eigentlich in der Bürokratie? Und in der Bürokratie profitiert die Person, die hohe Budgets hat, die eine hohe Personalverantwortung hat, die einen hohen Personalstand oder Bestand hat, der ja auch wiederum Kosten verursacht. Wer effizient arbeitet, hat eher das Nachsehen. Dabei müssten wir Anreize setzen für Effizienz auch in der Bürokratie, für schlanke Systeme, für mehr Prozesskompetenz, Prozessqualität auch in 1 modernen Regulierung, die auf Dialog setzt und die eben auch schaut, was ist denn eigentlich da, welche Probleme werden auch gesehen und wie kann man sie lösen, statt immer diese Top-Down-Herangehensweise an Regulierung zu haben, die in Europa ja auch kritisiert wird, dass eine EU-Regulierung kommt und sie dann von oben nach unten umgesetzt wird. Und bei jedem Umsetzungsschritt wird eine Schicht abgehobelt, Statt dass man auch mal schaut, wo ist eine Regulierungsidee, die zum Beispiel von europäischer Ebene kommt, die im Interesse der Akteurinnen und Akteure in den EU-Mitgliedstaaten und der Bürgerinnen und Bürger liegt. Weil das, was wir jetzt gerade auch zum Beispiel im Watering Down so ein bisschen abgeschichtet haben, wie ein europäisches Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz oder auch die Corporate Sustainability Reporting Directive, die die Offenlegungspflichten für Unternehmen ausgeweitet hat. Das gründete ja in der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise. Da hatten wir die Über- und Unterbewertung von Immobilienrisiken im Immobilienkreditgeschäft, die geplatzt ist. Und ich fürchte halt, dass die nächste Blase, die platzt, die Kohlenstoffblase sein wird, weil wir die unternehmerischen Risiken, die aus emissionsstarken Industrien entstehen, nicht vernünftig abbilden und damit anreizen, dass man da gar nicht so genau hinschaut. Und das generiert aber ein Geldwertstabilitätsrisiko, was allen Volkswirtschaften irgendwann als Rechnung präsentiert wird, wenn man da jetzt nicht dran bleibt und auch diese Entwicklung verschleppt.
Zackes Brustik: Was heißt Kohlenstoffblase, die platzt und wie würde das konkret aussehen? Du hörst, diese Folge geht schon in eine richtig spannende Richtung. Was ich sonst noch so an Insights auf all den Konferenzen einsammle, auf denen ich moderiere, wenn ich hinter den Kulissen mit Panelisten spreche, das liest du in www.zackes.com/newsletter. Einmal im Monat Kuratier ich da knackig zusammengefasst meine Eindrücke aus all den verschiedenen Menschen, denen ich begegnen darf und verlinke spannende und hilfreiche Ressourcen oder Artikel für die Community. www.zackes.com/newsletter. Was heißt Kohlenstoffblase, die platzt und wie würde das konkret aussehen?
Yvonne Zwick: Dass wir bei den Börsenwerten von Unternehmen die realen unternehmerischen Werte, Chancen und Risiken nicht sehen. Als ich beim Rat für nachhaltige Entwicklung gearbeitet habe, hatten wir einmal, die damalige Vorsitzende Marlene Thieme und ich durfte sie begleiten mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer, ein Gespräch, wo das IDW damals gesagt hat, sie haben die größte Sorge darin, dass die Buchwerte, die Unternehmenswerte, die in den Geschäftsbüchern stehen und die Börsenwerte so weit auseinanderklaffen. Und da gibt es ein Delta, bis zu 75 Prozent, sagten sie damals. Das war, wie lange ist das her? 8 Jahre, 10 Jahre. Und sie haben damals eben auch gesagt, alles was hilft, diese Lücke zu schließen, dass eben das, was auch in den Büchern zu sehen ist, auch an verschleppten Investitionen, zum Beispiel Innovationsinvestitionen in Industrieprozesse, in Geschäftsprozesse, in Gebäudehüllen, der ganze Immobilienbereich, egal ob das Bürogebäude oder Produktionsstätten oder Lagerhallen sind, muss man ja auch dahinschauen, sind die eigentlich fit vor Hitzewellen zum Beispiel, sind die effizient betrieben, belichtet, belüftet, beheizt und gekühlt im Sommer, sodass die Menschen da nicht aus den Latschen kippen Und das haben wir in anderen Bereichen auch, egal ob im Klinikbereich und sonst wo, wo ja auch viel mobiles Kapital unterwegs ist durch Hedgefonds etc., die auch im deutschen Gesundheitswesen teilweise investieren, dann eben auch gewinnbringend wieder rauszugehen und solche Institutionen auf Effizienz zu trimmen, auf eine Art und Weise, die das System so beugen, dass man schon Angst haben muss, dass es bricht, weil zu wenig Geld tatsächlich da ist, dann zum Beispiel für faire Löhne zu sorgen oder gute Ausstattung, Zuwendung bei Heimbewohnerinnen, bei Klinikpatienten etc. Pp. Und da brauchen wir es ja eigentlich. Und da merke ich halt immer, dass ich als Theologin auf diese Themen schaue und mich frage, wie schaffen wir es, dass da der Nutzen für die Menschen wieder in den Mittelpunkt rückt und nicht der Nutzen für die kapitalabschöpfenden Stakeholder im Markt. Und wir das auch in die Börsendynamik reinbekommen, dass da der Blick drauf bleibt, auch wenn der politische Wind anders weht und plötzlich Diversity-Politiken keine Rolle mehr spielen, dass da trotzdem weiterhin genau hingeguckt wird, weil auch in der Diversität der Meinungen natürlich ein Frühwarnsystem für Risiken, aber eben auch für die unterschiedlichen Perspektiven repräsentiert ist. Das Unternehmen hilft, die 360-Grad-Perspektive einzunehmen und dementsprechend in der Folge auch in der 360-Grad-Perspektive Unternehmenswerte, aber auch potenzielle Verluste kurz-, mittel- und langfristig abzuschätzen. Und wenn wir das nicht transparent und sichtbar machen, dann ist das genau diese Blasenbildung, die ich befürchte, dass das, was an Abweichung von einem 1, 5 Grad Pfad im Geschäftsmodell drin liegt, nicht sichtbar wird und damit eben Zeit verzögert, große Schadenereignisse eintreten, die dann auch bilanziell zu Buche schlagen.
Zackes Brustik: Okay, jetzt, ich glaube in meinen Leihenworten, wie gesagt, ich sage das sehr oft im Podcast ohne BWL-Studium oder Volkswirtschaftsstudium, heißt, wir denken gerade, vielleicht sind ganz viele Unternehmen gut aufgestellt, aber was halt nicht eingepreist ist, ist, dass ganz viel von diesen Geschäftsmodellen nicht nachhaltig sind. Das heißt, nicht darauf einzahlen, in planetaren, stabilen Grenzen oder gesellschaftlich stabilen Grenzen zu leben und dass die Rechnung dafür kommt, aber an anderer Stelle und das dafür sorgt, dass die Blase platzt. Okay, ich glaube, ich habe es grob verstanden. Ein ganz großes Problem, was es daran gibt, das ist sehr komplex, was du besprichst. Und das in einfache Worte runterzubrechen, nicht nur innerhalb der Sustainability-Profi-Bubble, sondern auch nach außen ganz normal. Und Ich glaube, wenn du als Sustainability-Profi in 1 Organisation bist, dann hast du da so ziemlich genau den Wählerdurchschnitt. Und gerade heißt das, dass zumindest die Hälfte der Menschen Nachhaltigkeit sehr kritisch sehen. Theoretisch geht ein bisschen auseinander. Je nachdem, welche Partei man wählt, heißt noch lange nicht, dass man das Parteiprogramm bezüglich Nachhaltigkeit gut findet. Aber wie erkläre ich diese Themen diesen Menschen? Weil ich muss meine ganze Nachhaltigkeitsstrategie begründen. Und der ganze Widerstand, der einem da entgegenkommt, zu entkräften, kostet sehr viel Kraft. Und ich glaube, der ist gerade sehr laut. Also ich höre wirklich auch von Profis, die sagen, dass einem da sehr ungehaltene Dinge entgegen schallen, wenn man irgendwie auf die neue ESG-Software zu sprechen kommt oder so. Da kommt gleich so ein Mist und das hat uns kaputt gemacht. Und wie findet man da wieder einen gemeinsamen Grund, trotz all dieser Komplexität?
Yvonne Zwick: Indem man im konkreten Kontext das bespricht, was konkret anliegt. Also ich bin absolut nicht der Meinung zum Beispiel, dass ich die Prinzipien nachhaltigen Wirtschaftens allen Menschen bundesweit erklären können muss. Wem ich es erklären können muss, Das sind die 4000000 Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von 4000000 Unternehmen in Deutschland, die ja intuitiv niemals sagen würden, sie sind gegen eine sozial gerechte, naturverträgliche Wirtschaftsweise, die aber vom Alltagsgeschäft so abgelenkt sind. Und was geht diesen Personen auf den Keks? Genau das, was du sagst. Es kommt immer ein neues Tool die Ecke, das verkauft werden will. Es kommt der nächste Berater, die nächste Beraterin, die mir einen Bedarf aufschwatzen will. Und da würde ich immer raten, erst mal mit den eigenen Leuten reden, die jeden Morgen ins Büro kommen, durchs Werkstor laufen, die Nachrichten sehen, die möglicherweise sich auch Sorgen machen ganz verschiedene Dinge und mit denen ins Gespräch gehen, was eigentlich der Zweck des eigenen Unternehmens ist, was das Ziel der unternehmerischen Tätigkeit ist und den Standort zu bestimmen, wo stehen wir eigentlich, was ist denn unser Beitrag zu 1 nachhaltigen Entwicklung und das kann dann eben in 1 Region sein, eben die Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, das ist das Banalste der Welt und das Interesse zu haben, auch in 5 Jahren, in 10 Jahren und in 50 Jahren ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Wann bin ich ein attraktiver Arbeitgeber? Wenn ich etwas Gutes bereitstelle, nicht nur einen guten Lohn auf dem Gehaltszettel, sondern dass auch an sich ein Geschäftszweck ist, der einen Sinn erfüllt. Und das kann ja auch wiederum, sehen wir ja auch gerade durch Politik, ganz unterschiedlich sein. Und da stimmen die Leute ja auch mit den Füßen ab. Deswegen würde ich da immer schauen, wohin bewegen sich die Menschen, Wohin läuft auch ein Arbeitsmarkt zum Beispiel? Und da hört man von jungen Leuten eben auch, dass sie bestimmte Berufe gar nicht ergreifen wollen, weil sie Nachhaltigkeit aktiv ignorieren und zum Beispiel auch im Studium keine Rolle spielen.
Zackes Brustik: Eine Sache, die einem, glaube ich, auch entgegenschallt, ist wahrscheinlich auch den ganzen parteipolitischen Grabenkämpfen geschuldet, wo es irgendwie dann von beiden lagern. Die einen nennen die anderen irgendwie die linksgrünen Versifften, die nennen die anderen die ewig gestrigen und so. Es ist ja super aufgeheizt. Was einem oft entgegenschallt ist, da kommen wieder die Wachstumsgegner in. Das bei dir anders Im Buch sprichst du dich explizit dafür aus, für Wachstum einerseits und Nachhaltigkeit andererseits. Du machst das an einem super coolen Beispiel fest, nämlich Vietnam. Magst du uns mal ausführen, warum es sich für dich eigentlich nicht widerspricht?
Yvonne Zwick: Es widerspricht sich deshalb nicht, weil die Menschen intuitiv verstehen, ob Politik für sie gemacht wird, von der sie profitieren oder nicht. Und ich sage es auch gern mal mit den Worten von Klaus Töpfer, der mal gesagt hat, es gibt keine SPD-Umwelt, Es gibt keine FDP-Umwelt und keine CDU-Umwelt. Es gibt nur eine Umwelt für alle und deshalb müssen alle Parteien gemeinsam daran arbeiten, diese zu schützen. Das hat er offenbar das erste Mal gesagt, bevor es die Grünen gab. Jetzt gibt es sogar noch mehr im Parteispektrum und ich denke, dass das den Leuten eben klar ist, dass es unsere Voraussetzungen, Lebensvoraussetzungen sind, die wir schützen müssen und auch diese Voraussetzungen für ein gutes gesellschaftliches Leben. Und deswegen ist es für mich überhaupt nicht im Widerspruch, auch in Begriffen von Wirtschaftswachstum zu denken, weil was wollen wir denn, was wächst und was schrumpft? Wir wollen, dass nachhaltige Wirtschaft wächst, die Teilhabe ermöglicht, die Lösungen bereitstellt, die Herausforderungen löst. Und wir wollen, dass die schrumpft, die die Menschen ausnutzt, die die Natur ausbeutet und die auch wirtschaftliche Substanz gefährdet, indem sie wegguckt, indem sie ihre Schadschöpfung nicht betrachtet, sondern eben nur auf die Sonnenseite des Geschäftsmodells schauen und das, worauf es kurzfristig eine positive Resonanz gibt. Die Frage ist ja letzten Endes, was hat langfristig Bestand?
Zackes Brustik: Was ich super spannend finde, ist an dem Vietnam-Beispiel, das ist nämlich ein Land mit unglaublich großen Flussdeltas, 1 langen Küstenlinie, niedrigen Höhenlagen, das heißt, sie sind als allererste vom zum Beispiel Meeresspiegelanstieg betroffen. Das heißt, sie haben ein sehr hohes Interesse daran, haben sehr ambitionierte Nachhaltigkeitsziele in Bezug zum Beispiel für Kohlenutzung und dergleichen und wollen ihre Emissionen bis 2030 30 Prozent senken. Als Emerging Economy. Andererseits sind die ja gerade eben dabei aufzuholen und wollen gleichzeitig bis 2045 den Status 1 Hochlohnlandes erreichen. Also die haben genau beide Ziele ambitioniert auf der Agenda und sagen nicht, weil wir Hochlohnland werden wollen, schreddern wir alle Nachhaltigkeitsziele. Also großartiges Beispiel, das wir eigentlich auch in Deutschland anwenden könnten.
Yvonne Zwick: Ja, wir sollten überhaupt mehr ins Ausland gucken. Also die deutsche Nahbeschauung, Selbstgefälligkeit von wir haben nur x Prozent Beitrag zu egal welchem Thema. Das finde ich halt so super bequem. Und es gibt so viele Länder, bei denen wir was abschauen können und die entschlossen handeln, ohne langes Rumgefackel. Und ich wollte in dem Buch einfach nicht das übliche Land, an dem wir uns abarbeiten, China, zitieren, sondern einfach mal ein anderes, den Kopf aufzumachen. Es gibt so viele Staaten in der Welt und manche legen bei ihrer Nachhaltigkeitsagenda den Schwerpunkt auf soziale Themen. Einfach, weil es eine Frage des Überlebens der eigenen Bevölkerung ist, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Das heißt aber nicht, dass sie sich die ökologischen nicht kümmern, weil die genau wissen, sie sind auf eine intakte Natur, zum Beispiel für kleine landwirtschaftliche Familienbetriebe angewiesen, damit die überhaupt überleben können. Und Deswegen steht das für mich auch nicht im Widerspruch und finde manchmal auch diese sehr pauschale Degrowth-Lösung zu einfach gedacht, weil wir ja genau diese Unterschiede im eigenen Land haben und insofern einfach feststellen müssen, dass für Menschen, die arm sind, Wachstum kein Luxus ist, sondern eine reine Überlebensfrage. Und das anzuerkennen, dass auch wir da Themen haben, wo wir von anderen lernen können, die flächendeckend kostenlose Toiletten haben, die die Möglichkeit haben, sich kostenlos mit Trinkwasser zu versorgen, auch zu duschen etc. Das sind ja Fragen der Menschenwürde, die in unseren Städten teilweise auch einem begegnet, wo man sich fragt, wie kann es sein, dass diese Menschen sich nicht der ganz basalen Körperhygiene widmen können? Warum gibt es da diese Möglichkeiten nicht flächendeckend und werden von dann eben auch sehr kleinen Initiativen und Organisationen unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen angeboten? Könnte auch eine Frage der öffentlichen Infrastruktur sein. Aber dann gibt es eben auch gleich wieder die üblichen Reflexe. Und dadurch kommen wir auch an diesen Stellen nicht weiter und haben immer das Rumdoktern an den Symptomen statt die Ursachen zu bekämpfen.
Zackes Brustik: Von dem großen gesellschaftlichen Blick auf das Thema kommen wir jetzt rein in das unternehmerische. Eben bei Baum. Ich sage es immer an der Stelle nochmal. Ihr seid es keine NGO, die sich der Aufforstung verpflichtet fühlt, sondern ihr seid ein Unternehmensverband, also das Akronym steht für was ganz anderes. Bei euch sind die Pioniere, die schon lange irgendwie auf nachhaltige Geschäftsmodelle setzen. Ich habe eine These, sag mir gerne, was du davon hältst. Ich denke, es gibt ja super viele Pioniere, die nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich sind. Was ich bei allen sehe, ist, dass die proaktiv Themen angegangen sind, die weder vom Gesetzgeber noch vom Konsumenten gefordert waren bis dahin, sondern die intrinsisch motiviert sind. Eine Chance wird dann sich neue Märkte erschließen, neue Businessmodelle reinbringen, die eine riesige Mehrleistung machen und gerade deswegen aber auch unternehmerisch erfolgreich sind. Und dann gibt es ja ganz viele, die sagen, okay, wir müssen jetzt so ein kleines bisschen, dann sind wir halt ein bisschen compliant, machen gerade das, was es braucht, dass wir entweder vom Gesetzgeber nichts auf die Finger bekommen oder von unseren B2B-Kunden nichts auf die Finger bekommen oder halt dort noch in der Auftragsvergabe bleiben oder auch kein Greenwashing-Shitstorm bekommen Und da würde ich sagen, so aus rein wirtschaftlicher Sicht, nicht aus ethischer oder moralischer, dann lass es lieber bleiben. Weil so dieses Minimax-Prinzip irgendwie, das führt nicht zum unternehmerischen Erfolg. Wenn dann richtig und dann eignen dir die Themen, an die gar nicht gefragt sind. Was sagst du dazu?
Yvonne Zwick: Ich sage, das ist der falsche Rat und der These widerspreche ich heftig. Weil, muss ich, muss ich in jeder Hinsicht. Weil ich will ja nicht nachhaltige Unternehmen oder auch Unternehmen, die nachhaltig sind, ohne es zu wissen vielleicht, aber die aus, was weiß ich, Generationenverpflichtung als Familienunternehmen zum Beispiel oder indem sie alle üblichen Standards in Deutschland einhalten, ja eigentlich schon nachhaltig agieren, auch im Vergleich zu anderen, zum Beispiel weltweiten Konzernen mit Unternehmenssitz in anderen Ländern, mit relativ niedrigerer Regulierungsdichte zum Beispiel. Und alle, die anfangen, sich damit zu beschäftigen, haben ja im Prinzip was davon. Ich kann auch halbherzig in eine Nachhaltigkeitsberichterstattung einsteigen und dann merken, dass ich Themen entdecke, die für Leute in meinem Unternehmen, sei es in verschiedenen Abteilungen von Interesse ist oder für die Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter von Interesse sind oder wo ich direkt einen Effekt habe, weil ich zum Beispiel Ineffizienzen im Geschäftsmodell entdecke, weil ich in die Lieferkette reinschaue. Da berichten mir Unternehmen, die anfangen, sich mit der Lieferkette zu befassen, dass sie eigentlich mit dem ersten Blick oft schon 20 Prozent Effizienzgewinne realisieren können. Und auch aus 1 halbherzigen Berichterstattung heraus kann ich einen sportlichen Ehrgeiz entwickeln, mich weiterzuentwickeln. Wie komme ich auf diese Gegenthese? Das rührt aus der Einführung 1 EU-Berichtspflicht her, die 2017 angefangen hat, für Banken zu greifen. Und ich hatte damals zusammen mit Professor Alexander Bassen beim Bankenverband einen Workshop, kleinste Banken, wirklich ohne Nachhaltigkeitsabteilung, wo teilweise die Sekretärin des Bankenchefs sozusagen die Nachhaltigkeitsberichterstattung mitmachen sollte, neben dem Kalendermanagement, so ungefähr. Und die waren entsetzt darüber, was auf sie zukommt. Und beim zweiten Workshop war eine der am wirklich stärksten Entsetzten, die das wirklich original so mitmachen musste, neben dem Terminmanagement für den Chef, sagte, sie hat angefangen und gemerkt, 60 Prozent sind da Themen. Die haben wir schon auf der Pfanne, die haben wir jetzt strukturiert zusammengeführt und daraus entdeckt, wie viel wir schon machen. Was wir bisher überhaupt nicht in die Kommunikation oder in eine Strategie haben einfließen lassen. Und selbst aus Versatzstücken dessen, was mal eine Nachhaltigkeitsstrategie werden kann, kann ich ja meinen individuellen Ansatzpunkt finden, einzusteigen, Verbesserungen zu fahren und daraus dann auch eine unternehmerische Chance zu machen. Deswegen würde ich dir an der Stelle wirklich widersprechen. Weil allein zur lernenden Organisation zu werden, ist ja was, was eine Bindungskraft hat und eine Innovationskraft erzeugen kann.
Zackes Brustik: Den Widerspruch nehme ich gerne an und lasse da meine These korrigieren. Ich finde auch ein schönes Wort, was du eingeführt hast im Buch, das stammt nicht von dir, ich glaube, das stammt von einem eurer Gründer, vom Baum e.V. Wir brauchen Halbheilige. Also das heißt, es geht nicht darum, im Nachhaltigkeitsbereich, sei es privat oder auch als Profi, sozusagen immer das Vorzeigekind zu sein, das alles genau richtig macht, nicht fliegt, kein Auto hat und verpackt ist und so weiter, sondern wir müssen uns halt auf den Weg machen, da wo wir sind. Und das ist in Ordnung.
Yvonne Zwick: Ich korrigiere. Das war Hubert Weinzierl, der Gründer der Umweltbewegung in Bayern. Und er war Mitglied des Rates für nachhaltige Entwicklung. Und er hat von Teilzeitheiligkeit gesprochen. Ich fand das einfach so schön, weil er ja auch unglaublich viel mitgemacht hat. Der war ja damals schon recht alt, als er im Nachhaltigkeitsrat gearbeitet hat. Ist dieses früher auch verstorben, während dieses Buch fertiggestellt wurde und hat ihn aber vorher schon mit reinformuliert, weil das für mich so ein prägender Begriff war, der für mich genau diese Toleranz kommuniziert hat, die wir unglaublich brauchen. Weil ich finde einfach, wir sind viel zu schwarz-weiß in der ganzen Nachhaltigkeitsdebatte, verteilen Fleißmärkchen, Krönchen, manche sich auch selber einen heiligen Schein, halten sich für die, die die Weisheit gepachtet haben und die aburteilen, wenn andere erst anfangen. Und kein Mensch auf diesem Planeten will sich dumm fühlen. Das hat mir auch mal irgendjemand gesagt. Und deswegen bin ich so unterwegs und versuche immer erstmal wahrzunehmen, was ist denn der Kenntnisstand, was ist der Ausgangspunkt und wo zickt es vielleicht auch, wo man dann anpacken kann und einladen kann. Komm, wir machen mal ein Stück des Weges gemeinsam und dann kann man sich ja auch mal wieder trennen und die Akteure sind alleine unterwegs und dann muss man einfach wieder für die nächsten Kontaktpunkte sorgen, zu schauen, und wie war es, wie läuft es, wo man wiederum bestärken kann und weiterschubsen kann und ermutigen kann, dran zu bleiben, weil es fällt ja überhaupt gar niemandem leicht. Und wenn du Pioniere zitierst, so wie gerade eben auch in deiner These, dann waren das alle auch mal Gründer, bei denen der Wind auch nicht immer nur von hinten kam. Also Ich bin davon überzeugt, dass ein Ulrich Walter, der Lebensbaum gegründet hat, auch von vielen Rückschlägen gerichten kann. Oder ein Jürgen Schmidt, der die Memo AG gegründet hat zum Beispiel, als zunächst ja eine Schülerfirma. Es ist ja nie irgendwo immer nur leicht. Und umso wichtiger finde ich es, die Resilienz zu stärken und auch nicht so zu tun, als ob alles immer nur glatt läuft in der Nachhaltigkeit. Und das ist auch ein Grund für dieses Buch, weil die Leiterin des Sachbuchbereichs, die da in Themen-Scouting war und die deinen Podcast gehört hat, die hatte gesagt, wir brauchen genau diese Erzählungen, wie gehe ich mit Scheitern und was sind Strategien, auch mit Rückschlägen umzugehen, weil sie das Gefühl hatte, dass genau das so ein bisschen fehlt und alle immer nur die Weisheit gebracht haben, die Rezepte, die richtigen Tools aus dem Hut zaubern und so weiter. Aber dass menschliche sozusagen, das menschliche Ringen gar nicht so stark wahrgenommen wird oder auch seinen Platz haben darf. Und genau da wollen wir unterstützen und auch sagen, Es ist okay, wenn du ganz klein anfängst, egal ob als Einzelperson, als in 1 Hierarchie irgendwo einsortierte Person oder auch an der Spitze 1 Hierarchie stehend. Aber mach deinen Job gut. Und das erwarte ich einfach von allen. Und deswegen wäre auch da mein großes Petitum einfach, sich nicht zu unterschätzen und auch die anderen nicht zu unterschätzen, sondern immer davon auszugehen, dass jeder immer nur das Gute will.
Zackes Brustik: Jetzt geht es wirklich auch gleich rein in die Unternehmensstrategien. Wir schauen uns SDG 12 an, warum das so zentral ist. Das ist ja genau auch das SDG, was bei den Unternehmen antokt. Und wir schauen auch gleich rein in ganz viele Beispiele von Faber Castell zu Packende, Textilproduktion oder Dessau im Teppichbereich. Was die anders machen, auch die Rewe Group mit ihrem Nachhaltigkeitsfonds, der fast 1000000000 schwer ist. Aber vorher noch, du hast gerade die Gruppe angesprochen mit Gegenwind umgehen. Und das ist auch eine These in deinem Buch, die finde ich sehr gut. Du sagst so, was dich unglaublich nervt, sind all die NachhaltigkeitsexpertInnen, die im einstelligen Jahresbereich liegen, also die sich seit ein, 3, 5 oder 7 Jahren mit Nachhaltigkeit beschäftigen und großes Getöse im Internet machen. Zu dieser Gruppe zähle auch ich, die lustigerweise auch gerade seit die EU, den Boden unter den Füßen weggezogen hat, am meisten am Straucheln sind und das Orientierungslosigkeit empfinden und nicht wissen, geht es weiter, wie weit ist mein Geschäftsmodell weg, wo ziehe ich die Motivation her weiter zu machen. Und da sagst du, eigentlich gibt es ganz viele Profis, die 10, 20, 30 Jahre im Business sind. Das sind auch die Pioniere, die du erwähnt hast, die sagen so, jetzt erst recht. Die sind das schon längst gewohnt und die haben verschiedene Strategien zum Überwintern. In deinen Worten, warum nervt dich erste Gruppe so und welche Strategien hat die zweite Gruppe, in so 1 Phase wie jetzt zu überwintern?
Yvonne Zwick: Ich habe die Beobachtung gemacht, dass ganz viele in den letzten Jahren gesagt haben, Nachhaltigkeit sei ein neues Thema. Und allein das finde ich skurril. Nachhaltigkeit ist überhaupt kein neues Thema. Wir diskutieren es seit Jahrzehnten und schon gar noch sehr viel länger. Also wenn man Begriffe betrachtet wie die große Transformation, dann sind die 1944 geprägt worden. Und das ist eigentlich das, was nervt, dass es diese Vergessenheit gibt. Wo kommen denn all diese Dinge her? Was ist der Grund, was ist die Quelle dafür für manche Regulierungen, die ja ganz regelhaft über 10 Jahre in der Regel in einem EU-Regulierungsprozess sich entwickeln und aufbauen, von der ersten Ankündigung bis hin zu einem Richtlinienentwurf. Und ganz viele setzen dann hinten an und freuen sich über Veränderungen, die eigentlich zum Beispiel gar keine sind. Also gerade jetzt die ESRS-Standards sind für mich ein ganz, ganz, ganz prominentes Beispiel, weil immer wieder werden da Neuigkeiten durchgenudelt, die eigentlich keines sind, wo man sich fragt, ja okay und jetzt? Also warum das große Erstaunen, warum die große Freude und warum die Erwartung, dass das jetzt die Lösung bereitstellt, wenn man einen anderen Bereich, nämlich den der Nutzer der Daten, außen vor lässt und ob diese Informationen, die dann generiert werden, wirklich deren Risikoassessment-Bedarfe tatsächlich decken. Und die Beobachtung ist einfach auch auf 1 anderen Seite, dass ganz viele Agentinnen für den schrittweisen nachhaltigen Wandel in Unternehmen, die das über Jahrzehnte aufgebaut haben, plötzlich wegsortiert werden. Die sind dann Anfang Mitte 50, Ende 50 und dann kommen eben jüngere Menschen, die irgendwas mit Nachhaltigkeit studiert haben, was ich total klasse finde, und werden den Personen vor die Nase gesetzt oder die Alten werden sogar ausgefasst, sage ich jetzt mal, weil die Jüngeren natürlich dann auch weniger kosten mit der Erwartung, dass die es vielleicht besser können. Und ab und an habe ich auch das Gefühl, dass da die Reibung mit den alten Hasen dann eher umgangen wird und auch die potenzielle Kritik, die an 1 etwas oberflächlichen Herangehensweise, die eben die historische Entwicklung vielleicht auch nicht kennt, auch in einem Unternehmen selbst nicht kennt, dass man diese Reibung nicht zu nutzen weiß. Das heißt, das, was mich nervt, sind weniger die, die nachkommen, weil ich freue mich über jeden super gut Ausgebildeten, der auf einem ganz anderen Diskursniveau einsteigen kann als ich, der sich das ja auch selbst alles erst angeeignet hat, learning by doing und im Job und so weiter. Und dass wir viel viel mehr werden, weil man dann natürlich uns auch nicht mehr in Gänze aus dem Weg gehen kann. Aber dem Management mache ich den Vorwurf, weil Wurzeln teilweise abgeschnitten werden für die Entwicklung 1 Themas, egal ob in 1 Bank oder in einem Unternehmen selbst, und man sich damit auch die Chance vergibt, die lange Linie, die ja schon angelegt war, von früher her weiterzuentwickeln und auf der Grundlage aufzusetzen. In einem Beispiel besprochen, wie viele haben ein EMAs Umweltmanagement System zum Beispiel im Unternehmen aufgebaut oder kennen die Social Accountability Standards in Industrieprozessen. Und dann kommt eine CSRD-Debatte und eine ESRS-Debatte und die Expertise, die auf dem Level angreift, fängt dann genau auf dem Level an und kennt aber die Prozesse, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden, gar nicht und könnte es im Prinzip auch kaum in Wert setzen. Und das ist das, wo ich manchmal denke, da gibt es dann auch Kommunikationsbrüche innerhalb der eigenen Strukturen, die den Saft rausnehmen aus der ganzen Entwicklung des Themas, die dann wiederum zu betriebswirtschaftlich überzeugenden Ergebnissen führen können. Und die, die am besten dastehen, das sind die, die das alte Wissen gut organisieren und managen können und auch diese Übergänge gut organisieren, zum Beispiel, indem sie Tandems bilden aus alten Häsinnen und Hasen mit den jungen Wilden, wo die alten Hasen dann auch von der Energie der Jungen profitieren und andersrum die Jungen von dem alten institutionellen Wissen, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Zackes Brustik: Du hast gesagt, 1 der schönsten Themen, einerseits unternehmerisch nach vorne zu kommen, aber halt auch unglaublich viel zu bewirken, weil es auf alle, nicht auf alle, aber ich glaube auf 9 der 17 SDGs einzahlt, ist SDG 12. Jetzt sage ich es einmal richtig. Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion. Warum ist das Thema so relevant? Und gleich am besten ein paar ganz konkrete Beispiele von Unternehmen, die hier unglaublich viel bewegen.
Yvonne Zwick: Ja, SDG 12 ist so relevant, weil es im Designprozess schon anlegt, ob End of Pipe die Konsumentinnen und Konsumenten nachhaltig konsumieren können überhaupt. Wenn ich ein nachhaltiges Design anlege, dann brauche ich nämlich ganz viele Einzelentscheidungen, den Kundinnen überhaupt nicht zuzumuten, sondern dann ist es im Produkt eingewoben, dass es kreislauffähig ist, dass es ressourcenleicht ist, dass es fair ist und so weiter, dass es einen Nutzen stiftet. Und deswegen hat das so eine große Hebelwirkung. Und gerade Es gibt dann auch die Bereiche, mit denen wir uns ja auch täglich befassen, wie zum Beispiel Essen und Trinken. Gerade bei landwirtschaftlichen Produkten fließt ja auch viel Geld rein. Wenn wir EU-Agrarsubventionen anschauen, dann gehen 80 Prozent in tierische Produkte. Und Das ist eigentlich ineffizient und klimaschädlich. Und da gibt es dann auch wieder einen guten Ansatzpunkt, zu schauen, wie können wir eigentlich Anreizsysteme so bauen, dass auch unternehmerisches Handeln sich in die Richtung orientiert, mehr auf pflanzliche Ernährung zu gehen, was auch ein Gesundheitsfaktor ist, weil dann Überkonsum auch tierischer Produkte eingedämmt wird und es nicht nur dem Klima nützt, sondern auch der individuellen Gesundheit und damit potenziell Krankenkassen entlastet und die Gesundheitsausgaben.
Zackes Brustik: Ich glaube, das Beispiel kennen alle. Rügenwalder hat das natürlich exemplarisch vorgemacht, die mittlerweile über 50 Prozent des Umsatzes mit Fleischersatzprodukten machen. Also ich glaube, vorbildlicher geht es nicht. Ob jetzt die Fleischersatzprodukte 100 Prozent nachhaltig produziert werden, das ist nochmal eine Diskussion für sich. Ich glaube, da muss man ehrlicherweise sagen, dass Rügenwalder noch nicht 100 Prozent transparenter ist, noch Luft nach oben, hat Jan Predak mal gesagt im Podcast von Veganz, aber eine andere Diskussion. Coole Beispiele, wo du sagst, wo wir jetzt hier mit dir an der Quelle sitzen, wo du sagst, das sind Unternehmen, die haben sich zum Beispiel SDG 12 angenommen und sind damit dann aber auch unternehmerisch erfolgreich unterwegs. Also wen siehst du, der das wirklich gut umsetzt?
Yvonne Zwick: Zum Beispiel die Teppichhersteller Dessau, Tarkett und Interzero, die auf Cradle-to-Cradle setzen, auf Kreislauffähigkeit von Teppichfasern zum Beispiel, die auch Teppichfliesen wieder zurücknehmen, was den Kundinnen dann wiederum Kosten für die Entsorgung spart und die Rohstoffe zurückführt und in den Kreislauf bringt. Oder auch, wir haben Anna-Jona ja einmal mit dem Baum Umweltpreis ausgezeichnet für ihren Minimalschuh Wildling, die auch auf eine Rezyklierbarkeit achtet und die auf innovative Stoffe achtet. So kann man die Liste immer weiterführen.
Zackes Brustik: Da würde ich kurz reinkrätschen, weil ich finde gerade Wildling, ich finde großartig, was die machen, aber ich sage jetzt mal ganz fies formuliert in meinen eigenen Worten, dass ein sehr spitzes Produkt für, ich sag mal, privilegierte Eppendorfer oder Eimsbüttler, die sich die Schuhe leisten können. Deswegen wiederum, die produzieren Teppiche, ich sag mal, eher für Industrie, Büro, also im großen Maßstab überall einsetzbar. Das war jetzt ein bisschen fies zugespitzt, aber ich sag mal, die haben einen Bereich rausgesucht, Teppiche. Da musst du ja darauf achten, dass die auf Jahrzehnteabrieb fest sind, dass die brandfest sind. Da sind unglaublich fiese Chemikalien drin, wahrscheinlich richtig fiese Fasern. Und dort kreislauffähig zu werden und ein Produkt anzubieten, in einem unglaublich harten, marschendrächtigen B2B-Kontext, ist nochmal eine ganz andere Leistung, als ich bin jetzt wirklich fies, ich hoffe, Wildling verzeiht mir das, ich sag mal ein Lifestyle-Produkt. Das heißt, wie haben die das geschafft?
Yvonne Zwick: Wie teuer sind Wildlingen? 130 Euro. Wenn ich durch die Münchner Innenstadt laufe, stehen da jede Menge, überhaupt nicht nachhaltige Ballerinen zu Preisen von 250 Euro in den Schaufenstern. Also ich finde die Diskussion auch an der Stelle ein bisschen unfair. Ich rede jetzt nicht über die, und auch bei Deichmann, Baumitglied, gibt es ja Schuhe zu erschwinglichen Preisen, die auch auf Nachhaltigkeit setzen, die eben diese nachhaltige Design-Idee nicht 100 Prozent in der Gründungsidee drin haben. Da ist eher die Frage, wie kommt man von A nach B, also von dem etablierten Geschäftsmodell hin zur Erhöhung von Kreislaufanteilen. Und gerade im Business-Business-Bereich mit den Teppichen, wenn man schaut, wo überall industrielle Teppiche eingesetzt werden, Stelle ich mir nur mal vor, ein kreislauffähiger Teppich würde bei allen Messen ausgelegt werden. Was da an Schrott ausgelegt wird zu Billigpreisen, die hinterher in großen Containern landen, zu hohen Entsorgungskosten führen im Messebetrieb, statt dass der Rohstoff als solcher zurückgeführt werden kann, den Ausgabenposten bei den Messen senkt und die Teppiche auch in die Wiederverwertung einbringt. Das ist schon ein ziemlich großer Bereich. Also gerade deswegen richte ich mich auch an die Wirtschaft, weil dort die Umsätze ja so gewaltig sind. Kliniken, Hotels, Bürogebäude, überall wo Teppiche ausliegen, da kann man schon unfassbar viel machen. Ich finde, das ist kein Better-off-Thema, sondern es lenkt den Blick darauf, wer duckt sich alles komplett weg, bleibt im Dunkeln, macht damit sein Geschäftsmodell weiter und ignoriert, was die Chancen sind, in einem nachhaltigen Design zu einem völlig anderen Wertschöpfungsmodell zu kommen. Und von daher, Mit Sicherheit ist es ein Lifestyle-Produkt, es ist aber ja auch 1, was ein Umdenken auslöst, weil die Idee ja auch ist, dass das Design die Verbindung zur Natur wiederherstellt, jetzt im konkreten Fall von Wildling. Das heißt, es gibt da ja auch eine Idee hinter der Idee. Also es ist kein Lifestyle-Produkt das Lifestyle-Produktes willen. Oder wenn ich schaue, was Viva Con Agua macht, die auf großen Bühnen sagen, wir verkaufen Wasser, das zu tun, was wir eigentlich machen wollen. Zugang zu Trinkwasser herstellen. Und so gibt es einfach unglaublich viele, die einen Geschäftszweck haben hinter dem Verkauf von Produkten. Was ich beeindruckend finde, weil das einfach über das eigene Geschäftsmodell hinaus weist, ein gesellschaftliches Thema zu lösen und eine gesellschaftliche Lösung voranzubringen. Und wenn da große Partner und kleine Partner zusammenfinden und das Schule macht, ich glaube, dann ist einfach der Wandel möglich, weil ich glaube daran, dass die alten linearen Geschäftsmodelle an ihr Ende kommen werden, allein weil das Thema Entsorgung ein Kostentreiber ist.
Zackes Brustik: Ich habe gerade fies zugespitzt. Manchmal muss man auch sozusagen The Devil's Advocate sein im Podcast. Warum war es dir so wichtig, Wildling zu verteidigen?
Yvonne Zwick: Es geht mir gar nicht darum, Wildling zu verteidigen. Aber ich beobachte, dass es Unternehmen gibt, die jetzt momentan ganz schön mit Umsatzrückgängen zu tun haben und wir alle unter Druck stehen und in die Umstrukturierung müssen. Es geht Akteure wie Wildling oder Dentubs, auch die Zahnputztabletten, die als Pionierunternehmen ein neues Produkt entwickelt haben und dann die Nachahme haben. Wie kommt man da in eine betriebswirtschaftlich erfolgreiche Zukunft? Sie sind momentan alle am Kämpfen und es tut mir einfach in der Seele weh zu hören, wenn diese Umsatzrückgänge zu verschmerzen sind, auch bei VAUDE oder MEMO, auch mit GeschäftsführerInnen, die sich stark exponiert haben und die eigentlich Vorbild sind für das, was Wirtschaft in Zukunft leisten kann. Jetzt hast du die Wildlinge ein Lifestyle-Produkt genannt, aber wenn man sieht, für was wir sonst auch Frau ausgeben, so als Frau, Nails oder Lashes oder Schuhe, bei denen es überhaupt nicht drauf ankommt, ob sie recyclingfähig sind, sondern wo sich manchmal ja durchaus auch die Weichmacher in den Gummisäulen lösen und man plötzlich, ist mir original so passiert, mit fast Strümpfen durch die Hamburger Innenstadt in den nächsten Schulladen stürzt, überhaupt noch zum nächsten Termin zu kommen, dann ist mir so eine Verlässlichkeit halt durchaus wichtig, wo die Ökologie oder auch Fairness in der Produktion eine Rolle spielt und europäische Partnerschaften gestärkt werden, zum Beispiel mit Produktionsstätten in Portugal, Norditalien, osteuropäischen Ländern und so weiter. Und ich sehe es in Berlin, wo ich lebe und arbeite, auch wahr, dass die Primark-Tasche wieder cool ist. Und diese Unternehmen, von denen hätte ich halt auch gerne die Antworten, wie sie mit ihren Hardcore-Margen- und Preiskampf ihre Zukunftsfähigkeit sichern wollen, inklusive ökologischen Wirtschaftens und der fairen Transition hin in eine andere Wirtschaftszukunft.
Zackes Brustik: Mir kann ja nichts Besseres passieren, als spitze Thesen rauszuhauen und von dir korrigiert zu werden. Daher freue ich mich, dass du da nochmal drauf eingegangen bist. Trotzdem nochmal darauf kommt, auf gerade deswo mit den Teppichen. Ich war im Messebau früher, mal Geld nebenher zu verdienen, am Jobben und das ist wirklich kolossal, was da in der Messehalle an Teppich ausgerollt wird. Das wird alles mit den ganzen Messemüllen im Ständen, die geschreddert werden als Sondermüll, verklappt, verbrannt, weil das das günstige ist, versus quasi die Alternative sorgfältig zu trennen. Also richtige Katastrophe. Ein Thema, wo ihr euch, glaube ich, auch auf Baum drauf spezialisiert, und da kannst du jetzt nochmal reingehen, weil sowas, was das so schafft, klappt ja nur, wenn ganz viele andere mitziehen. Wenn die Messe mitzieht, ein neues System etabliert. 3 kurze Tipps, als Unternehmen effektiv mit anderen Willigen effektiver an einem Strang zu ziehen.
Yvonne Zwick: Geschäftspartner an einen Tisch bringen, Kundinnen und Kunden und die, mit denen man zum Beispiel in der Wertschöpfung sowieso schon zusammenarbeitet. Und dann die Plattformen erweitern, Geschäftspartnerschaften erweitern, Reichweiten erhöhen und neue Partner dazugewinnen und mit einbeziehen und damit auch den Wirkungsgrad erhöhen.
Zackes Brustik: Das wären die 3 Tipps. Und wenn ich das richtig verstehe, auch bei dir, das ist auch ein Vorgespräch, gesagt, da passiert eigentlich viel, viel mehr, als man meinen könnte, wenn man in die Medien schaut oder das politische Tagesgeschehen verfolgt. Also wirtschaftlich passiert, meinst du, so unter dem Radar passiert eigentlich viel mehr, als wir meinen gerade?
Yvonne Zwick: Die Journalisten fahren ja nicht zu den Geschichten des Gelingens, sondern dahin, wo es knallt und zischt und wo der publizierte Widerspruch stattfindet. Und das ist dann eben das Getöse in Berlin, was auch die Pluralität der Meinungslandschaft nicht darstellt, die ein BDI, BDA, DIHK in der Mitgliedschaft hat, weil das schlicht auch gar nicht möglich ist. Man muss ja zuspitzen und pointieren, bei der Politik Gehör zu finden. Und ich glaube einfach auch, dass Land auf, Land ab die unternehmerische Praxis viel, viel weiter ist als alles, was wir überhaupt über Beispielerzählungen und so weiter wahrnehmen können, weil die Coverage einfach in solche langweiligen Geschichten, etwas was einfach getan wird, ohne groß mit roten Pfeilen und Konfetti-Kanonen ständig kommuniziert und beworben zu werden, transparent und bekannt wird. Und gerade gestern hatte ich auch wieder ein Gespräch mit einem Unternehmen, was gesagt hat, wir machen viel, wir machen sogar viel mehr, als wir berichten und kommunizieren. Aber einfach auch, weil wir fürchten, hart kritisiert zu werden, weil es immer nicht reicht. Und das befeuert dann natürlich die deutsche Tugend der Perfektion. Und aus dem Interesse, was Perfektes abzuliefern, wird dann im Zweifel lieber weniger kommuniziert, einfach auch ein Reputationsrisiko zu vermeiden.
Zackes Brustik: Mit 2 Geschichten des Gelingens den Abschluss zu finden hier für diese Folge. Rewe und Faber-Castell. Ich fand die Beispiele super, weil das sind große Marken. Das eine ein sehr solider Mittelständler, das andere eine riesige Marke. Was machen die besonders und was hat man da nicht auf dem Schirm, was die machen?
Yvonne Zwick: Bei Faber Castell ist es so, dass die schon sehr, sehr lange, seit den 80er Jahren, nachhaltige Forstwirtschaft betreiben für ihre Plantagen, aus denen sie zum Beispiel die Holzstifte machen etc. Und bei der nachhaltigen Forstwirtschaft, das war schon in den Nullerjahren in der Berichterstattung ganz stark, bauen die Biodiversitätsinseln in ihren Kiefernplantagen. Das heißt, immer auch Bereiche, wo Natur Natur sein darf, verwildern darf, etc., Habitate zu bilden, die herum dann die Plantagen stattfinden, wo dann hochwertiges Holz produziert wird.
Zackes Brustik: Und ich glaube, das machen die bis zu einem Drittel ihrer Anbaufläche. Also ich glaube, von knapp 10.000 Hektar sind das 2.700 Hektar, die für biologische Vielfalt genutzt werden, was ökonomisch betrachtet ein krasser Einsatz ist. Also keine Ahnung, jedem CFO, den du sagst, du, wir haben hier eine Lagerfläche für eine Lagerhalle und ein Drittel davon nutzen wir nicht für unsere Kartons und Produkte, sondern für Biodiversitätsmaßnahmen, ist eine Ansage.
Yvonne Zwick: Genau, und damit konnten die die Vogelpopulation erhöhen und auch die Säugetierpopulation und das auch in Terms of, also im Hinblick auf Artenvielfalt. Und das sind einfach ganz konkrete ökologische Erfolge, für die ich Faber-Castell feiere. Und bei REWE ist die Erzählung, Das gibt es ähnlich auch von anderen Unternehmen, ehrlich gesagt. Dass als Sustainable Finance aufkam, der CFO beauftragt wurde, sich mit den Themen zu befassen und das erst jetzt gar nicht die große Euphorie ausgelöst hat, aber im Ergebnis zu 1 grünen Anleihe geführt hat, einem Sustainability Linked Bond, der nachhaltige Landwirtschaft befördern will. Der ist ausgestattet worden mit 900 Millionen Euro und ist gebunden bis 2030. Und er war in kürzester Zeit dreifach überzeichnet. Und das war so eine Geschäftsmodellerweiterung, auf die wären die ohne, dass Sustainable Finance auf der politischen Agenda gelandet ist, überhaupt nicht angegangen wären und aus der eine Geschäftsmodell-Innovation geworden ist, wo sie eine neue Ebene der Partnerschaft auch aufgebaut haben mit den Geldgebern und auch mit denen, die dann von diesem Fonds oder diesem Bond, dieser Anleihe profitieren.
Zackes Brustik: Dergleichen hast du noch weitere Beispiele im Buch. Das können wir jetzt hier im Podcast nicht mehr ausführen. Aber ich empfehle es nur jedem Nachhaltige. Machen 17 radikale Thesen für echten Wandel. Bestellt euch das Buch. Den Link gibt's in den Show Notes. Lest rein. Eine schöne Lektüre, aus der man sie viel mitnehmen kann. Was wäre dir noch wichtig an all die Sustainability-ManagerInnen, entweder der neuen Generation oder den alten Hasen, mitzugeben für die nächsten Wochen und Monate?
Yvonne Zwick: Immer einen Hund dazwischen setzen. Das hatten wir schon mal. Sowohl der älteren Generation als auch den Jüngeren empfehle ich, miteinander im Gespräch zu bleiben und den Mut nicht zu verlieren. Aufrecht bleiben, Haltung zeigen, sichtbar bleiben und einfach durchhalten. Wir schaffen das schon, dass auch das Pendel wieder nach vorne schwingt und dann geht es erst so richtig ab.
Zackes Brustik: Und nach vorne schwingen wird es nur, wenn wir dranbleiben und dafür sorgen. Vielen, vielen Dank Yvonne, dass du dir jetzt zum zweiten Mal die Zeit genommen hast. Es ist wie immer ein großes Fest, dich im Podcast zu haben. Führ zu neuen Gedanken.
Yvonne Zwick: Herzlich gerne. Tschüss, Zakis.
Zackes Brustik: Tschüss Yvonne. Und abonniert natürlich Gewinne Zukunft. Bleibt dran. Wir nehmen gerade erst Fahrt auf in der siebten Staffel. Das war die zweite Folge. Es werden viele Folgen, zum Beispiel mit Professor Kries der RWTH in Aachen zum Thema Kreislaufwirtschaft und den 3 Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft. Eine der Folgen in den nächsten Wochen. Ich freue mich drauf. Bis dahin abonniert den Newsletter zackes.com slash Newsletter und bleibt auf dem Laufenden. Bis dahin.
Yvonne Zwick: Copyright WDR 2021
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