#86 Kreislaufwirtschaft am Limit: Ein Wissenschaftler über Mythen, Chancen und die ‘drei Hauptsätze’ des Recyclings.
Shownotes
100% Kreislauf? Vergiss es! Der Wissenschaftler Prof. Thomas Gries räumt im Gespräch mit Moderator Zackes Brustik mit einer der größten Mythen der Kreislaufwirtschaft auf: Den perfekten Closed Loop wird es nie geben – er hat das Maximum des Möglichen sogar genau berechnet. Doch er sagt auch: Auf dem Weg zu dieser Grenze gibt es noch riesiges, ungenutztes Potenzial.
Das sieht auch die EU so. Daher kommt auf Unternehmen in Deutschland einiges an zirkulären Anforderungen zu. Stichwort Circular Economy Act oder die erweiterte Herstellerverpflichtung (EPR). Was müssen zukunftsorientierte Mittelständler für die Umsetzung jetzt wissen?
Als Leiter des Instituts für Textiltechnik (ITA) bringt Prof. Gries besonders umsetzungsnahe Einblicke aus der Forschung mit - unter anderem aus der ersten Modellfabrik für mechanisches Textilrecycling weltweit. Am Beispiel der Textilindustrie spricht er mit Zackes grundlegende Themen zirkulärer Geschäftsmodelle durch. Und er erklärt, was hinter den 'drei Hauptsätzen' der unternehmerischen Kreislaufwirtschaft steckt.
Nach dieser Folge weißt du:
✅ Welche drei Faktoren die maximale Recycling-Quote bestimmen. ✅ Was es mit 'Mülltonnengängigkeit', 'Hosenpfand' oder Sektorenkopplung fürs Recycling auf sich hat. ✅ Warum neue Formen der Kollaboration entscheidend sind, damit die Extended Producer Responsibility Regulation (EPR) & der Circular Economy Act nicht zum Rohrkrepierer werden.
Freue Dich auf eine Folge in der ein Systemblick auf unternehmerische Praxisnähe trifft. Und aus der Du branchenübergreifendes Wissen für die Umsetzung von zirkulären Geschäftsmodellen bekommst.
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SHOWNOTES:
Prof. Thomas Gries ist renommierter Wissenschaftler und Institutsleiter am ITA der RWTH Universität Aachen, einem der europaweit führenden Forschungsverbünden für Textilien. Zum ITA gehört unter anderem das Recycling Atelier der ITA Augsburg mit der ersten Modellfabrik für mechanisches Textilrecycling weltweit. Wende Dich an Prof. Grief für Fragen oder mögliche Kollaborationen: 📧 thomas.gries@ita.rwth-aachen.de 🔗 https://www.ita.rwth-aachen.de/cms/~jezh/ita/ 🔗 https://www.ita-augsburg.com/recycling-atelier/
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Transkript anzeigen
Thomas Gries: Da sagt jemand, ja ich habe aber doch neulich eine Fahrradkleidung gekauft, die war 100% recycelt. Dann stimmt das. Die Faser, die in der Fahrradbekleidung ist, die ist zu 100% recycelt. Aber auf die 100% zu kommen, muss ich dann 300% sammeln. Dieser Irrglaube, man könnte 100% alle Werkstoffe im jeweiligen Sektor im Kreis fahren, das steht immer noch als großer weißer Elefant im Raum und ist naturwissenschaftlich absolut unsinnig.
Zackes Brustik: Endlich ist es soweit. Ich hatte schon oft angekündigt, in dieser Staffel wird es einen Schwerpunkt auf dem Thema Kreislaufwirtschaft geben. Und mit dieser Folge geht es los. Warum? Das Omnibus-Paket hebt natürlich super viel an Nachhaltigkeits- und Reporting-Verpflichtungen auf, aber an der Kreislaufwirtschaft bleibt die EU dran. Unter anderem mit dem Circular Economy Act, als auch der EPR, also der Erweiterten Hersteller Verpflichtung. Das sind erstmal gute Neuigkeiten. Aber nicht alles, was ich mir als Enthusiast jetzt so vorstelle, was politisch vielleicht sogar geplant oder gewünscht ist und vor allem was für das Erreichen unserer Nachhaltigkeitsziele schlichtweg notwendig wäre, lässt sich tatsächlich auch erreichen. Auf die umsetzenden Unternehmen warten nämlich echt knackige technologische Hürden und prozessuale Herausforderungen, vor allem dann, wenn es gleichzeitig auch noch wirtschaftlich sein soll. Und dann gibt es auch noch ein paar unverrückbare Grenzen, über die nur ganz wenige sprechen. In dieser Folge hört ihr daher zum allerersten Mal von den 3 Hauptsätzen der Kreislaufwirtschaft. Formuliert hat sie Professor Thomas Gries, renommierter Wissenschaftler und Direktor des ITA, des Instituts für Textiltechnik an der LWTH Aachen. 1 der größten Institute für die Textilindustrie in Europa, an dem unglaublich praxisnah geforscht wird. Er ist zudem Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und in zahlreichen Beiräten. Er wird mir erklären, warum aus seiner wissenschaftlichen Sicht der perfekte Kreislauf nicht möglich ist, wie auf dem Weg zum Erreichbaren, aber dringend über Themen wie Sektorkopplung in der Kreislaufwirtschaft, Mülltonnengängigkeit und natürlich auch KI und Digitalisierung sprechen müssen. Anhand vieler Beispiel aus der Textilindustrie deklinieren wir einmal die grundlegenden Themen der Kreislaufwirtschaft durch und wie immer wirst du die Einblicke auch fast 1 zu 1 auf jegliche andere Branche übertragen können. Und damit herzlich willkommen bei Gewinne Zukunft, dem Nachhaltigkeits-Podcast der Pioniere und Professionals. Mein Name ist Zakkes und ich freue mich wie immer enorm, dass du mit an Bord bist. Los geht's. Moin Thomas, richtig schön dich dabei zu haben.
Thomas Gries: Ja, schönen guten Morgen, es freut mich auch sehr.
Zackes Brustik: Ich habe dich kennengelernt in einem Panel in Augsburg. Das ist auch eine, die Hochschule, die Technische in Augsburg gehört auch zum ITA. Ihr seid wirklich ein riesiger Komplex, der da am vorderster Front forscht. Das Spannende ist, in Augsburg habt ihr die erste Modellfabrik für mechanisches Textilrecycling weltweit. Und da hatte ich 2 Gefühle, ein sehr positives und ein Schreckmoment. Einerseits dachte ich, mega cool, dass wir sowas in Deutschland haben, dass wir wirklich exzellent vorne mit dabei sind. Und dann dachte ich so, warte mal, Moment mal, wenn das die erste Mobilfabrik weltweit ist, was heißt das denn dann für den aktuellen Stand von Recycling? Dann müssen wir richtig hinterher sein, wenn das überhaupt noch nicht in der Industrie ist. Sind da so 2 Emotionen, die selbst dich tagtäglich in 1 Arbeit begleiten?
Thomas Gries: Absolut. Also es ist mit Recycling beschäftigt man sich ja schon sehr lange. Und ich habe auch in meinem Berufsleben die eine oder andere Technologie untersucht oder entwickelt. Und immer sind diese Technologien nicht in den Einsatz gekommen. Und vor ungefähr 5 Jahren gab es eine Circular Economy Initiative Deutschland mit dem Schwerpunkt Batterie und Verpackung von Akatech zusammen mit anderen Und der Abschlussbericht, die Zusammenfassung endete mit einem Ratschlag, dass Recycling nicht eine Technologie ist, sondern eine Konfiguration aus mehreren Technologien. Und sie muss wirtschaftlich sein und sie muss letztendlich den Konsumenten abholen, sodass dafür neue Formen der Zusammenarbeit, Kollaboration notwendig ist, mehr als denn die Entwicklung von einzelnen Technologien. Und das hat mich stimuliert. Wir hatten damals schon die erste Lernfabrik Industrie 4.0 und haben uns dann entschieden, ein sogenanntes Kreativlabor, das Recycling-Atelier aufzubauen, wo wir genau das gemacht, umgesetzt haben, was Architekt damals in dem blauen Himmel geschrieben hat, nämlich Kollaboration und das Zusammenbringen unterschiedlicher Stakeholders.
Zackes Brustik: Das heißt erstes Takeaway schon, egal was technologisch machbar ist, es sei es in der Garnproduktion, es sei es auch in anderen Industrien, in denen ihr jetzt nicht tätig seid, Batterieproduktion, es sei es Verpackung, sofern es nicht kollaborativ in der gesamten Wertschöpfungskette angewandt wird, umsetzbar ist und alle Stakeholder an Bord sind, ist es eigentlich ein Rohrkrepierer.
Thomas Gries: Ja, weil es letztendlich umzusetzen, muss ich jemanden haben, der den Nutzer motivieren, die Sachen zurückzugeben. Ich muss sie sammeln und logistisch irgendwo zu einem Punkt zusammenbringen. Ich muss sie dann auftrennen. Viele Produkte, die wir haben, sind nicht ein Material, sondern komplexe Produkte. Ich muss dann die einzelnen Komponenten trennen, mir überlegen, was ich für die unterschiedlichen Wertstoffströme mache. Nicht alles ist in der Branche recycelbar, sondern ich habe Seitenströme, die anders recycelt werden müssen oder die gar nicht recycelbar sind, die man energetisch nutzen muss. Und dann geht letztendlich die Wertstoffkaskade wieder los. Wie viel breche ich das runter bis auf das Rohmaterial? Oder kann ich auch Teile nutzen, also im Sinne von Upcycling? Wie mache ich daraus wieder Produkte? Wie bringe ich die Produkte wieder in den Markt, wie brenne ich das, schaffe ich regulatorische Randbedingungen, dann merkt man schon an der Aufzählung, dass das 1 allein nicht kann. Wir können das heute auch gerne am Beispiel der Textilindustrie mal durchdeklinieren, aber grundsätzlich gilt diese Kollaborationsnotwendigkeit für alle Branchen. Ja sogar, wir werden das gleich an den Beispielen sehen, ich muss über eine Sektorkopplung nachdenken. Also wenn ich Textilrecycling sage, wird nicht alles in der Textilindustrie bleiben. Wenn ich Batterierecycling sage, wird nicht alles in der Batterieindustrie bleiben und das ist eben auch ein weiterer Take-Home-Message. Ich muss über die Grenzen von klassischen Industriesektoren hinausdenken.
Zackes Brustik: Mega spannend. Das Wort Sektorkopplung hatte ich im Kontext von Kreislaufwirtschaft noch nie gehört. Das ist das allererste Mal. Das heißt, ich bin richtig gespannt darauf, dass wir das nachher durchdeklinieren. Wir werden auch gleich noch darauf kommen. Ich werde mir kurz erwähnen, was die EPR hier gerade vor allem dann auch jetzt aktuell an den Start bringt, was verpflichten wird im nationalen Recht. Bevor wir dahin kommen, wir werden das durchdeklinieren anhand der Textilindustrie. Ich glaube, so wir haben allen vages Gefühl dafür, dass hier die Herausforderung der Footprint echt enorm ist in der Industrie. Aber nochmal aus, wo wir gerade Sicht hier haben, als Quelle sozusagen, warum brennt das Thema in der Textilindustrie? Also warum ist es hier so wichtig? Wie sieht es aus mit Recyclingquoten? Was sind so ein paar Zahlen, die das wirklich gut für Bildlichen, auch wenn man jetzt Amateur ist oder nicht in der Industrie arbeitet?
Thomas Gries: Ich würde, bevor ich darauf eingehe, vielleicht noch das Bild etwas größer zeichnen. Grundsätzlich ist ja das Thema Nachhaltigkeit, also wie kann ich ohne Nutzung und Ausbeutung fossiler Quellen, in unserem Fall natürlich überwiegend Erdöl, eine Wirtschaft aufbauen. Das große Stichpunkt heißt Renewable Carbon, also nicht Dekarbonisierung, wie häufig gesagt wird, weil ich brauche kohlenstoffbasierte Werkstoffe. Die Frage ist, kann ich die nachhaltig, also ohne die Nutzung von Erdöl oder Erdgas generieren? Das geht. Ich kann natürlich Naturwerkstoffe nehmen, Biopolymere, Naturfasern. Ich kann, wie die Natur das übrigens macht, CO2 nutzen. Also die Natur recycelt über CO2. Das heißt dann Stichwort Carbon Capture Usage und mache daraus neue Werkstoffe. Oder ich kann eben Werkstoffe, die in der Nutzung sind, rezyklieren. Also die 3 Möglichkeiten habe ich nachhaltig zu werden. Man wird alle 3 kombinieren müssen. Also wir können zum Beispiel in der Textilindustrie nur ein Viertel der Werkstoffe wirklich aus Naturwerkstoffen bestreiten, weil wir natürlich da auch mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren. Das ist so das große Bild, also das Recycling ist ein Beitrag, Rohstoffe möglichst lang nutzen zu können. Warum Textilindustrie? Es ist die zweitgrößte Konsumgüterindustrie am Ende des Tages und damit natürlich von hoher Bedeutung. So viele Menschen wie wir haben, so viel wir konsumieren, das bestimmt sozusagen die Bedeutung der Textilindustrie an dieser Stelle. Viele andere Rohstoffströme sind kleiner oder wirtschaftlich unbedeutender und am Ende des Tages ist gerade aus der zweitgrößten Konsumgüterindustrie wichtig und gut sich darauf zu konzentrieren. Grundsätzlich bei allen Formen des Recycling ist es so, die Recyclingquote ist erschreckend gering. Wir haben über alle Branchen hinweg ungefähr 5% Recyclingquote. Die ist sogar gesunken, vor Corona war sie bei 6%. Und bei Textil aus verschiedenen Gründen ist sie sogar noch geringer. Sie liegt bei ungefähr 1 Prozent. Das heißt, sie ist natürlich zur Lösung dieser eingangs gestellten Rohstofffrage, ist die Recyclingquote bei weitem zu gering. Wie hoch sie sein kann, werden wir glaube ich im Folgen des Gesprächs herausarbeiten. Sie wird nicht 100 Prozent sein. Viele sagen so in Größenordnung 30 Prozent. Auch das ist sehr interessant, weil viele Menschen glauben, man könnte 100 Prozent recyceln. Aber nichtsdestotrotz zwischen einem Prozent heute und 30 Prozent so als Zielgröße ist natürlich ein riesengroßer Gap.
Zackes Brustik: Du hörst, diese Folge geht schon in eine richtig spannende Richtung. Was ich sonst noch so an Insights auf all den Konferenzen einsammle, auf denen ich moderiere, wenn ich hinter den Kulissen mit Panelisten spreche, das liest du in www.zackes.com/newsletter. Einmal im Monat kuratier ich da knackig zusammengefasst meine Eindrücke aus all den verschiedenen Menschen, denen ich begegnen darf und verlinke spannende und hilfreiche Ressourcen oder Artikel für die Community .www.zackes.com/newsletter. Auch wieder da gleich 2 widerstreitende Emotionen, wenn man merkt, okay, wow, von 1% auf 30%, das wäre echt ein enormer Vorsprung. Andererseits, in der Regel, glaube ich, hat man schon das Gefühl, wenn man so nachhaltigkeitsüberzeugt ist, vielleicht auch ein kleines bisschen idealistisch, dass man irgendwie schon so die perfekte Kreislaufwirtschaft schaffen könnte, wenn wir nur wollten, die 100 Prozent. Da freue ich mich enorm drauf, gleich da reinzuschauen, was ihr so aus der Wissenschaft dazu sagt. Wenn wir auf das Pie-Chart der Textilien gucken, wo ist denn der größte Footprint oder der relevanteste Footprint? Weil Textilien gehen ja in ganz viele verschiedene Bereiche rein. Wir haben die Consumer-Textilien, wir haben Bautextilien, wir haben in der Medizin Textilien für Herzklappen, Aerospace. Wo ist der größte Hebel? Oder der größte Verursacher auch?
Thomas Gries: Da würde ich ganz strikt auch nach Mengen gehen. Nach Mengen und natürlich auch vielleicht noch gewichtet nach Energieeinsatz oder Footprint der Rohwerkstoffe. Und das analysieren. Was ich häufig wahrnehme in Diskussionen, dass man so ganz spezielle Themen nimmt, wie zum Beispiel meine Outdoorjacke oder meine Herzklappe. Das sind, wie mal 1 meiner Vorväter sagte, karierte Maiglöckchen. Da muss man aufpassen, dass man nicht aus so singuläre Dinge stürzt, die dann keine Mengen und keine umwelttechnische Relevanz hat. Und die größten Bereiche sind natürlich nach wie vor die Bekleidung aus Verbrauchs- und Konsumentensicht. Und der zweite sicherlich große Sektor ist Hygiene. Da gibt es auch noch kaum Lösungen, weil Hygiene als Hygieneprodukte, Windeln oder Monatshygiene bei Frauen natürlich als biologisch kontaminiert gilt und damit nicht recycelt werden darf. Also da gibt es noch eine ganz grundsätzliche Fragestellung, aber das ist ein sehr großer Bereich, vor allem weil die Sachen ja nur einmal benutzt werden. Und dann gibt es natürlich im Sinne bei den langlebigen Produkten sicherlich der Mobilitätsbereich, also Automobilinnenverkleidung und den Baubereich. Diese letzten beiden Bereiche haben ja dann auch eine eigene Regulatorik, eigene Labels, eigene Kreislauflogiken und sind dann gar nicht so Textil zu betrachten, sondern wirklich aus Sicht der Bauindustrie, aus Sicht der Automobilindustrie. Aber ich würde eben sagen Bekleidung, zusammengefasst nochmal Bekleidung, Hygieneprodukte, Bau und Mobilität sind sicherlich so die 4 Punkte, auf die man Augenmerk richten sollte.
Zackes Brustik: Ich glaube, ich bringe selber auch noch mal ein paar Zahlen rein. Ein paar davon habe ich sogar von dir, andere habe ich gegoogelt. Ich glaube, was so den Müll angeht, in Europa allein verschwenden wir oder haben ja insgesamt, ich glaube, 5000000 Tonnen Müll aus entweder Kleidung oder Footwear, also Schuhen. Das sind so ungefähr 12 Kilo pro Kopf pro Jahr. Und ich habe mal eine faszinierende Zahl von dir gehört, das war in einem Panel in Augsburg, dass ein Kleidungsstück im Schnitt gerade mal viermal getragen wird. Das sind so eine absolut niedrige Zahl. Kannst du die noch mal kurz aufbereiten?
Thomas Gries: Natürlich ist Bekleidung ein schönes Beispiel und ein sehr emotionales Beispiel. Und wenn man jetzt überlegt, wie kann ich eine möglichst effiziente Kreislaufwirtschaft machen, dann fängt das letztendlich an beim Konsum. Und genau, es gab die Kleiderschrankstudie vor 5 Jahren und die finde ich mehrfach interessant. Erstmal ist die die durchschnittliche Nutzung 4 bis 5 mal, je nach Produkt. Da wird jeder sagen, ach nein ich benutze auch ein Textil ewig. Ganz interessant, jeder möge heute Abend mal an den Kleiderschrank gehen und durchzählen. Es gibt den Hochzeitsanzug, den trägt man nur einmal, man kriegt Sachen geschenkt, die stapelt man. Im Schnitt ist diese Studie valide und gilt interessanterweise sogar für jeden. Man sagt ja, die junge Generation mit Fast Fashion. Nein, das ist Lebensalter und auch Einkommensunabhängig. Leider so. Und das ist natürlich ein Riesenhebel. Dazu kommt natürlich noch, dass bevor ein Textil gekauft wird, der Verlust in der Einzelhandelspipeline, da gibt es unterschiedliche Zahlen, aber ich sage mal, die Brauchsformel ungefähr bei 50 Prozent liegt. Das gilt sowohl im geschäftsgestützten Einzelhandel als auch im Internet Einzelhandel. Das heißt, es wird doppelt so viel produziert, wie nachher verkauft wird. Und das sind natürlich 2 Dinge, die alarmieren müssen und die den allergrößten Hebel haben. Denn je länger ich was benutze und indem ich nur das kaufe, was ich auch wirklich brauche, damit könnten wir sofort wieder zurückgehen und ausschließlich Naturfasern nutzen. Bei weitem, wir müssten uns über Recycling dann in der zweiten Stufe Gedanken machen, wären aber schon mal bei der Rohstoffherstellung und grün im verkürzten Sinne. Also der Konsum und dann auch der Weg zum Konsum ist der allergrößte Hebel, nachhaltig zu werden.
Zackes Brustik: Ich finde das schon krass, also weil das ist ja auch wieder, Das hatte ich in 1 anderen Folge mit 1 Psychologin. Wie sehr uns da auch unsere eigene Psyche was vorspielt. Ich glaube einfach, weil ich jeden Tag fast immer die gleichen Socken anziehe oder auch Unterwäsche, das schreibst du auch selber in anderen Beiträgen, die wird sehr oft getragen. Aber insgesamt, wenn man dann alle Kleidungsstücke durchzählt, gibt es im Schnitt nur 4 Nutzungszyklen für die Kleidung. Das ist schon krass. Also ich glaube, da haben wir alle so ein bisschen eine kognitive Verzerrung von unserem täglichen Erfahren versus das, was dann die harte Statistik sagt. Das ist schon ziemlich krass. Plus natürlich, dass halt die Hälfte erst gar nicht bei uns ankommt. Das ist natürlich so oder so absurd.
Thomas Gries: Dann das nächste natürlich im Gebrauch, insbesondere bei Bekleidung, die Reinigung. Wir haben uns alle daran gewöhnt, dass wir die tollsten Waschmaschinen im Keller haben mit Trockner und so weiter. Kleines Fragezeichen ist wirklich das Betreiben 1 feucht chemisch-physikalischen Prozesse in dezentralen Kellern die effizienteste Möglichkeit oder wäre zum Beispiel ein zentraler Reinigungsservice, wie wir es zum Beispiel in der Berufsbekleidung haben, in großen Trommelwaschmaschinen, die viel kürzere Waschzyklen haben, die viel energieeffizienter sind, nicht unter Umständen auch wirtschaftlich. Auch das muss man berücksichtigen, weil der Energieverbrauch in der Nutzung deutlich höher ist als die Energie, die im Werkstoff gespeichert ist.
Zackes Brustik: Gut, das ist natürlich auch schon wieder so ein Punkt, wo wahrscheinlich 2 Wege auseinander gehen. Das, was du sagst, was wissenschaftlich sinnvoll wäre und wie du sagst, Berufsbekleidung gibt es das schon. CWS macht das glaube ich auch extrem gut als Unternehmen. Die leasen sogar Berufsbekleidung, Aber ich glaube auch, da machen wir uns beide nichts vor. Wenn man in Deutschland vorschlagen würde, dass wir Wäsche gesammelt waschen, einsammeln lassen, da ging ein Aufschrei durchs Land. Das hätte sofort wieder, würde das unter Verbotsideologie laufen. Also Ich glaube, da brauchen wir wahrscheinlich, in der Richtung brauchen wir gar nicht lange diskutieren. Das ist noch sehr weit entfernt von der Umsetzungsrealität.
Thomas Gries: Da bin ich völlig dabei. Größter Hindernis ist die emotionale Wahrnehmung. Wir sehen das am Wärmepumpen, wie eine Bildserie letztendlich und eine Politisierung, eine technisch sinnvolle Lösung komplett diskreditiert. Ich hätte aber nichts dagegen, wenn es einen Service gäbe, wo ich einfach den Wäschekorb rausstelle und kriege ihn einen Tag später wieder. Würde ich liebend gerne machen. Ja, meine Frau vielleicht schon nicht und so weiter. Es ist ganz klar, was ich da auf.
Zackes Brustik: Also wir kommen gleich zu deinen 3 Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft. Vorab, was hat die EU vor? Warum müssen wir auch aus EU-Sicht drüber sprechen? Es gibt 2 Dinge, die aktuell laufen. Seit August läuft die Konsultationspflicht zum Circular Economy Act, das heißt Unternehmen haben jetzt noch so groben Jahr Zeit sich einzubringen und dann macht die EU ernst, je nachdem wie die Konsultationen laufen, weil die all die Themen, die du aufgezählt hast, natürlich über verschiedene Branchen hinweg angehen will, also in der Chemiebranche, Verpackungsbranche, Textilbranche, aber auch in der Baubranche Und da geht es wirklich darum, ganz viele Regulatoriken zu versammeln und zu vereinfachen, weil das sehr fragmentiert ist aktuell im nationalen Recht. Es geht darum, Materialien auf dem Kontinent zu halten, die Digitalisierungskomponente zu erhöhen, dass wir wirklich standardisierte Daten haben, gerade für die Kooperation, die du eingangs erwähnt hast. Und es geht auch darum, dass Rohstoffe den Kontinent nicht mehr verlassen. Und dann kommt noch eine zweite Regulation, über die wir uns unterhalten müssen, weil die ist in Kraft seit Februar. Das ist die EPR Regulation, also die Extended Product Responsibility oder die erweiterte Herstellerverantwortung, eigentlich revolutionär, weil das zum allerersten Mal quasi die Pflicht zum Recycling und zum Einsammeln vom Konsumenten oder von den Ländern zurück zu dem Hersteller bringt, die seit Februar in Kraft und bis August 2026 ist die Übergangszeit, da muss die gegossen werden in nationales Recht jeweils. Und das ist ja immer der Unterschied, Act versus Verordnung, in diesem Fall ist es eben eine Regulation, eine Verordnung, das heißt nationales Recht. Da gibt's Länder, die sind schon weit voraus, Frankreich hat das zum Beispiel sehr gut schon umgesetzt, schon viele, viele Jahre. Niederlande, Deutschland, ich befürchte, ist weit hinterher. Das heißt, das hängt dann immer davon ab. Das wissen wir auch, wie das damals in der CSAD gelaufen ist. Die Übersetzung Nationales Recht kann dann ihre Zeit in Anspruch nehmen. Das sind aber die Sachen, die man aus jeden Fall als Profi auf Sicht haben muss, weil die betreffen alle möglichen Branchen, der Circular Economy Act als auch die EPR ist nicht nur für die Lebensmittelbranche, die Textilbranche, sondern auch gerade Batterieproduktion und ganz viele andere Branchen relevant. So, das heißt, die Politik will glücklicherweise noch viel an dieser Stelle. Was davon ist sinnvoll? Was ist eine Illusion?
Thomas Gries: Was die anstehende Regulatorik angeht, da bin ich nicht im Detail drin. Ich erlebe lediglich als einen Kommentar, dass wir hier eine sehr starke Polarisierung im politischen System hat, die Politik gegen den Bürger, gegen die Industrie und nicht miteinander und da kommen, befürchte ich, dass unter Umständen Dinge rauskommen, die schon im Ansatz nur bedingt sinnvoll sind, ähnlich wie bei der Abgasverordnung und später dann in der Umsetzung entweder verwässert oder verschleppt werden. Ein Blick nach China, auch wenn ich das politische System nicht für gut heiße, ist es doch technokratisch und eben kohärenter. China will bis zum Ende der Dekade 30 Prozent Rücklaufquote haben. Das ist sehr ambitioniert und andererseits glaube ich auch, wie ich gleich ausführen werde, dass viel mehr kaum möglich ist. Und ich fürchte eben, dass in diesem typischen Wechselspiel, wie das in Europa ist und das erlebe ich auch im Dialog mit Einzigenstekohler, dass eben genau dieses, dieser Irrglaube, man könnte 100 Prozent alle Werkstoffe im jeweiligen Sektor im Kreis fahren, das ist immer noch, steht immer noch als großer weißer Elefant im Raum und wie ich gleich ausführen werde, ist naturwissenschaftlich absolut unsinnig. Und das ist bei den Dingen, war für mich ein Hauptanliegen, diese 3 Hauptsätze zu formulieren und grundsätzlich ja über das Recycling Gedanken zu machen, nicht nur über Einzeltechnik.
Zackes Brustik: Also ich bin jetzt super gespannt, ich habe schon so oft angesprochen, deine 3 Grundsätze der Kreislaufwirtschaft und im Anschluss dann, welche Herausforderungen auf dem Weg dorthin noch warten.
Thomas Gries: Also meine Motivation war gegen diese Irrglauben des hundertprozentigen Recyclings, wo sich einfach gefühlsmäßig, aber auch bei plausiblen Überlegungen mir zeigt, das geht doch gar nicht, eben anzukämpfen. Und ich habe das formuliert, zweiter Hauptsatz. Manche kennen das, der zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Damit werden wir als Ingenieure und Naturwissenschaftler gequält im Studium, aber der Ursprung war vor 100 Jahren ungefähr, 120 Jahren, war auch eben eine ähnliche Chimäre im Raum, nämlich das Perpetuum mobile. Man hatte die Verbannungsmode erfunden, die Dampfmaschine und glaubte, die Energiefragen der Zukunft gelöst zu haben und alles geht im Kreis und ist unendlich möglich. Auch das geht nicht. Heute weiß das jeder. Ich treffe zwar hier und da immer noch Menschen, die glauben, es ginge, aber dass es ein Perpetuum mobile gibt, glaubt heute, glaube ich, kein vernünftiger Mensch mehr. Und damals haben führende Naturwissenschaftler, Herr Maxwell zum Beispiel, Herr Bolzmann und andere, angefangen und haben gesagt, wir haben Verluste. Und haben das auch erst mal so flapsig formuliert, gar nicht mit Mathematik. Und später haben sie dann gesagt, ja es gibt das Konzept der Entropie, das heißt ich habe immer Wärme, die ich auf einem Niveau habe, wo ich sie nicht mehr ernsthaft gewinnen kann. Und heute weiß man eben, dass die auch wir auf der Erde nur energetisch überleben, weil wir eine große Quelle am Firmament haben, nämlich die Sonne. Das ist heute Gesetz und damals hat das eben auch sprachlich angefangen, bevor dann die Mathematik kam. Und dann habe ich überlegt, was heißt das für Recycling? Ist ja auch ein Kreislaufprozess. Und der erste, zweite Hauptsatz ist letztendlich auch bei einem Kreislauf von Werkstoffen habe ich Verlustenergien. Das heißt, ich muss immer wieder neue Energie einspeisen. Ich gehe auch immer sofort auf eine Lösung, das heißt, wenn ich in Kreislaufwirtschaft denke, muss ich auch in erneuerbaren Energien denken, sonst mache ich zwar, bin ich auf der Werkstoffseite cool, aber nicht auf der energetischen Seite. Das ist also der erste, zweite Hauptsatz. Auch das Recyceln von Werkstoffen braucht Energie. Der zweite Hauptsatz ist, die Qualität wird schlechter. Das fing an letztendlich aus eigener Überlegung bei Faserwerkstoffen. Wenn ich ein Textil aufreiße, was, by the way, übrigens seit Jahrtausenden gemacht wird, dann wird immer die Faser kürzer. Das heißt, nach dem Aufreißen verliert die Faser eine der wesentlichen Eigenschaften, nämlich die Faserlänge, Schritt für Schritt. Das gleiche, ich komme aus der Polymertechnik, also der Kunststofftechnik, wenn ich einen Kunststoff aufschmelze, was man ja machen kann, Flasche, das kann man genauso gut bei Fasern machen, dann wird die Molekülkette immer kürzer. Das Polymer wird thermisch geschädigt und ich verliere jedes mal ein bisschen Qualität. Übrigens gilt das auch für andere Werkstoffe. Wenn ich zum Beispiel eine Karosserie recycle, dann ist mehr Kohlenstoff im Lack als im Eisen. Das heißt, ich schleppe immer Verunreinigung rein und muss aufreinigen und so weiter. Dafür gibt es natürlich Abhilfe, aber auf hoher Qualitätsniveau kann ich eben, wie von mir zitiert, 30 Prozent fahren. Ein Teil geht dann in geringere Qualitäten, wo nicht so hohe Anforderungen sind und dann irgendwann kommt zu dem Punkt bestimmte Sachen zum Beispiel in der Metallindustrie schlacken, bei uns Bestandteile, die werde ich nicht recyceln können. Ich werde auch immer eine Fraktion haben, die irgendwo auf der Deponie endet. Und das ist der zweite Hauptsatz des Recycling. Es gibt dann noch einen dritten, ich bin Wirtschaftsingenieur, allein wenn man überlegt, wenn ich dezentral recycle, ich sammle also bestimmte Stoffströme, recycle die im Ruhrgebiet oder in dem Raum München oder Berlin, dann habe ich in der Regel, das kann man ganz einfach ausrechnen, kleinere Anlagen und kleinere Anlagen heißt im Sinne von Economics of Scale, also Skaleneffekte, dass ich teurer produziere. Egal was ich anstelle, weil die Töpfe, in denen ich das mache, sind kleiner und damit habe ich größeren Energieverlust. Ich habe mehr Leute drumherum tanzen für die gleichen Output. Ich gebe ein Beispiel. Polyester, was ja 1 der wichtigsten Faserrohstoffe ist, wird heute in Südostasien in Anlagen 1000 Tonnen am Tag hergestellt. Wenn ich jetzt zum Beispiel eine Herren- und eine Frauen-Chino sammle, alle aus dem Ruhrgebiet und das sehr gut mache, komme ich auf Anlagen in der Kapazität von 10 bis 20 Tonnen. Das heißt, ich habe 100-mal kleinere Anlagen. Und als Daumenregel würde ich sagen, die Produktion auf diesen Anlagen ist ungefähr fünf- bis sechsmal teurer. Fünf- bis sechsmal teurer als die Produktion 1 neuen Werkstoffes aus Erdöl. Und das sind die 3 Hauptsätze, mit die ich nicht jetzt irgendwie als Verhinderungsstrategie in den Raum stellen möchte, sondern einfach als Randbedingungen, die nicht überkommbar sind, von denen man ausgehen muss, wenn man neue Lösungen entwickelt.
Zackes Brustik: Das ist krass. Ich muss das nochmal kurz, das Beispiel, das du gegeben hast, nochmal vor dem Auge mehr verwirklichen. Also aktuell, wissen wir alle, das hat man eingangs gesprochen, wir produzieren super viel direkt für die Halde, neu. Und ganz viel, was im Schrank landet, wird nicht genutzt. Aber all das wird nämlich gerade überwiegend zum Beispiel in China produziert mit den 1000 Tonnen pro Tag, hattest du gesagt, ne? Das heißt, ja. Und dann wenn ich jetzt sage, okay, ich sammle in Deutschland und will das Material hier vor Ort dann auch für die nächste Reihe an, ich sag mal, Outdoorjacken oder was auch immer verwenden, ich denke an VD oder sowas, dann wären es nur noch diese 10 Tonnen und dann ist natürlich logisch, dass das irgendwie überhaupt nicht aufgehen kann von den skalen Effekten her. Und sechsmal teurer, dann wird es halt echt knifflig, dieses Geschäftsmittel wirklich praktikabel zu machen, selbst wenn die EU das Level Playing Field baut oder sorgt, wir machen jetzt die Grenzen dicht oder erheben Zölle oder was auch immer. Also das ist echt, 6 mal teurer ist schon eine Ansage.
Thomas Gries: Beim Rohstoff, Also man muss bei diesen ganzen Größen immer aufpassen. Erstmal sind Zahlen wichtig. Zweitens ist die Bezugsgröße wichtig. Das wird noch schlimmer, wenn ich über Prozente rede. Da wird beliebig viel Unsinn geredet. Ich fange mal vorne an, wenn man sagt, die 30 Prozent, die jetzt mehrfach schon im Raum geisterten, dann sagt jemand, ja, ich habe aber doch neulich eine Fahrradkleidung gekauft, die war 100 Prozent recycelt. Dann stimmt das. Die Faser, die in der Fahrradbekleidung ist, die ist zu 100 Prozent recycelt. Aber auf die 100 Prozent zu kommen, muss ich dann 300 Prozent sammeln, weil ich Verluste habe.
Zackes Brustik: Magst du kurz das mal ausklären? Also wo sind die Verluste dann im Auseinanderreißen, im wieder Zusammenfügen oder wie viele Schritte sind da denn? Ihr seid ja auch ganz tief in der Maschinenproduktion an der RWTH oder auch an der Forschung von der Maschinenproduktion. Also welche Schritte sind denn da, die man als Konsument nicht im Blick hat?
Thomas Gries: Ach, du sagst das jetzt mehrmals, man muss da tief drin sein, muss man nicht. Diese Grundüberlegung ist Bauernweisheit und kann sich aber mit den Grundrechenarten erschließen. Also jeder weiß das ja auch, wenn er irgendwas macht, ich kaufe mir ein Stöffchen und nehme mir ein Hemdchen, ist nicht 100 Prozent der Stoffbahn nachher im Hemd. Ich habe Verschnitt, ein Beispiel, wenn ich jetzt von der Rücken, Wenn ich jetzt Garn spinne, dann muss ich erstmal die Maschinen anfahren, dann mache ich das. Bei der Produktion gibt es bestimmte Abfälle, die je nach Größe und Konfiguration können das 3 bis 10 Prozent, hat man fast immer in jeder Prozessstufe an Verlusten. Wenn ich einen Kuchen backe, landet auch nicht alles im Kuchen und so weiter und so fort. Und wenn ich, die Frage war richtig, wenn ich jetzt gucke, ich muss es erst mal sammeln, mal abgesehen von Riesenprodukten, dann muss ich es auftrennen. Die Frage ist, was ist recycelbar, nicht recycelbar, dann zerreiße ich es. Da habe ich natürlich Abfälle, Fasern die klein sind und verlustig sind und so weiter und so kommt quasi auf jeder Stufe und mögen es nur 10% sein, Verlust dazu. Jetzt möge jeder mal den Taschenrechner nehmen. 10% Verlust heißt, nachher kommt nur 0, 9 raus. 0, 9 mal 0, 9 mal 0, 9 und jetzt einfach zehnmal die Gleichtaste drücken, denn ich habe ein Sammeln, ich habe ein Aufreißen, ich habe ein Sortieren, ich habe Verspinnen, ich muss ein Gewebe herstellen, ich muss es färben, ich muss es konfektionieren, ich muss es distributieren und so weiter. So sind, ich sag mal in erster Näherung 10 Prozessstufen, 0, 9 und 10 mal auf die Taste drücken, dann kommt man letztendlich auf ungefähr 30 Prozent. Allein weil eben jede Wertschöpfungskette nicht verlustfrei ist.
Zackes Brustik: Und dann darauf nochmal das aktuelle System, wie wir Kleidung nutzen als Konsumierende, ist eben, dass 50 Prozent erst gar nicht bei uns im Schrank landen. Genau. Und das heißt Eigentlich müsste man, wenn man also Konsumenten ein ehrliches Gefühl dafür geben will, wie viel wirklich Recycling ist, müsste man sagen aus 100% Recyclingmaterial, aber gleichzeitig sind noch 2 weitere vollwertige Jacken oder das Äquivalent von 2 weiteren vollwertigen Jacken im Müll gelandet.
Thomas Gries: Irgendwie seitlich weggekommen. Dann gibt es ja so Bilder mit so Stoffströmen, was nicht heißt, dass ich das, was Abfall ist, in der, oder dass man das nicht auch als wertstofflich nutzen kann.
Zackes Brustik: Aber wahrscheinlich nicht im Gleichwertigen oder nicht im Upcycling, sondern da wird dann halt keine Jacke drauf, sondern ein Bauvlies oder sowas.
Thomas Gries: Zum Beispiel oder eben aus ganz kurzen Fasern kann ich auch Architekturpappe machen oder Papier, Geldscheine sind übrigens auch aus kurzen Fasern und dann gibt es eben einen Dirty Rest, den ich zum Beispiel noch energetisch verwenden kann. Und Achtung, auch die Natur recycelt energetisch und ich brauche Energie und es spricht nicht dagegen aus den Rohstoffströmen, die ich nicht stofflich nutzen kann, das als Energierohstoff zu nutzen. Den brauche ich als Mensch auch.
Zackes Brustik: Das auch nochmal wichtig, ich glaube das ist zu unterstreichen, also ich glaube ihr und dein komplettes Team, die ganzen Institute, forschen natürlich mit aller Leidenschaft und voller Überzeugung daran, weil sie an die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit glauben. Also das heißt, das ist halt einfach nur, wo wir dann an die Grenzen stoßen sozusagen. Und jetzt dieses Maximum rauszuholen, was du sagst, was theoretisch möglich wäre, was ist denn dafür notwendig? Du hast ja gesagt, ihr arbeitet, oder ich habe das gesagt, ihr arbeitet auch super nah mit Unternehmen zusammen, mit mittelständischen Unternehmen. Also wie kommen wir denn dahin, überhaupt diese 30 Prozent, die möglich sind, dann zu erreichen?
Thomas Gries: Eine gute Frage. Ich habe bewusst eine Pause gemacht, weil ich noch einen Aspekt beantworten würde, vorherigen Block und dann gehe ich auf die Frage ein. Ja, dieser fünffach höhere Preis ist natürlich erschreckend, aber auch da muss man sehen, bei allen Produkten, übrigens auch bei Handys oder bei Autos, ist der Anteil der Rohstoffkosten unter 10 Prozent, in der Regel so bei 5 Prozent. Das heißt, da drauf kommt natürlich die Verarbeitungskosten, da drauf kommen natürlich, dass ich das Produkt verteilen muss, verkaufen muss, es kommt die Mehrwertsteuer draus, die macht am Gesamtpreis 16 Prozent aus und das heißt Insgesamt die Produktionskosten von einem einfachen Produkt sind vielleicht 3 oder 4 Prozent des Verkaufspreises bei einem komplexen Produkt wie einem Auto und Handy vielleicht 10, 15 Prozent oder 1 Outdoorjacke. Das heißt, wenn der Rohstoff jetzt entsprechend viel teurer würde, dann ist es am Gesamtpreis durchaus kompensierbar, denn der Kunde wird nicht viel mehr bezahlen. Da gibt es ja auch Studien, Talk Green, Act Grey, also die dann sagen, ein Kunde gibt für ein besonders ökologisch gelabeltes Produkt maximal 10 Prozent mehr aus in dem jeweiligen Preissegment. Zum Beispiel ein Herrenhemd, wie ich es hier trage, 50 Euro, eine Schino 100, 110 Euro. Die Preissegmente sind manifestiert im Beton und die wird man auch nicht kurzfristig ändern können. Aber von den Herstellungskosten, so ein Hemd wie ich es trage, kostet 2, 50 Euro in der Herstellung, es kostet 50 Euro im Geschäft. Wenn der Rohstoff etwas teurer wird, kostet das Hemd vielleicht 5 Euro, aber ich kann es durchaus eben indem ich zum Beispiel steuerliche Anreize gebe, indem ich die Überproduktion vermeide, indem ich an anderen Stellen der Preistorte sozusagen mir ein Stück rausschneide, durchaus für tolerierbare Preise anbieten. Das heißt der Rohstoffpreis wird höher, aber ich muss neue Geschäftsmodelle erfinden.
Zackes Brustik: Welche Möglichkeiten gibt es dann? Also wie gehen wir das an? Und du hast ja gesagt, ganz viel von dem, was du gesagt hast, lässt sich beliebig auf andere Branchen übertragen. Also gerade die ganze Kalkulation durch die Prozessschritte hindurch, das ist jetzt egal, ob ich auf Textilien gucke, auf Verpackungen oder auf andere Materialien, die sich recyceln lassen, hast du auch angesprochen, zum Beispiel ein Autoschassi. Also, wenn du rausguckst, die Mittelständler in Deutschland anguckst, was müssten die angehen als nächstes? Wie realistisch ist das?
Thomas Gries: Natürlich. Auf der einen Seite möchte ich hier ein Bewusstsein schaffen, wie komplex die Sache ist. Auf der anderen Seite als Wirtschaftsingenieur und Ingenieur und auch Mitbürger möchte ich natürlich das Ganze in eine Lösung zuführen. Also wie kann man jetzt diese Komplexität beherrschen? Und da ist ein ganz einfaches Credo letztendlich durch Kooperation. Rein technisch allein, Ich brauche, ich hatte es eben schon gesagt, ich brauche ungefähr 10 unterschiedliche Einzeltechnologien. Wir als Institut beherrschen aus diesem Ring beim Textilien vielleicht 4 oder 5, aber eben nicht alle. Das heißt, allein schon technisch muss man kollaborieren mit Leuten, die Robotertechnik machen, Sachen zu sortieren oder aufzutrennen, zu reißen. Das heißt, die Kollaboration bei der technischen Entwicklung ist wichtig. Und später, wenn ich Geschäftsmodelle aufzeige oder auch installiere, wird man auch in der Regel 2 bis 3 Partner brauchen. Mehr ist schwierig. Man muss ja auch irgendwie wirtschaftlich zusammenfinden, Verträge machen, aber so ist zum Beispiel die Logistik Sachen zu sammeln, aufzutrennen, was anderes als ein Produkt zu machen und hochpreisig im Markt zu positionieren. Und es gibt auch bereits Beispiele, wo wir erfolgreich Dinge umgesetzt haben. Das heißt, in der Entwicklung, zum Beispiel im Recycling Atelier in Augsburg, 10 unterschiedliche Technologie-Experten zusammenzubringen, auch sektorübergreifend eine Lösung zu entwickeln. Ich kann auch gleich ein paar Beispiele geben und nachher in der Umsetzung 2 Industriepartner zusammenzubringen oder Handel und Industriepartner. Der eine sammelt, der andere recycelt und macht wieder ein Produkt raus und häufig sind wir dann als dritter Partner dabei, weil immer wieder mal Innovation, Ausbildung und ähnliches notwendig sind. So kann man dann eben diese Komplexität reduzieren und wirklich auch Lösungen schaffen.
Zackes Brustik: Ist das realistisch mit den Maschinenparks, die wir aktuell haben? Weil ein ganz großes Problem ist ja, dass wenn du mal so einen Maschinenpark dastehen hast, den musst du ja erstmal amortisieren über 10, 20 Jahre. Also wie realistisch ist das, Unternehmen jetzt wirklich in den nächsten Jahren die Lust haben oder auch es finanziell sich leisten können, da umzurüsten?
Thomas Gries: Eine gute Frage. In der Regel muss man auch nicht zwingenderweise neue Kapazitäten, sondern muss sie anpassen. Und das ist natürlich immer eine Fragestellung. Also wenn ich, ich gebe mal ein Beispiel, ich darf leider keine Namen nennen. Wenn ich zum Beispiel Corporate Ware, also Berufsbekleidung, recycle, dann habe ich sie häufig aus Polyester und Baumwolle. Da haben wir Technologien entwickelt, beziehungsweise haben, ich würde eher sagen, Technologien konfiguriert, das heißt in den Baukasten gegriffen, haben geguckt, wie kann man das sammeln, wie kann man das trennen. Gewinne ich die Polyesterfasern und mache daraus ein neues Textil oder gewinne ich die Baumwollfasern und mache daraus ein Textil. Beides geht in der Regel nicht. Und wer kann das nachher machen? Das Gute ist, dass bei dem Recycling-Atelier die Firmen A, Mitglied sind und B, natürlich auch neben der Installation vor Ort meistens noch ein etwas größeres Technikum haben, denn das Upscaling und die Implementierung geht meistens in 3 Schritten. Das heißt in im Recycling Atelier in Augsburg machen wir den sogenannten Proof of Concept, sprich was geht, was kann ich mit welchem Wertstoffstrom wieder Gutes tun, wie kann ich den zurückführen. Dann geht es häufig in einen Technikumsmaßstab, wo man dann den Faktor 10 oder 100 größer schaut, welche Maschinen sind geeignet und was muss man an den Maschinen ändern. Und dann ist der nächste Schritt der Schritt, den du ansprachst, wo man schaut, wer kann das letztendlich machen. Brauche ich dazu eine komplett neue Installation oder kann ich auf eine alte Anlage gehen und die zum Beispiel ertüchtigen. Und das ist unter Umständen auch eine Chance für eine Renaissance. Es wurde eben ja gesagt, dass Polyesterfasern in Südostasien in Skalen von 1000 Tonnen am Tag hergestellt werden. Die Polyesterphase sind in Deutschland oder in Europa erfunden worden und es gibt noch alte Anlagen, die in der Größenordnung 20 oder 40 Tonnen am Tag sind, die heute nicht mehr für wirtschaftlich für virgin also jungfräuliches Material einsetzbar sind, aber dann zum Beispiel mit leichten Modifikationen für Recyclingprodukte. Also bei der Umsetzung gibt es immer auch noch mal die große Möglichkeit oder auch Chance bestehende Anlagen, die kleinskaliger sind als das, was man eben in den großen Textilproduktionsländern findet, zu ertüchtigen und wieder zu nutzen.
Zackes Brustik: Jetzt ist natürlich das Beispiel, das du herausgezogen hast mit Workwear, ist glaube ich relativ überschaubar, ne? Im B2B-Bereich. Also weil dann, okay, dann beliefere ich vielleicht, ich denke jetzt so, keine Ahnung, ich habe Workwear und dann habe ich große Abnehmer, weil ich einen Chemiepark beliefe oder Krankenhäuser oder dergleichen. Das ist alles schön überschaubar und da kriege ich das wahrscheinlich auch einigermaßen hin, wie das quasi zu sammeln. Kleidungsstücke auch quasi in ihren Kategorien zu sammeln, Sortenreihen und so weiter. Das ist wahrscheinlich ein ganz anderer Schnack, wenn es ganz normale BürgerInnenbekleidung geht, oder?
Thomas Gries: Absolut. Danke für die Vorlage. Also die 3 Hauptsätze haben wir jetzt, glaube ich, durch. Fragen sind gerne E-Mail, deutlich Kerne. Wir sind jetzt bei den sozusagen Obstacles oder Threats, wie der Engländer sagt. Also was hindert uns zu diesem perfekten Prozess? Und ein wesentlicher Punkt ist an der Stelle das Rückführverhalten. Und das ist natürlich bei 1 Berufsbekleidung oder ich sag jetzt mal ein Abtreter im Foyer, der ja auch gewaschen wird, ganz anders als jetzt bei Konsumentenbekleidung. Und da gibt es einen witzigen Effekt oder witzig ist, ist genauso ambivalent wie du Anfangs sagtest, schönes deutsches Wort, Mülltonnengängigkeit. Ich hatte immer Schwierigkeiten das zu übersetzen ins Englische. Fit for bin habe ich es dann genannt. Das gilt übrigens auch für Batterien und Verpackungen. Wenn der Konsument, ich sag mal heute Morgen war ich noch ein bisschen verschlafen und habe eine kaputte Socke in der Hand, dann überlege ich, bringe ich diese Socke zum Altkleider-Container oder schmeiße ich die nicht einfach in die Mülltonne. Das heißt, auch die meisten Batterien sind klein. Autobatterien kann ich natürlich recyceln, da ist ähnlich wie bei Berufsbekleidung, aber diese ganz vielen kleinen Batterien, die ich im Smoker habe, die ich in jeder Grußkarte habe, überall wo sind Batterien drin, die werde ich wahrscheinlich nur der äußerst passionierte Konsument, wird die alle sammeln und dann einmal im Monat zum Container fahren. Mach ich, aber machen nicht alle. Das heißt, ein Großteil der Verluste ist allein schon in der
Zackes Brustik: Mülltonnen-Gängigkeit. Also das heißt, wie einfach wird es dem Konsumenten gemacht, das in die tatsächlich dafür vorgesehene Tonne zu werfen?
Thomas Gries: Und dann ist natürlich eine grüne Tonne, man denkt dann, man ist grün, so ein vermeintlicher Anreiz, aber eigentlich trotzdem Teil des Problems. Und dann ist es natürlich umgekehrt, ist die Frage, wie kann ich dann den Konsumenten bewegen, mehr zurückzubringen? Wir hatten mal im Kreis hier gescherzt, brauche ich nicht einen Dosenpfand, sondern einen Hosenpfand. Also wenn ich eine Hose zurückgebe, zum Beispiel bei C&A oder beim Hugo Boss, kriege ich dann 10% Rabatt oder sowas. Also kann ich irgendwelche, und das hat ja gezeigt bei den Verpackungen, dass solche kleinen Anreize einen enormen Effekt haben in letztendlicher Sammelgüte. Denn je reiner ich sammle, desto besser kann ich recyceln, ganz schlicht.
Zackes Brustik: Das wäre jetzt ja wieder so ein bisschen der Bogen zur EPR, also zu Extended Product Responsibility. Da geht ja jetzt die Verantwortung zurück zu den Produzenten. Also ist das realistisch, dass jetzt C&A und was ist der realistische Weg, dass jetzt C&A anfängt einen Hosenpfand auszugeben, die Leute bringen das zu den C&A zurück, das gleiche macht der Zucco Boss, das gleiche macht Adidas, wird das eher dann als Industrie unter den ganzen Unternehmen zusammen gelöst, Wie schätzt du das ein?
Thomas Gries: Das ist eine sehr spannende Frage. Da wage ich kaum eine Prognose. Also ich hoffe, dass dann natürlich auch eine gewisse Experimentierfreude zugelassen wird, denn man muss solche Dinge ausprobieren. Sozioökonomische Effekte sind ja manchmal mit vielen Überraschungen begleitet und das Experiment ist letztendlich die Mutter der Erkenntnis und dann, ich hoffe, dass die Regulatorien nicht die Experimentierfreude abschneiden, weil man wird Sachen ausprobieren müssen und die bestmöglichen dann umsetzen. Es gibt, was ich positiv wahrnehme, es gibt viele Überlegungen, sowohl von in Europa ansässigen Unternehmen, aber auch die großen Produzenten in der Welt überlegen natürlich auch, was passiert in China, ist immerhin 1 der größten Textilmärkte, was passiert in Amerika, was passiert in Europa, was passiert in Südamerika, denn für einen Produzenten zum Beispiel in Indien heißt der europäische Markt ein Drittel des Umsatzes und er überlegt natürlich auch, was muss ich tun, damit ich auch in Zukunft in Europa verkaufen kann. Also da ist viel in Bewegung und ich glaube aber keiner hat noch den bisher den Stein der Weisen. Eine große Rolle spielen natürlich auch überregionale global agierende Entsorgungsunternehmen, weil wie gesagt das rückholen und aufbereiten ist eine zentrale Stufe und und und und und. Also gut wäre, wenn die Politik dort über die Regulatorik Anreize gibt, im Sinne auch der sozialen Marktwirtschaft, in der dann die Akteure möglichst optimale Lösungen entwickeln.
Zackes Brustik: Das so als ein kleines Ding, das ich auch schon recherchiert habe, ist, geregelt in der EU wird das über PROs, also die Umsetzung der EPR, nämlich über Producer Responsibility Organizations. Und die werden auf nationaler Ebene umgesetzt. Und dann ist die entscheidende Frage, wird das dann auch durch die jeweiligen Länder geführt oder kommt das, was du sagst, dass die verschiedenen Producer Responsibility Organizations da viel Kreativität, Kreativität im positiven Sinne zugestanden bekommen und selber schauen können, dass es für sie am besten funktioniert. Und da gibt es wohl, glaube ich, gerade auch einen entscheidenden offenen Brief dazu, weil es sich eben gezeigt hat, gerade die PROs, die nicht durch die nationale Regierung geführt werden, sondern wo die Unternehmen sie selber organisieren, in der Regel wirklich deutlich, deutlich erfolgreicher sind in der Umsetzung und wir haben ja schon gehört oder ich habe schon gesagt, es gibt viele Länder, die das seit Jahren schon umsetzen, Frankreich, Niederlande, Kalifornien, Australien, also es gibt sehr viel Erfahrung in dem Bereich. Das werden wir allerdings in 1 anderen Folge vertiefen, wo wir dann tatsächlich ein Circular Economy Act und EPR Deep Dive machen aus regulatorischer Sicht. Hier nochmal in die Praxis rein, ein ganz spannendes Thema zum Abschluss, KI, inwiefern ist das so ein Enabler, der vielleicht sogar bei den 10 Schritten, die du vorhin gesagt hast, nochmal ein bisschen mehr rausholt aus dem 10% Verlust?
Thomas Gries: Ja, also ich bin der festen Überzeugung, dass Digitalisierung, ob es jetzt KI ist oder jede andere Form von Mathematik, in jedem Fall ein wesentlicher Bestandteil ist, die Kreislaufwirtschaft auch zu führen, zu begleiten und auch zu steuern. Auf den ersten Blick sind diese beiden großen Entwicklungen, also Digitalisierung schräg schräg KI und Nachhaltigkeit getrennt, aber sie sind im hohen Maße verbunden. Ein Beispiel ist natürlich der schon viel zitierte digitale Passport. Wenn wir heute einen Abfallstrom haben und den sortieren, wissen wir häufig gar nicht, was in dem Abfall drin ist. Die Etiketten sind häufig rausgetrennt, sie sind auch letztendlich nur grobe Richtschnuren und keine detaillierten Rezepte, wie man sie bräuchte, damit man ein effizientes Recycling macht. Also je mehr ich über das Produkt weiß, desto besser kann ich es recyceln. Das ist eine der ersten ganz schlichten Dinge, die sich hinter dem Schlagwort digitaler Produktpass verbindet. Denen wird es auch nicht flächendeckend geben, weil die Rücknahme und Recyclingwege zum Beispiel für ein Auto und damit auch Auto-Textil, Batterien und so weiter anders sein wird als für ein Gebäude. Der Gebäudesektor ist immer noch die größte Rohstoffsenke der Menschheit. Und da gibt es eben auch gemischte Abfälle, die unterschiedlich wieder zurückgeführt werden können. Dann die Bekleidung und was wir gar nicht hier so stark thematisiert haben, auch die ganzen Einmalprodukte, sprich Hygiene und Ähnliches. Und das heißt, je besser ich weiß, was da drin ist, desto besser kann ich es recyceln. Zweiter Punkt ist das Trennen. Das Trennen geschieht heute manuell und dann eben beliebig gut und schlecht und auch natürlich der Kostenintensität. Wir haben ja auch in anderen Bereichen nicht genügend Arbeitskräfte in der Zukunft, Pflege und so weiter. So gilt das auch beim Sortieren. Das heißt, wir brauchen letztendlich Bildverarbeitung. Bildverarbeitung ist immer auch KI, also eine schnelle Musterkennung. Ist das ein T-Shirt, ist das ein Hemd, ist das eine Hose, ist das das, ist das das, wo ist die Knopfleiste, wie kann ich hier raus trennen, wie kann ich hier sortieren und in der Geschwindigkeit muss das gehen. Auf einem wahren Sortiertisch muss in Sekunden entschieden werden, was ist das, was muss weg, wie trenne ich es weg und dann recyceln. Und dieses Produkt erkennen, Produkt desintegrieren, also auseinander trennen und dann die textilen Teile zum Beispiel aufzureißen, die anderen aufzuschmelzen, Das ist in hohem Maße die Notwendigkeit dort Bildverarbeitung und damit KI und Robotik einzusetzen.
Zackes Brustik: Das sind die Sachen, die ihr macht. Das heißt, ihr baut sozusagen ein Fließband, da wird einfach der Kleidercontainer drauf gekippt, dann haben wir einen Bilderkennungsalgorithmus oder eine KI, die schaut, was liegt da drauf, das klassifiziert, im besten Falle besonders effektiv und dann kommt ein Roboterarm und macht die mechanische Verarbeitung davon. Das habe ich gesagt, ihr seid eben die Modellfabrik, ganz am Anfang habe ich das gesagt, für mechanisches Textilrecycling. Warum habt ihr euch dafür den mechanischen Weg entschieden? Weil gerade beim Recycling, wenn es Polymere geht oder Polyester, gibt es ja dann auch die chemische Variante.
Thomas Gries: Weil letztendlich von der Ausstattung des Recyclingateliers das schon groß genug war. Wir beschäftigen uns natürlich auch mit dem chemischen Recycling. Und da gibt es unterschiedliche Dinge. Häufig wird das auch subsumiert als chemisches Recycling. Wenn man genauer hinguckt, gibt es einmal das sogenannte thermomechanische Recycling. Das heißt, ich schmelze den Kunststoff wieder auf und mache neue Fasern draus. Es gibt das chemische Recycling im Engeren. Also ich versuche, die Rohstoffe zu Bausteinen aufzulösen, mache wieder neue Kunststoffe draus, koche einen neuen Kunststoff. Und es gibt natürlich auch das runterbrechen auf sogenanntes entweder Syngas oder Recyclingöl. Das heißt, man macht daraus einen universalen Rohstoff oder Energieträger. Alle diese Dinge beschreiten wir natürlich auch in Projekten. Wir haben dafür noch kein Recyclinglabor, weil wenn man das macht, ist es aus meiner Sicht unbedingt sinnvoll, dort auch dann Chemiker einzubinden. Katalyse ist ein ganz großes Stichwort und natürlich ist dann der Recycling-Weg noch stärker verwoben zwischen den Textilen, der Verpackung, den technischen Kunststoffen. Da sind wir gerade dabei, das zu konfigurieren und ich denke auch in Kürze werden wir da auch das umsetzen, weil das auch eine Komponente ist, letztendlich den Stoffkreislauf zu schließen.
Zackes Brustik: Das ist ja durchaus ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. Die einen befürworten mechanisches Recycling, weil das einfach deutlich energieschonender ist und die anderen befürworten chemisches Recycling, weil sich dadurch die ganz großen Chemieanlagen in Deutschland weiter betreiben und nutzen lassen, die dann vielleicht schon amortisiert sind und wo natürlich das Businessmodell viel einfacher weiterlaufen kann. Gibt es da aus 1 wissenschaftlichen Sicht ein Pro und Contra oder lässt sich das, ist das einfach dann wirklich fallabhängig?
Thomas Gries: Ich würde sagen, ich bin sehr universeller Ingenieur und Wissenschaftler. Ich mag alle Techniken und ich glaube auch, dass es eher eine Mischung auswird, den verschiedenen Technologien und es ist nicht die eine Recycling-Technologie. Das ist, glaube ich, auch ein Trugschluss. Wenn ich, es gibt ja auch noch das Upcycling, also dass ich Stoffe wiederverwende, je mehr ich wiederverwende, je näher ich an dem Endwerkstoff bleibe, desto energetisch günstiger ist es. Ganz einfach. Das wird vielleicht gelingen, wie ich eingangs sagte, für 20, 30 Prozent. Für so ein mittleres Segment muss ich wieder mehr Energie einsetzen, den Werkstoff mehr wieder zum Rohstoff wandeln, dann wieder grundständig einen neuen Werkstoff aufzubauen. Das ist dann chemisch recycelnd groß. Da muss ich aber mehr Energie einsetzen. Hab den Vorteil, dass ich dann aber einen besseren Rohstoff wieder kochen kann. Und dann gibt es weitere 30 Prozent, wo ich es nicht werkstofflich, sondern energierohstofflich nutze. Und so eine Mischung wird es geben. Welche Technologie da dominieren wird? Lass uns das doch mal angehen und nachher schauen, was sich rausmendelt. Wenn man vor 120 Jahren gesagt hat, wie ein Auto oder ein Flugzeug aussieht, hätte man wahrscheinlich auch was ganz Groteskes entwickelt. Ich glaube, die Lösung wird in the doing und dann in der Realität entstehen. Es wird eine Kombination aus verschiedenen Technologien sein, wie ich auch sagte, auch in Sektorkopplung. Das heißt, manche Fasern werden vielleicht zum Papier oder zu was anderem. Da muss man, glaube ich, offen sein. Es wird eine Kombination aus unterschiedlichen Technologien und unterschiedlichen Sektoren sein.
Zackes Brustik: Ist auch schon ein perfektes Schlusswort. Lass uns in das Handeln kommen, lass uns möglichst viele Dinge umsetzen, damit wir dann auch wirklich Wahlmöglichkeiten haben und vorwärts kommen. Wer fehlt euch noch in eurem Netzwerk?
Thomas Gries: Grundsätzlich ist das einfach ein Open Call, sich an mich zu wenden. Wir sind in Aachen sehr gut vernetzt. Wir haben ein sogenanntes Center for Circular Economy. Da sind mehr als 50 Kollegen aus allen technischen Bereichen. Da gibt es auch einen Ansprechpartner, den Mohammed Shihadeh, den kann man ansprechen. Man kann auch die Hauptakteure ansprechen, zum Beispiel mich. Wir wissen ungefähr, wer was macht und dann kann man, ich muss nicht alles machen und ich kann dann gerne auch verweisen an Kollegen aus der Bauwirtschaft, aus dem Kunststoffbereich, aus der Metallurgie, die für bestimmte Fragenstellungen viel besser geeignet sind. Also der Dialog einfach eine Frage stellen, die kann auch ungelenk sein, dann können wir helfen. Keine Frage stellen, kann ich nicht helfen. Das zweite ist für das insbesondere für den Bereich jetzt des chemischen Recycling suchen wir noch Partner, insbesondere aus der Katalyse und aus der Chemie. Und dann natürlich ist jeder willkommen, der eben aus seinem Wertstoffstrom sieht, dass man irgendwas in Richtung Faser machen kann und umgekehrt, wir brauchen natürlich Partner, die nicht fasertechnisch zu nutzenden Reststoffe dann in andere Sektoren zu bringen. Also an der Stelle, weil das noch ein sehr Weites und Weißes Feld ist, einfach ansprechen und dann wird einem schon geholfen.
Zackes Brustik: Und die Kontaktdaten packe ich natürlich in die Show Notes rein mit der passenden E-Mail-Adresse. Vielen, vielen Dank, Thomas, dass du vorbeigeschaut hast und uns den Einblick gegeben hast in, ich sag mal wirklich, die gesammelten Erkenntnisse, die sich aus all den unterschiedlichen Forschungsprojekten ergeben und Kooperationsprojekten, die ihr am Laufen habt und das ist ja richtig viel. Gerade hast du nochmal das Center for Circular Economy reingeworfen, also das heißt, da passiert richtig viel. Viele Anknüpfungspunkte, meldet euch unbedingt und vielen, vielen Dank für das Vorbeischauen.
Thomas Gries: Es war mir eine große Freude, herzlichen Dank.
Zackes Brustik: Natürlich den Podcast abonnieren und auch gleich den dazugehörigen Newsletter zackes.com slash Newsletter. Wir werden auch in den kommenden Folgen der Staffel nochmal in die Kreislaufwirtschaft reinschauen, wahrscheinlich auch mit einem Deep Dive ganz speziell zur EPR und zum Circular Economy Act. Also bleibt dran und bleibt auf dem Laufenden. Bis dahin! SWR 2021
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